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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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19. Heft
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Bombe, Walter: Städtische Kunst-und Denkmalpflege in Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0780

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STÄDTISCHE KUNST- UND DENKMALPFLEGE IN FLORENZ

und, den Dreizack auf der Schulter, in ein Jagd-
horn bläft. Vor ihm läuft, gleichfam als Jagd-
hund, ein Fuchs mit einem erbeuteten Vogel
im Maule. Hinten entdeckt man noch eine
Schenke mit zechenden Bauern. Der größere
Teil diefer phantaftifchen, von Vafari fo hoch
gepriefenen Ölmalereien auf Kalk ift leider zu-
grunde gegangen.

Mit der Wiederherftellung des Quartiers Co-
fimos I. und feiner prachtliebenden Gemahlin find
die wichtigften Aufgaben der ftädtifchen Kunft-
kommiffion gelöft. Trotzdem gibt es noch viel
zu tun an der Äusftattung diefer monumen-
talen Säle, die vor kurzem als Schreibftuben
ftädtifcher Beamter gedient haben. Mit den Ver-
waltungen verfchiedener Mufeen find Unter-
handlungen im Gange, die hoffentlich den Erfolg
haben werden, daß eine Anzahl von Gemälden
und Statuen wieder in die Räume zurückkehren,
für die fie gefchaffen wurden. Älter Hausrat,
den man mit viel Gefchmack zufammengebracht
hat, fchmückt fchon jetzt einen Teil der fürftlichen
Räume, deren Wände mit koftbaren Gobelins
aus altem Medicäerbefiß gefchmückt find, und
unter denen fich wahre Prachtftücke befinden,
wie die Teppiche aus der Manufaktur Beauvais
in der „Sala degli Otto di Balia“, die noch vor
kurzem eine abfcheuliche Papiertapete aus den
fchlimmen fiebziger Jahren verunzierte. Auf
achtzig Millionen ift der Beftand an Gobelins,
den die Stadt ihr eigen nennt, vor nicht langer
Zeit bewertet worden! Noch aber harren zahl-
reiche Säle der würdigen Äusftattung.

Die ftädtifche Kunftkommiffion hat auch in
lobenswtrter Weife fich des im Jahre 1906 in
den Befijz der Stadt übergegangenen „Mufeo
Stibbert“ angenommen. Schon am 27. April
1909 wurde die Sammlung zur Feier der fünfzig-
jährigen Wiederkehr des 27. April 1859, des un-
blutigen und harmlofen Revolutionstages, der
die Abdankung des letzten Großherzogs von
Toskana zur Voraussetzung und den Änfchluß
des Landes an das geeinigte Italien zur Folge
hatte, in proviforifcher Form eröffnet. Seither
ift der Leiter des Mufeums, Älfredo Lenfi, mit
recht gutem Erfolge bemüht gewefen, die Samm-
lungen zu katalogifieren und zu ordnen, fo daß
jetzt bereits fechzig Säle und Zimmer dem Publi-
kum zugänglich find.

Auf dem Hügel von Montughi, unweit des
Ponte Rosso, erhebt fich inmitten herrlicher Garten-
anlagen das Stattliche Haus, das der Engländer
Frederick Stibbert in feinem Teftament vom
28. Mai 1905 der englifchen Regierung hinter-
laffen hatte, freilich mit der Klaufel, daß die
Sammlung nicht aus Montughi entfernt werden
dürfte. Nach dem Verzicht der englifchen Regierung

trat die Stadt Florenz, die fchon die Samm-
lungen Carrand und Reßman ihr eigen nannte,
in den Befife einer dritten großen Waffenfamm-
lung und zugleich in den Befiß von 800000 Francs,
für die Inftandfeßung des Mufeums. Die rei-
zenden Gartenanlagen haben etwas bezauberndes.
An Statuen vorbei, die unter der grünen Blätter-
pracht alter Platanen träumen, an einem ägyp-
tifchen Tempelchen, deffen Säulen fich in einem
klaren Waffer fpiegeln, geht der Weg zu dem
von duftenden Glycinien umrankten Haufe, das
die reichen Sammlungen beherbergt. Auf 38000
Stücke beziffert fich das Material, das der Un-
ermüdliche in 50 Jahren wahllos angehäuft hat.
Von den in unzulänglichen Räumen aufgeftellten
antiken Statuen, den Kaiferbüften, Bildern, Kunft-
möbeln, Stoffen, Majoliken und Bronzen ftellt
fich nicht wenig bei näherer Betrachtung als frag-
würdig, ja felbft als Fälfchung dar. Die kunft-
gewerblichen Gegenftände können fich jedenfalls,
was Gefchmack und Auswahl betrifft, auch nicht
entfernt mit der Sammlung meffen, die Louis
Carrand der Stadt Florenz vermacht hat, deren
ungünftige Aufteilung im Bargello aber gleich-
falls das Studium fehr erfdhwert.

Hervorragend ift jedoch die Waffenfamm-
lung, auf deren Vervollftändigung Stibbert von
Anbeginn fein Augenmerk gelenkt hatte. Im
Eingangsfaal find die Wände mit Fragmenten
von Rüftungen verfchiedenfter Art bedeckt. Wir
fteigen eine Treppe hinauf, die ein gewappneter
Krieger bewacht und betreten den prachtvollen
Malachitfaal. Hier reihen fich zehn vom Kopf
bis zu den Füßen gepanzerte Ritter hinter ein-
ander auf, und in der Mitte gruppieren fich an-
dere Panzerkrieger, von denen einer die Rüftung
trägt, die jener von Ägoftino Barbariga am Tage
von Lepanto getragenen gleicht, die heute das
Wiener Mufeum befijzt. Durch einen kleinen
Salon im Stile Ludwigs XV. kommen wir in
einen Raum mit flandrifchen Bildern und ver-
goldeten und zifelierten Degen, Gewehren und
Harnifchen. Darauf folgt die „Sala del Con-
dottiere“ mit hervorragenden Stücken italienifcher
Kunftfchmiede des Quattrocento und mit einer
Kollektion vonetruskifchen, römifchen und mittel-
alterlichen Helmen und Waffen. Ein vielbewun-
dertes Prachtftück der Sammlung ift der burgun-
difche Helm mit Früchte tragenden Genien in
getriebener Arbeit (Äbb.3). Zwifchen den Waffen
erglänzt das Limoufiner Email auf Kreuzen und
anderen Altargeräten. Die ganze Art der Auf-
hellung ift derart, daß fie mehr auf Bewunde-
rung als auf Belehrung hinzielt. Der Gründer
der Sammlung hatte als Privatmann natürlich
das Recht, feinen Befifz in einer Weife aufzu-
ftellen, die mehr dekorative Effekte beabfichtigt

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