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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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9. Heft
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Gottschewski, Adolf: Die ältesten deutschen Fayence
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0367

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DIE ÄLTESTEN DEUTSCHEN FÄYENCEN

Mit 4 Abbildungen Von ADOLF GOTTSCHEWSKI

Die Frage, wo in Deutfchland zuerft in großem Maßftabe für einen breiten Gebrauch
Fayencen fabriziert worden find, ift für die Gefcbichte der Keramik von fo großer
Bedeutung, daß man meinen füllte, es wäre das gefamte Material zu ihrer Beant-
wortung dem Beftande der grundlegenden Vorsehungen im Wiffen der Spezialforfcher
einverleibt. Dem ift aber wie es fcheint nicht fo. Denn wenn ein fo ausgezeichneter
Kenner wie Äuguft Stoehr davon fpricht, daß Frankfurt a. M. es im Jahre 1661 ver-
fcherzt hatte, die erfte Fayencefabrik Deutfchlands zu erhalten (vgl. Cicerone, 1912,
Heft 2), fo zeugt das dafür, daß die Veröffentlichungen Brinckmanns ü0er den reichen
Befitj des Hamburgifchen Mufeums für Kunft und Gewerbe an Fayencen hamburgifcher
Entftehurjg, die mit Jahreszahlen vor 1661 datiert find, nicht genügend beachtet worden
find, troßdem fie an Stellen fich befinden, die dem Fayenceforfcher die gewohnteften
Quellen der Belehrung geworden find, im „Führer“ und in den „Jahresberichten“ des
Mufeums.

Die Gruppe von Gefäßen, um die es fich hier handelt, ift durch Gleichartigkeit
der Maffe, der Formen, der Glafur und der Dekoration ohne weiteres als zufammen-
gehörig zu erkennen. Henkelkrüge von eigentümlicher, fonft nicht vorkommender Form
wiegen vor; fie zeigen die umgekehrte Birnenform des Bauches, einen kräftigen breiten
Fußrand und einen kurzen Hals, der teils eckig vom Bauche abgefetjt, teils in ge-
fchweiftem Übergang aus der Wandung aufgedreht ift. Ändere Gefäße find feiten;
das Mufeum befißt an folchen nur zwei Schüffeln und einen Würzbiernapf. Der
Scherben ift bei allen Stücken von der gleichen Befchaffenheit, hellgelb und weich,
von ziemlich grobem Korn und fchwachem Brande. Die Zinnglafur ift rein weiß;
bei manchen Stücken wirkt infolge dünnen Auftrags der Scherben auf ihren Farb-
ton ein. In diefen Fällen ift meift eine gleichartige großfeldrige Krakung zu kon-
ftatieren, während die dicker glafierten Stücke fich die ungefprungene Glafurhaut be-
wahrt haben. Für den Dekor ift fo gut wie ausfchließlich ein kräftiges Unterglafurblau
zur Anwendung gekommen; nur bei wenigen Stücken tritt für geringe Einzelheiten
ein Gelb und bei einem einzigen ein Braunrot und ein Grün, aus Gelb und Blau ge-
macht, hinzu. Der Formeninhalt der Dekoration foll unten behandelt werden.

Der hamburgifche Urfprung diefer Fayencen kann nicht auf Grund dokumentarifcher
Belege bekräftigt werden, wohl aber kann dafür ein zulänglicher Indizienbeweis ge-
führt werden, der fich darauf ftüljt, daß Hamburg der Mittelpunkt ihrer Verbreitung
ift, daß das Wappen Hamburgs fowohl im gemalten Dekor wie als Zinnftempel mehr-
fach vorkommt, daß zweimal die Wappen hamburgifcher Familien (Ämfinck und Brockes;
die letztere Beftimmung ift nicht zweifellos; daß es fich aber um eine hamburgifche
Familie handelt, wird fich erg e ft eilt durch das Vorkommen desfelben Wappens auf einem
im Befiß des Mufeums befindlichen hamburgifchen Hausportal von 1642) die Vorder-
feite zieren, daß bei zwei Stücken auf eine Jahrhunderte lange Aufbewahrung in ham-
burgifchem Befiße zurückgeblickt werden kann, und daß ferner die fpätere hochentwickelte
Blaumalerei der hamburgifchen Ofentöpfer eine technifche Tradition, wie fie in den
Krügen zum Ausdruck kommt, vorausfeßt. Auf ein weiteres Argument wird bei der
Einzelbehandlung der älteften Kanne noch zurückzukommen fein.

Da es fich hier vor allem um den Nachweis handelt, daß die hamburgifche Fayence-
induftrie fchon lange vor 1661 zu einer guten Entwicklung gelangt war, fo foll die
Betrachtung auf diejenigen Stücke befchränkt werden, die vor 1661 entftanden find.

Der Cicerone, IV. Jahrg., 9. Heft 25

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