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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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8. Heft
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Biermann, Georg: Die Ausstellung der Berliner Sezession 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0336

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DIE AUSSTELLUNG DER BERLINER SEZESSION 1912

Parifer d’Espagnat i[t nach den hier gezeigten Proben kaum mehr als ein alltäg-
liches Talent und von den beiden vlämifch-niederländifchen Meiftern Toorop und van
Ryffelberghe gehen nachhaltige Eindrücke heute kaum noch aus. Die einzige Aus-
nahme in diefem Kreis der Fremden ift Julius Pascin, der gebürtige Türke, der [einer
Nationalität nach Ungar, feinem Temperament nach aber ganz Parifer ift. Von ihm
gibt es einen in wundervoll weichen Farbenklängen eingebetteten Mädchenakt, der
ohne Greco kaum zu denken wäre. Pascin, der Kulturmetaphyfiker der Zeichnung,
erweift [ich auf diefem Bilde als ein fenfitiver Tonmaler von mufikalifchem Gefühl.

Will man nunmehr dem Schaffen der deutfehen Meifter gerecht werden, fo ift es
billig, mit dem ftärkften Eindruck zu beginnen, der von einem Vertreter der älteren
Sezeffionsgemeinde ausgeht. Den offenbart diesmal Lovis Corinth, deffen fprudelnde
lebenbejahende Farbenfreude mit jedem neuen Werke zu gefchloffener Vertiefung ge-
langt. Sein großes Blumenftilleben unter dem etwas gefuchten Titel „Hymnus auf
Michelangelo“ ift wie ein Feuerwerk, das aus der Seele eines Giganten auf die Lein-
wand drängte. Üppigkeit der Malerei in höchfter Potenz. Daneben der köftliche, nur
skizzenhaft umriffene Kuhhirt aus Mecklenburg, Naturburfche wie der Meifter felbft,
knapp umfehrieben, aber von eindringlichster Primitivität der Empfindung. — Unter den
Bildern von Liebermann ift der „Korfo auf dem Pincio“ das zugleich malerifch
wuchtigfte und artiftifch wertvollfte. Hier reichen fich Könnerfchaft und Kultur der
Perfönlichkeit die Hand. Trübner dagegen enttäufcht ein wenig und wird für mein
Empfinden fehr zum Nachteil der Qualität in der Mache immer lockerer. Die Leichtig-
keit der Pinfelführung und eine faft fabrikmäßig betriebene Produktion entgehen auf
die Dauer kaum der Gefahr der Verflachung. Slevogt fehlt diesmal feltfamerweife
überhaupt. Gewiffermaßen als Erfafj könnte man den Dresdner Robert Sterl be-
grüßen. Der hat als Maler ganz die Kraft der von ihm geftalteten Arbeiter. Er ift
wuchtig und doch temperiert, eine der ftärkften Perfönlichkeiten in der Malergeneration
des gegenwärtigen Deutfchland.

Unter den jüngeren Berlinern find Rösler und Brockhufen diejenigen, die das
Erbe eines van Gogh am konfequenteften fortentwickelt haben. Beide Sucher des
Lichtes; der eine mehr auf die zeichnerifche Linie bedacht, der andere weicher und
zerfließender im Tone, dem dekorativ-flächigen Effekt zugeneigt. Aber die Vehemenz
des Geftaltens kommt hier wie dort auf ihre Koften. Ihnen fteht ein Meifter wie
Hettner innerlich nahe, der in die Farbengluten des füdlichen Himmels ein ftarkes
Formempfinden mifcht, während Konrad v. Kardorff und Robert Breyer (auch
Frit$ Rhein nicht zu vergeffen!) in nachdenklicheren Bahnen ihren künftlerifchen Weg
fürbaß ziehen. Reife und Qualität ift ihren Schöpfungen überall eigen, nur Entwick-
lungsmöglichkeiten erfcheinen für den Moment ausgefchloffen. Das Gegenteil weift
Max Beckmanns Kunft, auf die immer wieder mit befonderem Nachdruck hingewiesen
werden muß. Der Künftler ift mir nie fo reif erfchienen wie diesmal. Zeigt das
männliche Bildnis die ftärkfte Probe für das Talent des Porträtiften im Sinne einer
charakterftarken Interpretation der Perfönlichkeit, fo ift die „ Amazonenfchlacht“ von
unerhört großartigen kompofitionellen Gedanken getragen. Wie hier die Gefte des
Kampfes, die Gruppenbehandlung ins Michelangeleske emporftrebt, das ift von mäch-
tiger Eindringlichkeit. — Auch E. R. Weiß fucht — wie es fcheint, neue Wege, an
deren Ausgangspunkt unverkennbar Hodler fteht, wenn der eine männliche Akt „Adam“
einen Schluß geftattet, während Maler wie der Neoimpreffionift C. Herrmann, George
Moffon, Pottner und felbft Dora Hit}, die vergeblich männliche Kraft imitiert (was

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