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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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23. Heft
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Uhde-Bernays, Hermann: Die Ausstellung von Werken Anselm Feuerbachs aus Privatbesitz in der Galerie Heinemann-München
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0923

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DIE AUSSTELLUNG VON WERKEN FEUERBACHS IN DER GALERIE HEINEMANN

Äbb. 2. ÄNSELM FEUERBACH, Begräbnis eines Mönches Privatbepfe, München

„O blicke nicht nach dem, was jedem fehlt, betrachte, was noch einem jeden bleibt.“
Lenore Sanvitalens berühmte Verfe könnten über dem Eingang diefer kleinen Feuer-
bachausftellung ftehen. Bedenklich wohl, aber richtig erfcheint es, Negatives voranzu-
ftellen, damit das pofitive Refultat energifcher vortrete. Diefes darf fchlecht und recht
einmal numerifch ausgedrückt werden: es find hier unter den etwa 40 ausgeftellten
Bildern von Anfelm Feuerbach nicht weniger als 28, die bisher noch niemals gezeigt
worden find, alfo auch bei der Ausftellung des Nachlaffes und auf der Jahrhundert-
ausftellung gefehlt haben. Dazu kommen einige Werke, die nur auf kleinen Aus-
heilungen gelegentlich einmal zu fehen waren. Von den mächtigen Kompofitionen
allerdings, deren Wert Feuerbach zu den großen Meiftern des 19. Jahrhunderts er-
hebt, konnte keine, leider auch nicht die Amazonenfchlacht, zur Stelle gebracht werden.
Bleibt darum, was gefchaffen wurde, nur Tand und eitel Stückwerk? Mit nichten,
denn ganz abgefehen von der mehr für den Fachgenoffen als den Laien verlockenden
Gewinnung neuen Materials haben wir in diefer Ausftellung Gelegenheit, ein bisher
faft gar nicht beachtetes und erft feit kurzem gefchäßtes Gebiet feiner Kunft fehr ein-
gehend zu betrachten, feine Fähigkeit als Porträtmaler. Von den früheften Anfängen
bis zum Schluffe find gute, kaum bekannte Zeugniffe diefer vorzüglichen Begabung
Feuerbachs zufammengeftellt.

Der fiebzehnjährige Schüler der Düffeldorfer Akademie, befonders Karl Sohns, malt
in den erften Ferien den Vater und die Schwefter, konterfeit fich felbft mit dem
Künftlerbarett auf den dunkeln Locken. Befcheidene „Verfuche nach dem Leben“ find
es, fo fehr fie auch in der Charakterifierung über die Glätte des Dußendporträts hin-
ausgehen. Nur ein Jahr weiter. Wieder gefällt ihm das ftolze Geficht im Spiegel,
von dem er fchreibt, „verflucht vornehm fchaut der Kerl fchon aus“, und gleichzeitig

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