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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 7
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Steinhausen, Wilhelm: Das Wort eines Meisters
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0093

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Ow Werkstatt 5er Kunst

sseääkteur: I)einrick Slemback.

V. Jakrg. L)ekt 13. Hov. 1905.

diesem r:eUe unserer LeitsckrNt erteilen wir jeclern Künstler clas freie Mort. Mir sorgen äasür, clas tunlickist keinerlei
Angriffe auf Personen ocler Esnossensckaften abgsclruclrt werclen, okne class vorder cler Angegriffene ctie Möglichkeit gekabt
Külte, in clernselben IZeste zu erwiclern. Oie keclaktion kält sich vollstänclig unparteiisch uncl gibt cturch clen TZbclruck keineswegs
- eins Nebereinstirnrnung rnit cien auf üiese Meise vorgetragenen Meinungen zu erkennen.

Vas Mort eines Meisters.

Der „Frankfurter Kunstverein" feiert in diesem
Zahre das Jubiläum seines ?5jährigen Bestehens.
Große, auf die Frankfurter Kunst des ss>- Zahr-
hunderts rückschauende Ausstellungen wurden aus
dieser Veranlassung vom Kunstverein veranstaltet und
als Abschluß dieser Veranstaltungen die soeben er-
öffnete „VII. Zahresausstellung Frankfurter Künstler".
Der durch die erstgenannten Ausstellungen auf das
verflossene Jahrhundert gebotene Rückblick nun ver-
anlaßt unseren RIeister Wilhelm Steinhaufen zu
einigen Worten, welche der Frankfurter Kunstverein
dem Verzeichnis seiner eröffneten Zahresausstellung
vorausschickt. Das Wort des Meisters lautet:
„ . . . . Wieder war Gelegenheit geboten, das
Urteil zu üben und im Vergleichen der Bilder von
einst und jetzt es zu berichtigen oder zu festigen.
Gin Stückchen Kunstgeschichte ist immer lehrreich.
Es ist ein Ackerfeld, das den Fleiß der Arbeit lohnt
und vielen schöne Gedankenfrüchte zeitigt. Und über
dieses Ackerfeld kann sich schön ein Friedensbogen
spannen; denn allemal werden wir ruhiger, wenn
wir die Dinge geschichtlich nehmen.
Dennoch erscheint uns im Rückblick dies Jahr
der Kunst und der Kunstbeschauung, das mit unserem
Jubiläums-Jahr zusammen dem Ende zueilt, keines-
wegs in so friedlich hohem Schmuck. Uns kam es
vor, als hätten wir allerlei Lärm und Streit vor
unseren Toren gehört und es ist uns, als hätten
wir einige Pfeile und Speere fliegen sehen.
Freilich, es ist ja natürlich, daß je mehr die
Zeit oder die Allgemeinheit sich mit den Dingen der
Kunst beschäftigt, sie die Kunst — und wäre es die
stumme Kunst der Malerei — in das Gewirr und
in das Geräusch der Tagesfragen hineinzieht. Wir
wissen alle, daß ihr das nicht immer zum besten
gereicht. Wenigstens meine ich, daß wir, die schaf-
fenden Künstler, mehr darunter leiden als gewinnen.
So möchte ich auch heute lieber mich selbst und
meine Leser von der großen Schaubühne unseres
Kunstlebens hinwegführen und sie in ein kleines
Zwischenspiel sehen lassen, wie es manchmal wie
zufällig das Auge sieht, wenn es von dem großen
Blendwerk des Alltäglichen sich wegwendet und ins
verborgene oder in sich hineinschaut.
Da wars mir neulich, als ginge ich dem großen
Zuge aller der Künstler nach, die wie lebend jüngst
durch diese Räume geschritten sind. Sie hatten sich

vor den Ausgangstüren gesammelt und gingen nun
durch die Dämmerung einen weiten Pfad. Aber
bald schien es mir, als würde die Ferne und der
Pimmel zusammengezogen zu einem großen Gewölbe.
Gin künstliches Licht erleuchtet es nur spärlich. Und
ich sah an den Wänden die Bilder der Künstler
hängen, aber zum größten Teil verdeckt. Viele auch
standen und lagen auf dem Boden in Unordnung,
und es schienen Leute beschäftigt, sie zu schichten
oder sie zu verpacken.
Aber die Gestalten der Künstler wichen nicht
und alle die lieben Gesichter, die ich unter den Lorbeer-
zweigen im Saal begrüßt hatte, wurden beschattet.
Da drang plötzlich in die künstliche pelle ein
Strahl des Tageslichtes und die Gestalten schwankten
und verschwanden. Und ich sah ihnen nach und
wußte, daß ich ihnen bald folgen müßte.
Und ich dachte, trennt sich denn ewig das Leben
von den Werken? Pakt ihr alle keinen Teil mehr
an dem Schicksal eurer Werke, eurer kleinen Arbeiten
und großen Mühen?
Ls muß doch so sein, als dächten die Menschen
wenig an solche Fragen.
wie eilig verfahren sie, wenn es gilt, ihr Ur-
teil und ihre Gewalt an den wehrlosen Bildern
und Werken auszulassen. Freilich, da gibts uner-
wartete Ehrungen und Erhöhungen, aber dafür auch
desto tiefere Grniederungen. Dort kommt ein Bild
ins pelle, da wird eines hervorgeholt, ein anderes
dafür versteckt; wie manche mögen dann für immer
der Vergessenheit oder dem verderben anheimfallen.
Und doch alles lassen sich die guten Bilder wie die
schlechten gleich geduldig gefallen. Sie müssens hin-
nehmen, daß sie, so geistfeindlich sie sich sind, wie
gute Freunde an eine Tafel gesetzt, oder, wie auch in
Freundschaft verbunden, voneinander getrennt werden:
kein Schicksal, kein Erlebnis hält sie mehr zusammen.
Und ich sah meine Freunde, die ich im Leben
noch gekannt hatte, deren Güte ich erfahren, von
deren Schwäche ich wußte, deren Frohsinn mich einst
erheitert, deren Trauer mich mitbetrübt und deren
Kämpfen und Ringen ich unter Aengsten zugeschaut —
ich sah die, von denen ich nur durch die Geschichte
wußte, deren Leben aber durch ihre Bilder erzählt
wird, ich sah auch sie — und ich sagte, warum wäret
ihr so empfindlich die kurze Spanne eures Lebens? —
Seht, euren Werken geht es noch oft schlimmer —
 
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