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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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AUSSTELLUNGEN

fzenifchen Entwürfe zu Werken R. Wagners ent-
hält. Der Künftler, der kürzlich an ein Ham-
burger Theater berufen wurde, i[t zweifelsohne
einer derjenigen, die für die Veredelung des
modernen Bühnenbildes Tüchtiges zu leiften im-
ftande find, er befitjt das nötige Gefühl und
Verftändnis, hat Sinn für Stil und große Linie,
ebenfo auch für gute Flächenwirkung und kom-
pofitionelle Rhythmik. Die Bildnisarbeiten des
Künftlers find von ausgezeichneter pfychologifcher
Erfaffung und fefter, [icherer Darftellung. yyy. k pj

WIEN „Norwegifche Künftler“ im Hagen-
b u n d. Die Perfönlichkeit eines genialen Künftlers
beherrfcht diefe Äusftellung. Sie ift fchon darum
als die bedeutfamfte künftlerifche Veranftaltung
diefes Wiener Winters zu werten, weil in ihrem
Rahmen zehn Bilder Eduard Munchs und eine
reichhaltige Auswahl feines graphifchen Oeuvres
vereinigt find. Munchs Schöpfungen gehören
zu jener edelften Gattung von Kunftwerken, die
über ihren unmittelbar finnfälligen Inhalt hinaus
höchfte affoziative Werte vermitteln. Freilich
„dem nur deffen eigne Art die des Schöpfers
offenbart“; denn feine Werke find nicht die
Frucht grüblerifcher Gedankenarbeit, fie ent-
fpringen vielmehr einer feltfam vifionären Än-
fchauungskraft, der alle formalen Ausdrucks-
mittel in feltener Fülle und Prägnanz zu Gebote
ftehen. Der Künftler hat fein letztes Wollen in
dem ihm einzig adäquaten Medium fo reftlos
zum Ausdruck gebracht, daß diefe Bilder des
anmaßenden Verfuches fpotten, ihren tiefften
Stimmungsgehalt mit dem billigen Rankenwerk
fprachlicher Arabesken, aphoriftifcher Randgloffen
zu umkleiden.

Ein aufs höchfte gefteigertes Gefühl grauen-
voller Angft, vollkommener Wehrlofigkeit vor
der unfaßbaren Vielgeftaltigkeit desLebensdurch-
zieht die Werke Munchs als Grundftimmung.
In der „Melancholie“ ift diefe Lebensangft be-
reits zum Bilde troftlos-ftumpfer Refignation er-
ftarrt. Mit gleicher Kraft geftaltet er aber auch
freudige Dafeinsbejahung; die beiden Porträts
des Malers Schlittgen und des Schriftftellers
Gierlöff verkörpern ftroßende Lebensfülle, eine
faft brutale Lebensbeherrfchung. Die prachtvolle
fatte Malerei der Äktftudien des Künftlers ift
höchfter Bewunderung wert. Aus feinen Land-
fchaften weht einem die kalte und klare Höhen-
luft entgegen, die Ibfens Epilog erfüllt. Den
Gipfel feiner Kunft erreicht Munch in dem
unvergeßlichen „Selbftporträt im Reftaurant“.
Hier offenbart fich vielleicht die fuggeftive Kraft
diefer Schöpfungen am ftärkften, die alle von
außen hineingetragenen Symbole, jede untiefe
Myftik verfchmähen. Vor diefem Bilde gelangt

man auch am eheften zu dem — wohl einzig
möglichen — Erklärungsversuch der einzigartigen
Wirkung diefer Werke, der nur der Oberflächlich-
keit paradox erfcheinen mag: Gerade die un-
heimlich reale Lebendigkeit, mit der Menfch
und Dinge in den Raum geftellt find, die Un-
entrinnbarkeit ihrer gegenfeitigen räumlichen Be-
ziehungen, die ftrenge Sachlichkeit und unfehl-
bare Prägnanz der Formen- und Farbenangaben
zwingen die Phantafie zu jener tätigen Mitarbeit,
die den Willen des Künftlers auf den Befchauer
überträgt.— Die Veranftalter der Äusftellung woll-
ten nach den Eingangsworten des Kataloges nicht
eine Repräfentation des gefamten gegenwärtigen
Kunftfchaffens in Norwegen, fondern hauptfächlieh
„das Streben der jüngerennorwegifchen Künftler
zur Anfchauung bringen“. Neben Munch haben
fie freilich mühfam um unfere Beachtung zu
kämpfen. Dennoch heifcht die fchlichte Sachlich-
keit, der tiefe Ernft und der frifche Wagemut,
mit dem diefe jüngeren und jüngften Künftler
ihre Probleme angreifen, freudige Anerkennung.
Die ältere Generation ift nur durch einige Kirchen-
interieurs von Harriet Bäcker und einige Land-
fchaften von Fredrik Collett vertreten. Die
fpielerifch-manieriertenLandfchaften Harald Sohl-
bergs (geb. 1869) mit ihren gleichfam „frifierten“
Bäumen, mit den „ftimmungsvollen“ Sonnen-
untergängen find wohl die einzigen völlig un-
erfreulichen Werke diefer Äusftellung. Die
mittlere Künftlergeneration Norwegens hat be-
reits die Errungenfchaften des franzöfifchen Im-
preffionismus aufgenommen und mehr oder
minder felbftändig verarbeitet. Nach diefer
Richtung ergeben etwa die Bilder 0. W. Tornes,
die Porträts und Landfchaften des jüngeren Lund,
die Tierbilder und Freilichtftudien Folkeftads,
endlich die Seebilder Th. Holmboes, der fich
auch um die Zufammenftellung der Äusftellung
verdient gemacht hat, einen guten Durchfchnitt.
(Ed. Diriks, geb. 1855, fcheint in einem „Fichten-
wald“ dem Finnen Axel Gallen merkwürdig art-
verwandt.) Unter den jüngften norwegifchen
Künftlern erwachfen heute fchoneinigekoloriftifche
Begabungen von ftarker Eigenart; Karften und
Per Krogh ftehen hier an erfter Stelle. In einigen
Radierungen und in Aquarellen, die an Schablonen-
fchnitte oder Vorlagen für Glasmalerei erinnern,
offenbart fich das dekorative Talent Dagfinn We-
renskiolds. Eine Gruppe gleichaltriger Künftler
(Deberilj, Revold, Heiberg u. a. m.) fchließt fich der
jüngften Entwicklungsphafe der franzöfifchen Ma-
lerei an. Die große Jugend diefer meift 20—25 jäh-
rigen Künftler begründet die allzu große Abhängig-
keit von ihren Vorbildern (Othon Friesz, Manguin
u. a.), die heute noch die Stärke der individuellen
Begabung fchwer erkennen läßt. K. R.

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