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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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12. Heft
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Lesenberg, Wilhelm: Joseph M. Olbrich: zur Ausstellung seines Nachlasses im Königl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0504

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JOSEPH M. OLBRICH — zur Ausstellung

SEINES NACHLASSES IM KÖNIGL. KUNSTGEWERBE-
MUSEUM ZU BERLIN Von WILHELM LESENBERG

Von dem Namen Olbrich geht ein eigenes Leuchten aus. Ein Meteor — man [teht
geblendet und beraufcht. Und fchon verfchlingt ihn die Nacht. Doch [eine Spuren
bleiben. Sein Name ift zu eng mit der Neugeburt einer in vielem ganz jungen künft-
lerifchen Änfchauung verknüpft. Die volle Bedeutung wird [ich erft dem weiteren
Zeitabftand erfchließen. Gewiß, auf das Jahrhundert hiftorifch nachfchaffender Kunft,
die [ich allgemach müde und matt gelaufen hatte, mußte der Rückfchlag erfolgen. Er
gefchah auf allen Gebieten und an den verfchiedenften Orten. Das Fanal in deutfchen
Landen war aber eben doch das Wiener Sezeffionshaus Olbrichs, und ein klares Bild
des neuen Strebens ergab [ich erft in Darmftadt durch Zufammenfaffen der ver-
fchiedenen Kräfte — eben unter Olbrichs Führung.

Er war der geborene Herrfcher und Organifator. Einer der ganz [eltenen Naturen,
die neben einem Schaß fprühendfter Phantafie das klare, berechnende Äuge des Feld-
herrn haben. Einer der beftimmt war, mehr wie ein guter Künftler zu [ein. Der
junge Ideen in [ich reifen ließ, [ie dann aber nicht refigniert in den Händen des Schick-
[als zerrieben und verworfen [ehen wollte. Nicht aus der Hand gab er [ie — alles
beifeite gefchoben, niedergetreten, hinein in die Brefche .... als Sieger [tand er bald
auf gewonnenem Poften. Ein Revolutionär, rückfichtslos, brutal. Viele haben drum
geklagt, mancher ift ihm gram geworden. Doch er mußte [ich durchfeßen und in [ich
das Starke, Zukunftfichere. Dem allein hält das Leben Kronen bereit.

Er war nicht beftimmt Mitläufer zu [ein. Dazu war er zu reich. Eine ganz un-
geheure Arbeitskraft ließ ihn diefe Schäße unermüdlich heben und in Werte umfeßen.
Mühelos, wie in leichtem Raufch entftanden [eine Schöpfungen. Jede [einer Zeich-
nungen ift ein wundervoll graziles Kunftwerk. Was hier in feinfter Linienführung, bis
ins Leßte durcharbeitet, [ich in die Fläche legt, [tand ausgeführt auf fefteften Füßen.
Es wuchs! Das ift der richtige Ausdruck.

Das ganze Neue Olbrichfcher Kunft liegt darin gefaßt. Niemand war [o eng mit
der Natur, dem Leben der Pflanze innerlich, feelifch verwachfen wie er. Das Bau-
gebilde der hiftorifchen Stile war im 19. Jahrhundert erftarrt zu Formeln. Aus diefem
Schema der Hafenauer-Schule in Wien riß [ich Olbrich heraus. Er wandte [ich be-
wußt von diefem Komponieren mit gegebenen, feften Elementen ab. Ein Neuanfangen,
ein Appell an das ewig jung [prudelnde Leben, eine Tat der felbftßchern Jugend. Das
konnte nur ein Menfch wagen, der [ich bewußt war, wieder Reichtümer austeilen zu
können, der alten, müden Welt zum Gefchenk. Das war das Hinreißende diefes
Mannes. Und er täufchte [ich nicht in [ich felbft.

Die alten Syfteme, die von Vorfahren in Stein hingeftellt waren, fchienen ihm nicht
fähig das auszudrücken, was [eine feinen Sinne empfanden. Aufs engfte verwachfen
mit der Natur, [og er ihre Kräfte in [ich ein. Sie gaben ihm, was er erfehnte. Das
Empor des Baumftammes, das Breiten der Blätterkrone, die zarte Linie des Blütenftils,
das duftige Schmiegen der Kelchblätter, der Änfaß des Blattes am Stamm, das Gerank
der Schlingpflanze, das tierifche Leben des Meergewächfes, die Kurve der Welle und
des Schwanenhalfes — alles, was erkennbares Leben, Sichdehnen, Tragen, Sichanlehnen
verkörpert, ging in [eine Formen- und Schmuckwelt über.

Das war im Jahre 1898, als er das Haus der Wiener Sezeffion, die Villa Fried-
mann, Haus Bahr, die Räume Berl und Spißer und das Wiener Interieur für die Welt-

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