Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0405
DOI Heft:
10. Heft
DOI Artikel:Karlinger, Hans: Die Neuerwerbungen des bayerischen National-Museums im Jahre 1911
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0405
NEUERWERBUNGEN DES BAYERISCHEN NATIONAL-MUSEUMS IM JAHRE 1911
ift durch zwei Stücke ergänzt worden.
Recht bezeichnend für den Stil des füd-
lichen Niederbayern ift die Gruppe des
hl. Martinus aus Freifing, mehrfach als
Rotthaler angefprochen (Abb. 4). Neben
der malerifchen Umrißgeftaltung wirkt be-
fonders die Ausdrucksfähigkeit des Kopfes
bei der Figur. Für die ganz dekorative
Stilrichtung der Landshuter Plaftik um
1520 ift ein Hochrelief, darftellend Gott-
vater mit dem Kruzifixus, ein fog. Gna-
denftuhl, außerordentlich charakteriftifch.
Das Stück zeigt die erften Konfequenzen
der Gefchmacksbildung, die in Nieder-
bayern im Verlauf des 16. Jahrhunderts
auf zahlreichen Epitaphien wiederkehrt
und der niederbayrifchen Renaiffance ihr
fpezififches Gepräge gibt.
Ein fehr wertvolles Stück der Renaif-
fancefteinplaftik verdankt die Sammlung
dem regierenden Fürften Johann zu Lich-
tenftein. Es ift das Grabfteinmodell eines
Auer von Winkel von 1562, in Kelheimer
Stein gefchnitten; aus der ehemaligen
Sammlung Schwarz. Abgefehen von der
eminent feinen Ausarbeitung der Details
kommt der Arbeit als Seltenheit — es
find bis jetjt in Bayern nur drei derartige
Modelle bekannt, von denen das ältefte,
das des Herzog Ludwig des Gebarteten,
fich im Befits des Nationalmufeums be-
findet — befondere Bedeutung zu. Ein
kleines Epitaph in Flachafsung auf Sein- flbb 3 Madonna. Holz. Paffau. Vor 1500
hofer Stein mit Darftellung der Auf-
erftehung gehört in die Spätzeit der Renaiffance. Wichtig ift die Arbeit als Repräfentant
der in der Renaiffance fo beliebten, aber erft neuerdings mehr beachteten Steinä^ung,
von der in Bayern fich noch manches gute Stück findet. Das befprochene ftammt von
Herrn Kommerzienrat Steinharter. Ein eigenartiges Fragment von der Innendekoration
eines Renaiffancefaales ftellt das, Terrakotta-Relief aus Schloß Neuburg am Inn mit
feinem Puttenreigen dar.
Von Peter Flötner, von dem das Mufeum bereits ein Originalmodell befitjt, ftammen
zwei Modelle in Speckftein aus der Plakettenferie der Mufen — Kalliope und Euterpe —;
von dem Augsburger Hans Schwarz ift ein Medaillon in Nußbaumholz, darauf Judith
und ihre Magd mit dem Haupt des Holofernes und ein Dambrettftein mit der Lukrezia,
aus Birnbaumholz gefchnitjt, zu fehen. Ein Relief auf Kokusnuß mit einer Darftellung
aus der Gefchichte des verlorenen Sohnes nach einem Blatt H. S. Behams zeigt die im
16. Jahrhundert fo beliebte Verwendung von Kupferftichen für Goldfchmiedearbeit.
379
ift durch zwei Stücke ergänzt worden.
Recht bezeichnend für den Stil des füd-
lichen Niederbayern ift die Gruppe des
hl. Martinus aus Freifing, mehrfach als
Rotthaler angefprochen (Abb. 4). Neben
der malerifchen Umrißgeftaltung wirkt be-
fonders die Ausdrucksfähigkeit des Kopfes
bei der Figur. Für die ganz dekorative
Stilrichtung der Landshuter Plaftik um
1520 ift ein Hochrelief, darftellend Gott-
vater mit dem Kruzifixus, ein fog. Gna-
denftuhl, außerordentlich charakteriftifch.
Das Stück zeigt die erften Konfequenzen
der Gefchmacksbildung, die in Nieder-
bayern im Verlauf des 16. Jahrhunderts
auf zahlreichen Epitaphien wiederkehrt
und der niederbayrifchen Renaiffance ihr
fpezififches Gepräge gibt.
Ein fehr wertvolles Stück der Renaif-
fancefteinplaftik verdankt die Sammlung
dem regierenden Fürften Johann zu Lich-
tenftein. Es ift das Grabfteinmodell eines
Auer von Winkel von 1562, in Kelheimer
Stein gefchnitten; aus der ehemaligen
Sammlung Schwarz. Abgefehen von der
eminent feinen Ausarbeitung der Details
kommt der Arbeit als Seltenheit — es
find bis jetjt in Bayern nur drei derartige
Modelle bekannt, von denen das ältefte,
das des Herzog Ludwig des Gebarteten,
fich im Befits des Nationalmufeums be-
findet — befondere Bedeutung zu. Ein
kleines Epitaph in Flachafsung auf Sein- flbb 3 Madonna. Holz. Paffau. Vor 1500
hofer Stein mit Darftellung der Auf-
erftehung gehört in die Spätzeit der Renaiffance. Wichtig ift die Arbeit als Repräfentant
der in der Renaiffance fo beliebten, aber erft neuerdings mehr beachteten Steinä^ung,
von der in Bayern fich noch manches gute Stück findet. Das befprochene ftammt von
Herrn Kommerzienrat Steinharter. Ein eigenartiges Fragment von der Innendekoration
eines Renaiffancefaales ftellt das, Terrakotta-Relief aus Schloß Neuburg am Inn mit
feinem Puttenreigen dar.
Von Peter Flötner, von dem das Mufeum bereits ein Originalmodell befitjt, ftammen
zwei Modelle in Speckftein aus der Plakettenferie der Mufen — Kalliope und Euterpe —;
von dem Augsburger Hans Schwarz ift ein Medaillon in Nußbaumholz, darauf Judith
und ihre Magd mit dem Haupt des Holofernes und ein Dambrettftein mit der Lukrezia,
aus Birnbaumholz gefchnitjt, zu fehen. Ein Relief auf Kokusnuß mit einer Darftellung
aus der Gefchichte des verlorenen Sohnes nach einem Blatt H. S. Behams zeigt die im
16. Jahrhundert fo beliebte Verwendung von Kupferftichen für Goldfchmiedearbeit.
379