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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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3. Heft
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Stoehr, August: Hanauer und Frankfurter Fayencen, [2]: Versuch einer Trennung
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0123

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HANAUER UND FRANKFURTER FAY-
ENCEN / VERSUCH EINER TRENNUNG

ZWEITER TEIL / Mit 9 Abbildungen und einer Markentafel / Von AUGUST STOEHR

Eine weitere Gruppe von Enghalskrügen werden wir nun für die Frankfurter Fabrik
in Änfpruch zu nehmen haben. Diefe Enghalskrüge nähern [ich ihrer Form nach den
in Holland gefertigten Kannen und haben einen kräftigen länglichen, nach unten etwas
eingezogenen Bauch, an dem direkt der gefchrägte Fußring angefet^t ift. Der Hals
fteigt ziemlich unvermittelt aus dem Bauch empor, ift meiftens nach oben trichterartig
erweitert und von einem verhältnismäßig fchmalen Kopfband gekrönt (Äbb. 8, Mitte).
Der Henkel ift dünn mit nahezu kreisrundem Querfchnitt. Das Ende ift am Bauch ein
Stück weit angelegt, aber fo, daß die Dicke des Henkels erhalten bleibt und an der
Spitze ftumpf keilförmig gebildet. Die Mehrzahl derartiger Krüge, welche mir bis jefet
bekannt wurden, ift mit Zunftwappen bemalt. Meiftens halten zwei Löwen eine
barocke Kartufche, deren ovales Mittelfeld von einem Handwerksembleme eingenommen
ift. Dadurch, daß den Zunftwappen faft regelmäßig eine Jahreszahl beigefügt ift, find
wir imftande, diefe Enghalskrüge der Frühzeit der Fabrik zuzuteilen. Das ältefte Stück,
das ich bis jetjt fand, trägt die Jahreszahl 1676 und befindet fich im Mufeum zu
Kaffel. Die Jahreszahl 1677 trägt ein derartiger Krug, bemalt mit dem Wappen des
Erzbifchofs von Mainz und Bifchofs von Worms, Damian Hartard v. d. Leyen, der
ehemaligen Sammlung Lanna.1

Ein weiteres Stück mit Zunftwappen und der Jahreszahl 1684 erwarb vor kurzem
das ftädtifche hiftorifche Mufeum in Frankfurt, und eins aus dem Jahre 1687 bewahrt
das bayerifche Nationalmufeum in München.

Eine vorzügliche glänzende Glafur und ein fchönes Milchweiß zeichnet alle diefe
Krüge aus. Diefe Vorzüge mögen auch die Nürnberger Hausmaler Schaper, Helmhack,
den Meifter WR und andere veranlaßt haben, mit Vorliebe Frankfurter Erzeugniffe zu
ihren köftlichen Email- und Schwarzlothmalereien zu benüßen. Die Mehrzahl der
Enghalskrüge, die von den genannten Künftlern bemalt wurden, zeigen die oben be-
fprochene Form (Äbb. 8 a).

Das für die Erkennung der Frankfurter Fayencen wichtigfte Stück bewahrt das
ftädtifche hiftorifche Mufeum in Frankfurt. Der fchon durch feine Größe von faft
40 cm ausgezeichnete Krug trägt auf dem Boden die Bezeichnung F und B T. Er
wurde für einen Frankfurter Bürger, den Senior des evangelifch-lutherifchen Prediger-
Minifteriums, Johann Daniel Ärcularius, als Hochzeitskrug 1693, alfo im Sterbejahr Johann
Chriftoph Fehrs gefertigt. Der Krug, welchen Hermann v. Trenkwald2 näher be-
fchrieben hat, wurde von Balthafar Thau bemalt und hat ganz die oben befchriebene
Form, wenn auch die Einziehung des Bauches nach unten etwas kräftiger erfcheint,
was durch die außergewöhnliche Größe wohl erklärlich ift (Äbb. 8, rechts; Marke
Nr. 3, Tafel II).

Balthafar Thau war ein Frankfurter Kind, wurde 1660 geboren, heiratete 1684 und
ift noch 1701 in Frankfurt nachweisbar.

Der Henkel des Kruges zeigt in der Ärt feiner Befeftigung noch eine Merkwürdig-
keit, die uns eine weitere Gruppe von Enghalskrügen als Frankfurter Erzeugniffe er-
klären läßt.

1 Äuktionskatalog 1909. Nr. 1105. Äbgebildet Tafel 83.

2 Das Hamburgifdie Mufeum für Kunft und Gewerbe. Dargeftellt zur Feier des 25 jährigen
Beftehens von Freunden und Schülern Juftus Brinckmanns. Hamburg 1902. Seite 340.

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