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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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17. Heft
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Gesellschaften und Vereine
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PERSONALIEN

Wallot im Jahre 1869 in Frankfurt a. M. als
Privatarchitekt niederließ, war er fchon ein ge-
fchickter Baumeifter. Er liebte es damals, feine
Faffaden aus den Konftruktionselementen des
romanifchen und gotifchen Stils herauszuge-
ftalten, fie aber mit Ornamentenfchmuck im
Sinne der deutfchen Renaiffance zu verfehen.
Seinen erften baukünftlerifchen Erfolg hatte
Wallot als Fünfunddreißigjähriger, als er im
Jahre 1876 in einem Wettbewerb um die Zentral-
friedhofsanlage in Dresden für feinen Entwurf
den erften Preis zugefprochen erhielt. Zum
zweiten Male wurde die baukünftlerifcbe Welt
auf den Frankfurter Architekten aufmerkfam,
als er fich fünf Jahre fpäter (1881) erfolgreich
(er erhielt den dritten Preis) um ein Projekt für
die Wiener Stephanienbrücke bewarb; feinen
eigentlichen Ruf als Architekt aber begründete
er doch erft durch feine Wettbewerbsarbeit für
das deutfche Reichstagshaus, die ihm (durch
Spruch vom 24. Juni 1882) den erften Preis ein-
trug. Einhundertneunundachtzig andere deutfche
Künftler hatten mit ihm um die Palme des Sieges
geftritten. Freilich war’s kein mühelofer Sieg,
den er gewonnen hatte; Kämpfer um die Arbeit,
die ihm den erften Preis und zugleich die Aus-
führung feiner Schöpfung eintrug, wurde er
eigentlich erft, als er fchon Sieger war. Nicht
weniger als dreimal mußte er feine Planung im
Grundriß völlig neu geftalten. Daß der erfte, der
eigentlich preisgekrönte Entwurf, durchgreifende
Veränderungen erfordern würde, das wußte ge-
wiß niemand beffer als Wallot felbft, denn die
im Laufe weniger Wochen entftandene Arbeit
war bei aller genialifchen Art, die fie im Grund-
riß wie im Aufriß zeigte, doch nur eine Skizze,
die, am Maßftabe der für die Ausführung not-
wendigen Anfprüche gemeffen, noch der pe-
nibelften Durcharbeitung bedurfte. Aber auch
die zweite Bearbeitung, die diefen Anfprüchen
nunmehr gerecht zu werden verfuchte, fand noch
nicht die Zuftimmung der Reichstagsbaukom-
miffion, und fo mußte Wallot zu einer dritten
Bearbeitung feiner Pläne fchreiten, die dann
nach einer nochmaligen Überarbeitung die Ge-
nehmigung der Reichstagsbaukommiffion und
fpäter des Kaifers erlangte. Das gewaltige, in
edelfter italienifcher Flocbrenaiffance ausgeführte
Werk hat die Kräfte feines Erfchaffers mehr
als 12 Jahre lang in Änfpruch genommen; 1882
begonnen, wurde es 1894 vollendet. Von diefer
Zeit an gehörte Wallots Wirken Dresden. Er
war als Lehrer für Architektur an die hiefige
Technifche Hochfchule und an die Akademie der
bildenden Künfte berufen worden, zwei Ämter,
denen er fich mit all der feuergeiftigen Kraft,
die der Grundzug feines Wefens war, über einen

Zeitraum von mehr als anderthalb Jahrzehnten
widmete. Aber in dem Meifteratelier Wallots
auf der Brühlfchen Terraffe wurde nicht nur die
Entwicklung der jungen Architektengeneration
— Wilhelm Kreis, der geniale Düffeldorfer
Architekt, Max Hans Kühne, Oswin Hempel und
Alexander Höhrath in Dresden, Heinrich Strau-
ner in Berlin, um nur ein paar hervorragende
jüngere Architekten zu nennen, waren feine
Schüler — überwacht und gefördert, fondern
auch mit raftlofem Eifer an eigener künftlerifcher
Tätigkeit weitergearbeitet. Hier entftand die
zweite große Arbeit des Meifters — das fächfi-
fche Ständehaus. Wiederum ein Werk, das,
wie feinerzeit das Reichstagshaus, voll faft un-
überwindlicher Schwierigkeiten war, weil wieder-
um fich die Grundrißanlage den ungünftigften
Plaßverhältniffen anbequemen mußte. Wenn einer
der fachmännifchen Beurteiler des Reichstags-
haufes von deffen Grundriß gefagt hat, daß er „an
Zweckmäßigkeit wie an Großartigkeit alles weit
überragte, was bis dahin von ihm (Wallot) felbft
wie von anderen Architekten für die gleiche Auf-
gabe und die gleiche Bauftelle entworfen worden
war,“ fo könnte dasfelbe Urteil auch für die
Grundrißanlage des neuen fächfifchenParlaments-
gebäudes abgegeben worden fein. Ein genialer
Entwurf war auch diefe Arbeit, erfchaffen mit
ebenfo großem künftlerifchen Enthufiasmus wie
mit dem vollen Verantwortlichkeitsgefühl für die
Bedeutung der Aufgabe. Es hat auch diefem
Monumentalwerk Wallots, gleichwie feiner Ber-
liner Schöpfung, nicht an Widerfachern gefehlt;
aber wer nach Vollendung des Gebäudes deffen
Räume durchwanderte, der wurde vom Gegner
der Grundrißanlage und Aufrißgeftaltung zum
Bewunderer beider, denn er erkannte, daß nicht
architektonifche Eigenwilligkeit, fondern wohl-
erwogene künftlerifche Abficht und Notwendig-
keit den Baumeifter in der Geftaltung feiner
Pläne geleitet hatten. Unter reichen Ehrungen
konnte der nun Heimgegangene im vorigen
Jahre feinen fiebzigften Geburtstag begehen und
damit den Rücktritt von feinem Lehramte. Wallot
war Königl. Sächfifcher Geheimer Hofrat und
außerdem außerordentliches Mitglied der Ber-
liner Akademie desBauwefens und Ehrendoktor
der Univerfität Gießen, ferner Ehrenmitglied der
Akademien zu Rom und zu St. Petersburg und
Ehrenbürger feinerVaterftadtOppenheim und von
San Franzisko. Bei Vollendung des Reichstags-
gebäudes hatte ihm der Kaifer den Titel eines
Kaiferl. Geheimen Baurats verliehen. wd.

KRÄKÄU Hier ftarb der Maler Bronislaw
Abramowicz im 75. Lebensjahre. Er war
ein Schüler Matejkos; gleich diefem malte er

Der Cicerone, IV. Jahrg., 17. Heft. 50

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