Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

DOI Heft:
24. Heft
DOI Artikel:
Ausstellungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0983

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
AUSSTELLUNGEN

Privatbefiß beigefteuert haben, in jeder Weife
erhöht hat. Die Überfichtlichkeit der chronolo-
gifchen Anordnung gewährt einen vollkommenen
Einblick in den Entwicklungsgang des Meifters.
Er führt von der fauberen und ein wenig
trockenen Vedutenmalerei des Vaters Jakob Alt,
die ihren innigen Zufammenhang mit den be-
rühmten Stich-Folgen der Schütz-Zieglerfchen
Änfichten in ihren Anfängen nicht verleugnen
kann, bis zu jenen Spätwerken Rudolfs, in
denen die zittrige Hand des greifen Meifters
fich eine tüpfelnde Technik zurecht gemacht hat,
die man jetzt gern als eine „pointilliftifche“ be-
zeichnet. Es bedarf nicht erft der unfruchtbaren
Unterfuchung, inwieweit der Künftler hier „aus
der Not eine Tugend“ gemacht habe — ein
ganz äußerliches Merkmal, deffen fich freilich
einige Alt-Biographen mit befonderer Vorliebe
bedienen, um des Meifters „Modernität“ zu er-
weifen. Die unverfiegbare Jugend Altfcher
Werke ift vielmehr in der tiefen Ehrlichkeit und
in der frifchen Lebendigkeit feiner Naturanfchau-
ung begründet, die den Künftler im Verein mit
einem beweglichen Temperament — bei aller
treuherzigen Andacht und Liebe zum Kleinen —
vor aller Spießbürgerlichkeit bewahrt haben.
Sie werden ihn auch ftets davor bewahren, mit
jenen feiner allzuvielen geiftlofen Nachfolger
zufammengeworfen zu werden, deren Ehrgeiz
mit der Treue der photographifchen Kamera zu
wetteifern liebt. —

Die Veranftalter der Rahl-Ausftellung haben
klar erkannt, daß ihr rühmliches Beginnen not-
wendig ein Verfuch mit unzureichenden Mitteln
bleiben mußte. Denn nach dem Vorwort des
Kataloges bringt eine Ausftellung, die „nur Ent-
würfe, Kartons öder Staffeleibilder bringen kann,
eben nur den halben Rahl und es ift vielleicht
nicht einmal die beffere Hälfte“. Aber auch
innerhalb diefer notwendigen Befchränkung er-
fcheint die Ausftellung kaum geeignet, ein einiger-
maßen einheitliches und klares Bild von der
Kunft des Meifters zu vermitteln, der „durch eine
geraume Zeit einen richtunggebenden Einfluß
auf die gefamte öfterreichifche Kunft, nicht auf
die Malerei allein, ausgeübt hat“. Rahls hiftori—
fche Bedeutung liegt in erfter Linie auf dem
Gebiete der monumentalen Freskomalerei, die
naturgemäß nur im Gefüge der (meift Hanfen-
fchen) Architekturen, für die fie beftimmt war,
zur vollen Geltung gelangt. Kann man nun
auch die notwendigen Korrelate zu den aus-
geftellten Vorzeichnungen und den farblofen
oft von Schülerhand ausgeführten Kartons meift
leicht an Ort und Stelle auffuchen, fo bleibt
doch zu bedauern, daß diefe Kartons felbft,
die immerhin das großzügige Kompofitions-

talent des Meifters erkennen laffen, im Künftler-
haufe durch eine äußerft ungünftige Aufteilung
des beften Teiles ihrer dekorativen Wirkung
beraubt werden. Erfchien auf dem Gebiete der
monumentalen Wandmalerei der Verzicht auf
Farbigkeit unabweislich, hätte man um fo mehr
bei der Zufammenftellung der Tafelbilder be-
ftrebt fein müffen, den Koloriften Rahl, den
Revolutionär von einft, zur vollen Geltung zu
bringen. Allein die forglofe Willkür der Aus-
wahl, für die einzig der Grad der Erreichbarkeit
der einzelnen Werke richtunggebend gewefen
zu fein fcheint, vereitelte die Erreichung diefes
Zieles — wenn es überhaupt ernfthaft erftrebt
war. Sonft hätte man z. B. gewiß gerne auf
eine fo belanglofe Arbeit wie die fchon im Maß-
gabe geradezu unkünftlerifch wirkendeKopie nach
Veronefes „Raub der Europa“ verzichtet. Auch
die Auswahl der Porträts, deren zahlreiche, be-
fonders charakteriftifche fich freilich im Auslande
befinden, hätte eine ftrengere Sichtung erfordert.
Das Hauptgewicht der Ausftellung war dann auf
jene fo fpärlich vertretenen Ölfkizzen in der Art
des „Bacchusfeftes“ oder des „Oreftes“ zu legen:
in ihrer farbigen Wucht, die von ferne an
Delacroix denken, in ihrer Unmittelbarkeit, die
allen fonftigen Eklektizismus vergeffen läßt,
ftehen fie uns Heutigen wohl am nächften.
Sollten wirklich in der Kunft Rahls lebendige
Gegenwartswerte verborgen liegen, fo war diefe
trotz ihrer Syftemlofigkeit immerhin dankens-
werte „Zentenar - Gedächtnis - Ausftellung“ zu
ihrer Vermittlung wenig befähigt. Die „Rahlo-
manie“ wird kaum mehr jene ungeahnte Auf-
erftehung erleben, die heute feinem großen
Gegner Feuerbach allerwärts zuteil wird. Um
fo weniger ftehen die im Zeitalter eines Hodler
ins Leere verhallenden Anklagen des Kataloges
gegen die moderne Monumentalmalerei an ihrem
Platze.

Die Gedäditnisausftellung für Jofef Haßl-
wander (1812—1878), deffen Bilder fich kaum
durch irgendwelche individuelle künftlerifcheQua-
litäten von der Maffe der Altwiener Porträt- und
Genremalerei abheben, ja oft beträchtlich unter
dem von diefer durchfchnittlich erreichten Niveau
Zurückbleiben, ift wohl nur als ein fympathifcher
Akt der Pietät zu betrachten und nur als folcher
zu werten. Die zahllofen illuftrativen Vorlagen
für den Stahlftich, Hs. religiöfe Andachtsbildchen
und andere Gelegenheitsarbeiten find vollends be-
langlofe Dutzendware. Aus ihrer unüberfehbaren
Fülle find etwa einige Aquarelle in der Art der
(fich in Hogarthfchen Gedankengängen bewegen-
den) Folge „Du Weg des Leichtfinns“ auszu-
fcheiden, deren höherer Reiz dem vielleicht durch
Ältwiener Illuftratoren vom Schlage eines Zam-

939
 
Annotationen