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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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13. Heft
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Romberg, Amalie von: ''Lord Quex'' im Berliner Lessing-Theater
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Unsere Bilder, [11]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0328

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20Ö

„J^ord @uex" im berliner fecssing-fjl?eaf er.

[Nachdruck verboten.]

1 in nach mehreren Beziehungen bemerkenswertes Lustspiel in vier Auf- hält. Sie will die Beweise für die Unehrenhaftigkeit des Lord herbeischaffen,
Zügen von dem Engländer Arthur W. Pinero „Lord Quex" hat gegen- muss aber bei diesem intriguenhaften Beginnen das Gegentheil erkennen, nämlich,
wärtig in London einen ungewöhnlich grossen Erfolg; es wurde unter dass Lord Quex seine Braut ernstlich liebt,
stärkstem Andrang drüben an der Themse mehr denn 100 mal gegeben und erregt Unsere Abbildung stellt den packendsten Moment des dritten Aktes und damit

noch jetzt das Interesse englischer Theaterfreunde. Das Berliner Lessing-Theater den Höhepunkt des ganzen Dramas dar. Es ist Nacht, man befindet sich im
hatte den dankenswerten Versuch unternommen, das Drama den Deutschen vor- Schlosse der Lady Owbridge bei Richmond. Sophie Fullgarney zieht nach einer
zuführen. So wurde den Berlinern ein Vergleich ermöglicht: ihrer dramatischen stark bewegten Auseinandersetzung mit Lord Quex die Glocke, um die Be-
Produktion mit der der heutigen Eng- wohner des Schlosses herbeizurufen
länder. Gerade einem Lessing-
Theater steht dieses Beginnen am
besten zu Gesicht. Da es bekannt
genug ist, dass gerade Lessing die
wirksamste Anregung zu seinen refor-
matorischen Ideen aus englischen
Dramen schöpfte, die dann in ihrer
Weitergestaltung dieGrundlage unserer
heutigen bürgerlichen dramatischen
Litteratur wurde. Wer immer gegen
das Aufführen fremder Litteratur-
werke auf deutschen Bühnen eifert,
lässt ausser acht, dass gerade die
deutsche Litteratur in allen Jahr-
hunderten neue Anregungen und die
stärksten Beeinflussungen aus der
Litteratur fremder Völker gesogen
hat. Das Lessing-Theater hat also
mit der Aufführung des englischen
„Lord Quex" nicht nur seinem
Namen Ehre gemacht, sondern allen
Litteraturfreunden einen höchst inter-
essanten Abend bereitet. Dazu bot
das genannte Theater eine nach jeder
Richtung hin mustergiltige Aufführung;
dass an einem grossen Berliner
Theater erste Künstler ihrer Kunst
mit Meisterschaft dienen, ist nichts
sonderlich neues, wenn diese ersten
Künstler aber zu einem abgetönten
Ensemble zusammengeführt werden,
so dass eine harmonische dramatische
Kunstleistung entsteht, so verdient
dies besondere Hervorhebung.

Was ist das Eigenartige an dem
englischen Stücke? Es bringt zunächst
ein ganz neues Milieu auf die Scene.
Sophie Fullgarney ist eine englische
Manicuristin, die wir in ihrem Atelier,
bei ihrer Arbeit, im Kreise ihrer Ge-
hilfinnen und im Umgange mit ihren
vornehmen Kunden und Kundinnen
beobachten können. Ferner enthält es
im dritten Akt einige Scenen von höch-

und ihnen von den Manövern des
Lord zu erzählen — ohne Rücksicht
zu nehmen, dass sie sich selbst da-
durch in den stärksten Verdacht setzt.

Der Erfolg des Lustspiels wird
in erster Linie von der geschickten
Darstellung eben jener Sophie Full-
garney gewährleistet; sie kann nur
von einer Schauspielerin ersten Ranges
verkörpert werden, die allerdings dem
Lessing-Theater zur Verfügung steht
in Frl. Jenny Gross. Dass die
Künstlerin elegante Gestalten mit leicht-
lebiger, freier, wenn man will, lockerer
Lebensauffassung in höchster Voll-
endung darzustellen vermag, ist schon
längst nichts neues mehr. Frl. Jenny
Gross ist aber bei weitem vielseitiger
und verfügt über weit ernstere schau-
spielerische Gestaltungskraft, als ge-
meinhin angenommen wird. Wer sie
als Josepha Vogelhuberin im „Weissen
Rössl", als „Pamela" in Sardous gleich-
namigem Drama, als „Madame Sans-
Gene" und noch dazu als Geliebte
eines streikenden Arbeiters in Philipp
Langmanns Drama „Barthel Turaser"
gesehen hat, erst der kann die staunens-
werte Vielseitigkeit ihrer Künstler-
schaft ermessen. In „Lord Quex" ist
Frl. Gross genötigt, nicht nur eine
Seite ihres Talentes in Vollendung
zur Schau zu tragen, sondern die Rolle
verlangt eine ganz ungewöhnliche far-
benreiche Darstellungskraft. Höchste
Eleganz in Sprechweise, Bewegung
und Toilette, verführerische Liebens-
würdigkeit, vielsagende Doppelsinnig-
keit, warme herzliche Anteilnahme,
kurze ärgerliche Angebundenheit, fort-
reissende Leidenschaft — alles das
vermag Frl. Jenny Gross in höchster
Vollendung zu geben, ja nicht nur zu
geben — sie vermag es auch zu einer

ster dramatischer Gewalt, die ebenso • _ , . l, * , „ einheitlichen Gestalt zu vereinen, inner-

rrl. Jenny Gross als „Madame Sans-Gene .

gut Sardou geschrieben haben könnte. lieh zu verknüpfen, geschmackvoll

Lord Quex ist ein ältlicher Londoner Lebemann, der sich mit der jungen, abzutönen, und vergisst doch nicht, an geeigneter Stelle eminent sicher wirkende,
blühenden Daisy Eden verlobt hat. Sophie Fullgarney, die Milchschwester der echt dramatische Lichter aufzusetzen. — Aus diesen Gründen verdiente diese
jungen Braut, möchte die Heirat gern hintertreiben, da sie den Lord für. ehrlos Aufführung eine besondere Hervorhebung. A. v. K.

Jak Müller-Münster: Der verunglückte Toast! „Meine Herren! Sie Sprechens: ein geliebtes Weib, Vermögen und Carriere! Denn er fühlte, dass

sind meinen Worten freundlichst gefolgt. Aus Ihren Mienen, Ihrem ermunternden er ihr imponiert hatte! Nachher------wenn die Andern tanzten, wollte

Zulächeln entnehme ich, dass Sie mir beistimmen! Ich bitte Sie also, gleich er sie------In begreiflicher Erregung hatte der unglückliche Assessor

mir das Glas zu erheben zu dem feurigen Rufe: Die Blüten des Daseins — die dabei unwillkürlich seinen Stuhl immer weiter und weiter geschoben. Als er

Sterne am Erdenhimmel — die Damen--— — sie leben hoch----hoch sich nun mit tiefem Atemzuge niederliess ~--O Tücke! Da glitt der

---hoch!" Die Jubelrufe waren verklungen. Man hatte sich bereits wieder leichte Stuhl auf dem glatten Parkett fort---Und er setzte sich auf den

niedergelassen. Nur der Herr Assessor von Harris, dem der Geheimrat die Boden, während sich der Wein über sein schönes Chemisett ergoss. — Lächer-
Ansprache an die Damen übertragen, stand noch aufrecht da, das Weinglas in lichkeit vernichtet! Harris stöhnte, als die übrigen Gäste lachten. Hoffentlich
der Hand. Kurz vor Beginn des Soupers war ihm der ehrenvolle Auftrag ist wenigstens Schön-Erna vernünftig und lässt ihn den unfreiwilligen Fall nicht
geworden. Begeistert hatte er ihn ausgeführt. Galt es doch, sich mit dieser durch ein herbes „Nein" entgelten!
Rede in das Herz seiner reizenden Tischnachbarin, des klugen Geheimrats- * * *

töchterlein, noch mehr einzuschmeicheln. Verheissungsvoll hatte Erna zu ihm Äas der Karneval für ein Gesicht machte zur Zeit „als der Grossvater

emporgeschaut. Und goldene Zukunftsträume umgaukelten ihn während des die Grossmutter nahm" veranschaulichen unsere beiden Bilder: „Fasching
 
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