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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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23. Heft
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Vollmar, H.: Hubert von Herkomer: wie er denkt und schafft
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0540

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MODERNE KUNST.

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Vergangenheit. Die Zeit für dergleichen ist für mich vorüber." AVer aber stets befleissigt, scheint in etwas das Temperament des Künstlers zu
Herkomers Elasticität kennt, der weiss, dass er auch nach dieser Richtung hemmen. Das Männerporträt hingegen legt ihm keinerlei Fesseln an,
hin noch lange nicht das letzte Wort gesprochen hat, seine alte Leidenschaft hier ist jedes einzelne eine Schöpfung, die gesunden Realismus atmet
für Musik, welche er jetzt nur auf das Spiel der geliebten Zither beschränkt, und dabei den Kern der Persönlichkeit, ihre geistige Bedeutung mit
die ihn auch während der letzten Arbeitszeit nach Berlin begleitete und gar fesselnder Schärfe und Klarheit zum Ausdruck bringt. Wer Herkomers
oft im Heim des bayrischen Freundes, welches ihm in Wahrheit ein Zuhause Lebenswerk nur einigermaassen kennt, weiss, welch eine Welt von
war, in eigenen Kompositionen ertönte, kann über Nacht wieder erwachen Gestalten er ins Leben gerufen hat, eine Galerie von zeitgenössischen
und ihn zu neuen Singspielen und „Feen-Symphonien" anregen, welche Porträts wurde durch ihn geschaffen, die nach Hunderten zählt. Alle
dann seine kongeniale Gattin in: Verein mit den Schülern und Schülerinnen Typen sind in ihr vertreten: Gelehrte, Kaufleute, Generäle, Fürsten,
im Haustheater des Schlosses Lululand zu glänzender Ausführung bringen,. Geistliche, Künstler — für alle fand dieser Maler kraft seiner Genialität,
Mit welch feinem Vertiefen in die Eigenart Anderer er den Studiengang die rechte Lebensformel. AVer diese drei alten Herkomers gesehen hat,
und das AVerden seiner Schüler fördert, davon wissen Hunderte, die in „die Erbauer meines Hauses", wie der Künstler seinen Vater an der
Bushey unter ihm arbeiten durften und noch arbeiten, dankbar zu berichten. Schnitzbank und dessen Brüder, den Weber und den Metallarbeiter
Hubert von Herkomers Werdegang hat es klar bewiesen, dass er, dankbar nennt, der vergisst sie sein Lebtag nicht, so tief prägt sich die
der Altbayer, eine Zähigkeit des Beharrens und eine nie

ermattende Energie welche sich sehr selten neben I "~r-~~~"~~~^lS^BtKt^^^^^i^^BSBtKIKK^^BKBKKKKt^^^^^ä^^^

einer so äusserst fein organisierten nervösen Künstlernatur
findet, wie er sie sein eigen nennt. AVenn Herkomer jetzt auf
der Höhe seines Ruhms, von den Kümmernissen und dem
Darben seiner Jugendjahre spricht, wenn er dann dabei der
geliebten Mutter gedenkt und wiederholt, dass sie ihn oft
gemahnt „Gieb Musikstunden, nimm den kleinen sicheren Ver-
dienst, lass das Zeichnen und Malen!" leidet noch jetzt der
Hörer mit ihm in der Erinnerung an jene schwere Zeit. Dann
aber folgt unmittelbar darauf ein Aufleuchten der dunklen
Augen, und der starkgeistige, nicht gerade sentimentale Mann
spricht mit innerer Erregung von dem Retter und Tröster in
seiner Not. „Aber mein Vater hielt immer fest daran, ich
solle und müsse Maler werden, er ermutigte mich, er stärkte
mich, er half mir in allem und jedem — er allein hat mich
zu dem gemacht was ich bin. Ihm danke ich alles, was ich
bin." Und dass seine Eltern, und besonders sein Vater, noch
mit erleben durften, wie des Sohnes sclbstgestcuertcs Glücks-
schiff sieghaften Kurs nahm, das erfüllt noch heute des
berühmten Sohnes Herz mit warmen Dankesgefühlen.

Unsere Illustrationen geben einen interessanten Einblick
in die Vielseitigkeit seiner Begabung; die Bilder aus dem
englischen und bayrischen Volksleben sind der Wirklichkeit
abgelauscht, seine Landschaften mit der Staffage ideal und real
aufgefasster Frauengestalten atmen Luft und Sonne, seine
Illustrationen zu Tennysons „Maikönigin" bedeutet feinfühliges
Versenken in den Geist der Dichtung, sein alter „Druiden-
priester" und dessen symbolisches „Schwert" hat die heiligen ; Ä Xvl
Ceremonien des Bergvolkes in Wallis zu neuem Leben erweckt,
seine Serpentintänzerin Miss Lind spiegelt aufs treueste die
malerischen Schwingungen des modernen Lichttanzes wieder
und last not least verkörpern seine ernsten Frauenköpfe in
der denkbar poetischsten AArcisc Epheu, Daphne und andere
Pflanzengebilde.

Herkomers Grösse auf dem Gebiete der Bildnismalerei
recht zu schildern, ist eine schwierige Aufgabe, denn jahr-
zehntelang hat er sich in dem nach dieser Richtung hin besonders
anspruchsvollen England als Meister behauptet. Ohne dass
Herkomer jemals Vasallentreue für berühmte Vorbilder wie
Reynolds und Gainsborough zeigte, ist infolge seiner Gestaltungs-
kraft das Herkomer-Porträt und dessen Leben atmende Objek-
tivität ein Faktor im englischen Kunstlebcn geworden. Bei
aller Anerkennung für die Meisterschaft, welche er in einzelnen
seiner Frauenbildnissc entfaltete — „die Dame in Weiss" und
„die Dame in Schwarz", welche ihren Siegeszug' noch nicht
beendet haben, sind Beweis dafür, haben sie doch überhaupt
erst den Namen Herkomer weiten Schichten bekannt gemacht,
und auch unsere beiden Damenbildnisse sind treffliche Proben
seines Talentes — ist das Männerporträt dennoch das eigent-
liche Gebiet, welches der Künstler souverän beherrscht.
Die liebenswürdige Feinheit des Ausdrucks, die gemässigte
Klangfarbe des Kolorits, welcher er sieb bei Damenporträts

Hubert von Herkomer: Der Grossvater mit seinen Enkeln. Aquarell 187 7.

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