Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0894
DOI issue:
22. Heft
DOI article:Cohn, William: Die Ausstellung alter ostasiatischer Kunst in der Berliner Akademie der Künste
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0894
AUSSTELLUNG ALTER OSTASIATISCHER KUNST IN DER BERLINER AKADEMIE
wir nur eine kleine zierliche Grabftatuette aus
der Hanzeit (Abb. 11). Das aus der Periode
der fechsDynaftien [tammende, 570 datierte Stein-
relief mit der Darftellung der Shakatrinität, über-
fteigt nicht das Niveau einer Fabrikarbeit. Be-
merkenswerter ift der fteinerne Tempelwächter
aus dem Befifee von Bing (I, 15), fichtlich des-
felben Stiles wie die Tempelwächter der Höhlen
von Lung-men, und damit ein gutes Beispiel
der T'angbildnerei (7. bis 9. Jahrh.), aus der die
japanifche Narazeit fchöpfte. Etwa derfelben
Periode gehört das Buddharelief (Abb. 12) an,
auf dem die Gravierungen von Bodhifattva das
Schönfte find, ein Dekor, der in diefem male-
rifchen Stile offenbar gerade in der T’angzeit
befonders beliebt war. Man denke an die Gra-
vierungen am Lotosfiß des Daibutfu von Nara
und an chinefifche Sarkophage. Fällt alfo die
chinefifche Bildnerei beinahe ganz aus, fo er-
fcheint Japan wenigftens mit zwei wundervollen
Arbeiten aus ältefter Zeit, die in feltener Rein-
heit die herrliche Stille und Welterhabenheit
buddhiftifcher Plaftik in fich tragen. Ich könnte
mir denken, daß ein Menfch unferer unruhigen
Tage zu der finnenden Kwannongeftalt (oder
Miroku) des 7. Jahrhunderts (Abb. 13) und zu
dem unendlich edlen und ftolzen Buddhakopf
der Naraperiode Ruhe und Frieden Juchend
flüchtete, zu denfelben Geftalten, die der Kunftfachverftändige einer großen Berliner
Zeitung „die gräßlichfte Mißgeburt orientalifcher Phantaftik“ genannt hat. Was aus
den folgenden Jahrhunderten gezeigt wird, kann mit diefen Werken nicht rivalifieren.
Ein Dainichibuddha (111, 133) zeugt
für die fchon auf liebliche Schön-
heit eingeftellte Bildnerei der Fuji-
warazeit (10. bis 12. Jahrh.), ein
mit Kirigane gefchmückter Jizö
(Abb. 14) für die Kamakuraperiode
(13. Jahrh.), in der realiftifche Strö-
mungen die buddhiftifchen Gott-
heiten zu vermenfchlichen began-
nen. Hier wäre die Serie der fo
eindrucksvollen Nömasken aus dem
17. und 18. Jahrhundert (V, 205
und 207) anzufügen, die, weit ent-
fernt von den leeren Spielzeug, das
in den Orientwarengefchäften fo
viele Käufer findet, gewiffe Typen
Äbb. 15. Bronzegefäß, China
Freiburger Mufeum, Katalog Nr. 196
850
wir nur eine kleine zierliche Grabftatuette aus
der Hanzeit (Abb. 11). Das aus der Periode
der fechsDynaftien [tammende, 570 datierte Stein-
relief mit der Darftellung der Shakatrinität, über-
fteigt nicht das Niveau einer Fabrikarbeit. Be-
merkenswerter ift der fteinerne Tempelwächter
aus dem Befifee von Bing (I, 15), fichtlich des-
felben Stiles wie die Tempelwächter der Höhlen
von Lung-men, und damit ein gutes Beispiel
der T'angbildnerei (7. bis 9. Jahrh.), aus der die
japanifche Narazeit fchöpfte. Etwa derfelben
Periode gehört das Buddharelief (Abb. 12) an,
auf dem die Gravierungen von Bodhifattva das
Schönfte find, ein Dekor, der in diefem male-
rifchen Stile offenbar gerade in der T’angzeit
befonders beliebt war. Man denke an die Gra-
vierungen am Lotosfiß des Daibutfu von Nara
und an chinefifche Sarkophage. Fällt alfo die
chinefifche Bildnerei beinahe ganz aus, fo er-
fcheint Japan wenigftens mit zwei wundervollen
Arbeiten aus ältefter Zeit, die in feltener Rein-
heit die herrliche Stille und Welterhabenheit
buddhiftifcher Plaftik in fich tragen. Ich könnte
mir denken, daß ein Menfch unferer unruhigen
Tage zu der finnenden Kwannongeftalt (oder
Miroku) des 7. Jahrhunderts (Abb. 13) und zu
dem unendlich edlen und ftolzen Buddhakopf
der Naraperiode Ruhe und Frieden Juchend
flüchtete, zu denfelben Geftalten, die der Kunftfachverftändige einer großen Berliner
Zeitung „die gräßlichfte Mißgeburt orientalifcher Phantaftik“ genannt hat. Was aus
den folgenden Jahrhunderten gezeigt wird, kann mit diefen Werken nicht rivalifieren.
Ein Dainichibuddha (111, 133) zeugt
für die fchon auf liebliche Schön-
heit eingeftellte Bildnerei der Fuji-
warazeit (10. bis 12. Jahrh.), ein
mit Kirigane gefchmückter Jizö
(Abb. 14) für die Kamakuraperiode
(13. Jahrh.), in der realiftifche Strö-
mungen die buddhiftifchen Gott-
heiten zu vermenfchlichen began-
nen. Hier wäre die Serie der fo
eindrucksvollen Nömasken aus dem
17. und 18. Jahrhundert (V, 205
und 207) anzufügen, die, weit ent-
fernt von den leeren Spielzeug, das
in den Orientwarengefchäften fo
viele Käufer findet, gewiffe Typen
Äbb. 15. Bronzegefäß, China
Freiburger Mufeum, Katalog Nr. 196
850