Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

DOI issue:
4. Heft
DOI article:
Misch, Robert: Der Adelsmensch, [3]: Roman
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0066

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
5i

©er Adelsmensch.

Roman von Robert Misch.

[Fortsetzung.]--------- [Xachdruck verboten.]

jber meine Herren — keinen Streit! Nehmen Sie doch Rück- ja eigentlich nichts an . . . aber haben Sie die bewussten Aeusserungen

sichten auf die Damen, auf den Ruf des Kasinos! — Um wirklich gethan?"

was handelt es sich denn? AVer hat denn angefangen?" Die Sie nickte unbefangen.

„Getreuen" von Klützow schrieen wie ein Mann durcheinander. „Na aber! . . . Warum denn? Das ist doch sehr unvorsichtig in so

So viel man aus dem Lärm verstehen konnte, beschuldigten sie ein- einer kleinen Stadt."

stimmig den Fremdling, einen Streit proviziert, sich in Dinge gemischt „Es ist doch aber wahr!"

zu haben, die ihn nichts angingen. Rohdc entgegnete kein Wort; er Rhode lachte belustigt:

steckte mit ironischem Lächeln die Hände in die Hosentaschen. — Schliess- „Man kann doch nicht immer die Wahrheit sagen."

lieh kam auch noch der Bürgermeister als höchste Polizeibehörde ange- O ja — das muss man. Leider thun's die meisten Menschen nicht,

rannt. Er sprach begütigende Worte und ersuchte die Herren, sich vor- weil sie keinen Mut haben."

läufig zu trennen, ihre Privathandel aber später auszufechten. „Da haben Sie ja recht! Aber man muss nun einmal die Menschen

Dann schob der Bürgermeister Herrn Ritzerow nach der einen, Herr nehmen, wie sie sind. Man nennt dies auch: „weltklug" sein."

v. Miltitz den Doktor nach der anderen Seite. „Jawohl," entgegnete sie heftig, „so lautet das schöne Wort für Un-

Mit lächelndem Achselzucken und den Worten: „Stehe jederzeit zur Wahrhaftigkeit, für Philistcrci und Selbstsucht."

Verfügung", trat Rohde, ohne den Gegner noch eines weiteren Wortes „Mein Gott, ja! Aber so sind eben die meisten Menschen. Ich

oder Blickes zu würdigen, auf die beiden Damen zu, denen sich der glaube, Fräulein Meta, Sic stellen viel zu grosse Anforderungen an Ihre

Assessor beigesellte. Zeitgenossen."

Herr Ritzerow sträubte sich scheinbar noch ein Weilchen gegen den „Kann sein! In meinen Augen giebt es eben nur zwei Gattungen:

Bürgermeister und beklagte sich bitter über den fremden Gast, der einen die eigentlichen, die wahren Menschen, und solche, die zwar äusserlich

Streit vom Zaune gebrochen, liess sich dann aber doch sehr willig zur dieselbe Gestalt besitzen, sich aber bisher nur wenig über den Urzustand

Thürc hinauskomplimentieren. erhoben haben."

Auf die dringende Aufforderung der beiden Autoritäten, in den Ball- „Also der Durchschnitt," sagte Rohdc lächelnd. — „Und um zur

saal zurückzukehren, verliefen sich die Zuschauer allmählich. erstcren Klasse zu gehören, welche Eigenschaften muss man da besitzen?\

Solange noch ein fremdes Auge sie beobachten konnte, stand Meta „Goethe drückt's mit den Worten aus: Edel sei der Mensch, hilfreich

mit zusammengepressten Lippen ruhig da. Jetzt streckte sie Rohde beide und gut."

Hände entgegen: „Also . . . hm, hm . . . was Ibsen „Adelsmenschen" zu nennen pflegt."

„Ich danke Ihnen . . . oh, ich danke Ihnen und werde es nie vergessen, „O Sie verstehen mich . . . das wusste ich ja", rief Meta entzückt,

wie Sie sich meiner angenommen!" „Mein Gott," erwiderte Rohde verlegen, „wir haben ja schon öfters

Rohdc brach in ein verlegenes Lachen aus: über diese Dinge gesprochen. — Liegt Ihnen übrigens etwas daran zu

„Aber gnädiges Fräulein . . . Sie überschätzen das doch gewaltig. . . tanzen, Fräulein Meta, oder plaudern wir weiter?"

die Sache ist eigentlich mehr komisch als ernst." „Plaudern wir lieber!"

„Durchaus nicht! Sic haben wie ein Ritter ohne Furcht und Tadel „Also schön, dann setzen wir uns auch!"

gehandelt — und Sie werden sich meinetwegen schlagen müssen." Er nahm neben ihr Platz. Eine kleine Verlegenheitspause trat ein.

„Glaube nicht, dass es dazu kommt .... Der Herr sieht mir gar Der Doktor spielte unschlüssig mit seinem Chapeau claque. Er wusste

nicht darnach aus." nicht recht, wie er das Gespräch auf den Punkt lenken könne, zu dem

„Das sagen Sie nur zu meiner Beruhigung." er hinwollte. Und doch war die Gelegenheit jetzt ganz besonders günstig.

„Wahrhaftig — nein! — Sie würden sich also meinetwegen wirklich Aber noch einmal stiegen Bedenken in ihm auf. Vielleicht erwiederte

beunruhigen?" sie seine Neigung gar nicht. Einen Korb wollte er sich doch nicht gerne

Meta blickte ihn fest an, ohne zu antworten, aber auch ohne ihre holen.

Augen niederzuschlagen, diese klaren Schwärmer-Augen von der Farbe Ein Mann in seinen Jahren würde schliesslich auch darüber hin-

des lichten, sommerlichen Himmels. Gerade in diese „Himmelslichter" weg kommen, trotzdem er es bei diesem Gedanken wie einen Stich im

hatte sich Rohde, der nur die klugen, welterfahrenen Augen der Gross- Herzen empfand. Unglaublich, dass ihm dies passieren musstc. Er

Städterinnen kannte, zuerst „verschaut". Ein leiser, kaum merklicher hatte sich so gefeit dagegen gewähnt. Wenn er ans Heiraten gedacht,

Anhauch eines roten Schimmers flog dabei über ihre Züge. Der geringste ziemlich selten übrigens, hatte er sich die Sacht- immer ganz anders vor-

Stimmungswechscl verriet sich auf dieser durchsichtig leuchtenden Haut, gestellt. Etwa so, dass er kühl lächelnd die Vorzüge der verschiedenen,

wie sie sonst nur rothaarige Frauen besitzen. möglichen Kandidatinnen gegen einander abwägen und derjenigen den

„Würden Sic sich wirklich ein bischen um mich ängstigen?" fragte Vorzug geben würde, die am meisten zu ihm passte, was Neigungen und

Rohde dringender, sie gespannt anblickend. Charakter, Familie und Vermögen betraf.

„Ja — muss ich nicht? Sie meinen es so gut mit mir, Sic sind so Von alledem war hier nur Weniges unvollständig beieinander. Ihre

warm für mich eingetreten, dass ich Sic für meinen Freund halte. . ." Neigungen und Charaktere waren im Grunde doch recht verschieden.

Wieder streckte sie ihm die Hand entgegen, die er inbrünstig an die Auch eine Mitgift, die er zur Vergrösserung seiner Fabrik recht gut
Lippen zog. Dies Zeichen seiner Verehrung mochte wohl etwas zu gebrauchen könnte, war wohl kaum vorhanden, jedenfalls nur ganz un-
stürmisch ausgefallen sein, denn das junge Mädchen zuckte zusammen, bedeutend.

entzog sie ihm schnell und blickte scheu und bestürzt um sich, als sie Und dennoch, so klar er sich das auch alles machte, zog ihn sein

sich jetzt mit Rohdc allein sah. Herz zu diesem Mädchen, in dessen tiefen Schwärm er-Augen er sein

„Wo ist denn mein Bruder und —?" Glück zu finden hoffte.

„Der giesst die Bowle an, und Frau Hermine hat ihn begleitet. Na, Und nun wollte er endlich Gewissheit haben. Die Gesprächspause

Brautleute sind gerne mal ungestört allein. Gönnen wir ihnen das musste wohl etwas lang ausgefallen sein; denn plötzlich fragte ihn die

Vergnügen, und plaudern wir auch ein bischen! Vorhin haben wir junge Dame lächelnd.

ja nur wenige Worte wechseln können; dann nahm mich gleich Ihr „Woran denken Sie? Sie sehen mich so — eigentümlich an. Finden

Bruder in Beschlag. — Apropos, mein gnädiges Fräulein — es geht mich Sie es vielleicht unpassend oder merkwürdig, was ich da sage?"
 
Annotationen