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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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24. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0978

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AUSSTELLUNGEN

von denen die Napoleonifchen Hiftorien und
andere der Druckerei Peilerin in Epinal die be-
rühmteren find. Bei derbem Zugreifen — tech-
nifch wie pfychifch — fchlicht und unzweideutig
in der Erzählung, können diefe Blätter in der
Wirkung von unleugbarer Größe fein. Wir
können uns hier auch an der fchönen Färbung
alter Exemplare freuen, die man bei den am Quai
feilgebotenen Neudrucken fchmerzlich vermißt.
Reiche und reizvolle Polychromie eignet einer
andern Ärt von Holzdrucken, die hier auch zu
fehen war: Beifpielen jener franzöfifchen Bilder-
tapeten des fpäten 18. Jahrhunderts, von denen
das eine Hauptftück die Gefchichte der Ärmida,
das andere Szenen aus dem „Befreiten Jerufa-

lem“ erzählt. * *

*

Von der eigentümlich gefchloffenen Wirkung
diefer Polychromie ift ein Weg zu Bildern Henri
Rouffeaus, mit denen BERNHEIM. JEUNE — durch
die Fürforge Wilhelm Uhdes — ihre Äusftellungen
wieder begannen. Wer die durch fcheinbare
Unbeholfenheit reduzierten, von fchreienden Äb-
fonderlichkeiten übertönten Vorzüge diefer quafi
Dilettantenkunft allzu laut preift, läuft Gefahr,
einer Modefuggeftion unterworfen zu erfcheinen.
Änderfeits braucht man, aufmerkfam auf neue
Strömungen im Kunftwollen, hier nur zu fehen,
um zu wiffen, daß es mit den törichten Legenden,
womit Rouffeaus Kunftbetrieb einem Journal-
publikum fpaßhaft erklärt wird, nicht getan ift;
um zu erkennen, aus welchen Urfachen Rouffeau
die Schäßung junger Maler genießt, die natu-
raliftifcher Studien fatt waren. Äus diefen Bil-
dern — dem famofen „Tanz um die Republik“
(„sur l’air: flupres de ma Blonde . . .“ wie der
Maler zu erläutern für nötig fand), das wohl
zunächft, doch nicht allein des Motivs wegen
Rouffeau mit Peter Brueghel zu vergleichen auf-
forderte; dem fchönften Gobelins würdigen
„Kampf der Beftien“; vereinfachten, intenfiven
Landfchaften, die durch Farbenfeinheit über-
rafchen, wo man von fcheinbar unbeforgtem
Nebeneinanderliegen diefer Tönen folch harmo-
nifche Wirkung nicht erwartet hätte; Porträten,
die wie jene von einer Ärt Realismus des Emp-
findens zeugen und zugleich etwas Vifionäres
in fich tragen, wie das bekannte Kinderbildnis
— aus diefen Bildern fpricht ein Stilwollen, das
nicht von Dilettantenart und auch nicht einem
Vorbild nachgeahmt ift. Man möchte Jagen:
Dilettantismus pflegt fich nicht fo ungefchickt zu
benehmen; wenn uns nicht aus Rouffeaus Bil-
dern ein eigenartiges Können anfpräche. Fragen
wir nicht danach, ob gewollt oder nicht, ob im
gewöhnlichen Sinne gekonnt oder gemußt, wir
beurteilen die Wirkung, vergeffen auch nicht,

daß jede Zeit die Kunftwerke nach ihrer Formel
auslegt und dürfen diefes Verfahren wohl für
berechtigt, ja einzig möglich halten.

* *

*

Syftematifcher als im großen Salon präfentiert
fich die zeitgenöffifche Malerei bei mannigfaltigen
kleinen Gelegenheiten. „Cubiftes et Fauves“,
wie Galanis, Gleize, Jean Gris, Leger, Lhote,
Meßinger, Picabia, Tobeen, Dunoyer de Se-
gonzac, de la Fresnaye, d’Exter haben fich unter
dem Titel „Le Salon de la Section d’or“ in der
neuen GÄLERIE LÄ BOETIE zu einträchtiger
und durch die Weite des Äusftellungsraums be-
günftigter Wirkung zufammengetan. Ihnen ge-
feilte fich der deutfche Bildhauer Wield.

Bei DRUET eine Elite des Herbftfalons: Mau-
rice Denis, grellfarbig und koloriftifch hart, ohne
alle Myftik; Ingreshaft zeicbnerifch intereffant,
in der Färbung fchwer verftändlich, ans Süßliche
ftreifend Valloton; Lebasque ungefähr zwifchen
jenem und Bonnard; Laprade mit Entwürfen für
Tapifferie, die den Geift des 18. Jahrhunderts
kühn in teppichgemäße moderne Weife hinüber-
trägt; Serufier mit warmen Farbenklängen auf
Stilleben und Landfchaft, an den frühem Gaugin
erinnernd; Hermann Paul, von dem ein expref-
fives Bildnis Cezannes vor der Staffelei jüngft
in der Porträtfchau des Salons zu fehen war,
neuerdings mit guten Porträten; Valtat; ein Äkt
und fonnige Landfchaften von Theo van Ryffel-
berghe; ein Relief von Maillol.

Von Othon Friesz war ebenda eine Kollektive
zu fehen, die dem Eindruck von diefer Perfön-
lichkeit kaum neue Werte beizufügen vermochte;
ihn aber auch nicht herabminderte. Seine Ce-
zanne-Nachahmerfchaft wirkt aufdringlicher in
der Änordnung von Figürlichem als in Land-
fchaften (aus Portugal und der Provence), die
kräftig aufgebaut und von voller Farbigkeit
fein können, deren eigener Ton am beften viel-
leicht in der Wiedergabe einer „Calanque“ be-
nannten provenpalifchen Bucht klingt.

Von Cezanne felbft vereinigten BERNHEIM,
in ihrer Filiale Ävenue de l’opera, etwa fünfzig
Blatt ganz leicht mit blaffen, wie anprobierten
Farben getönter Bleiftiftzeichnungen. Viel ftehen-
gelaffenes Weiß des Blattes gibt wundervolle
Erfcheinungen, wie wenn man Nebel in der
Sonne fieht. Neben dem Kontur eines Felfens
die weite Tiefe, die Konftruktion der ganzen
Landfchaft und doch alles nur angedeutet. Das
Verhältnis von flachem Vordergrund und duf-
tiger Ferne erinnert an ähnliche Wirkungen bei
japanifchen Impreffioniften; auch läge es nahe,
fich über die Beziehungen diefes Zeichnungsftiis
zum Cubismus Rechenfchaft zu geben. Unver-

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