Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

DOI issue:
Heft 18
DOI article:
Die wirtschaftliche Bedeutung der internationalen Kunstausstellungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0245

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ole Werkstatt der MM

keäakleur: Steinbach.

V. Jakrg. I)ekt 18. 29. Jan. 1906.

In cliesern ^eile unserer LeitsekrUl erteilen vir j eäeni Rü nstler clas freie Mort. Mir sorgen clakür, <tas tunlichst keinerlei
RngriNe auf Personen ocler Senossensckasten abgeclruckt veräen, okne -lass vorder <ler Angegriffene <tie MSgUckikeit gekabt
KLtte, in clernselben yefte zu erviclern. Vie Reclaktion kält si-i, vollstLnclig unparteiisii, unci gibt -lurck, iten Hbäruck keineswegs
--- eine rlebereinstinirnung rnit clen auf cliese Meise vorgetrsgenen Meinungen zu erkennen. .- .

Vie xvirlscbaMi^e veäeutung äer internationalen KunstaussteUungen.
von Lxlruueus.

Nein, verehrte Herren Kollegen, in dem Ton
läßt sich keine Disputation führen, die uns fördern
könnte! Mißstände, ja solcher schwerster Art, sehen
wir um uns wachsen, und die Lage des deutschen
Malers kann, wenn nicht eingegriffen wird, wieder
einmal recht bedenklich werden. Aber etwas sach-
licher prüfen müssen wir wohl doch und vorsichtiger
erwägen, wo die Angelpunkte des Nebels sind, und
was an Aenderungen wirklich möglich ist.
Vor allem: Hüten wir uns vor einer Heftig-
keit, welche die so notwendige Verständigung un-
möglich machen könnte. Legen wir uns nicht selbst
fest auf Anschauungen, die sich kurz formulieren,
aber nicht halten lassen. Tine internationale Kunst-
ausstellung kann in einer Gestalt von Nutzen, in
anderer von Nachteil sein, kann in München oder
Bremen ganz verschiedene Bedeutung haben; und
wer hat noch nicht beobachtet, was bei „pflege
heimischer Kunst" unter Umständen herauskommen
kann — nämlich die peinlichste Invalidenrente?
Kennt ilicht jeder Kollege das eine oder andere
Kunstnest, in welches er schon selbst einmal einen
Luftzug oder gar einen Orkan fremder Kunst ge-
wünscht hätte, damit einige bornierte „Kunstfreunde
einmal angeblasen würden?
Gehen wir also mit allen allgemeinen Be-
trachtungen sehr behutsam vor. The wir die inter-
nationale Kunstausstellung in Bausch und Bogen ver-
dammen, wollen wir uns es doch noch dreimal über-
legen, was sie uns bis heute geleistet hat. Ls ist
eine rein wirtschaftliche Frage, die wir zu be-
trachten haben. Unsere ästhetischen Ueberzeugungen,
unsere Kunst als solche dürfen wir gar nicht nennen,
wenn wir hier prüfen wollen.
vergegenwärtigen wir uns zunächst die prak-
tische Bedeutung der Kunstmärkte. Ls ist nicht mehr
die Zeit, da die höchsten Erzeugnisse der Kunst zu
den höchsten Personen des Lebens eine engere Be-
ziehung Hatteil. Fürsten und Staaten stehen zur Kunst
heute nicht anders in Beziehung als Privatpersonen,
ein engeres Verhältnis ist ein Zufall, ein privates
Interesse. Dieser Umstand läßt jene Kunstzentren
alten Stiles, die Fürstenhöfe, für die Kunst (einige
Ausnahmen zur Regelbestätiguug abgerechnet) ihre
Bedeutung verlieren, und neue Zentren bilden sich,
wohin die Kunsterzeugnisse und die Käufer uun

wandern: regelrechte Kunstmärkte, die von zwei
Dingen abhängen, von der leichten Erlangung guter
Kunstwerke und vom Vorhandensein zahlreicher Kauf-
lustiger. Da nun alle Kunstliebhaber immer stärker
sich ail die Märkte wenden, wo sie ungleich mehr
finden, als ihnen der Zufall sonst in den weg führen
könnte, so werden die Künstler von den Märkten
immer abhängiger. Die verborgene Kunstpflege im
intimsten Kreise beschränkt sich bald darauf, neue
Talente zu entdecken und an den Markt zu bringen;
eine größere Anzahl Künstler könnte von solchen
direkt kaufenden Mäcenen kaum noch ihre volle Un-
abhängigkeit erhalten — wenn nicht der Künstler-
scholl am Markte einen großen Namen hat, wie
etwa Thoma oder Stuck, von vielen, gewiß manch-
mal recht traurigen Folgen dieser heutigen Bedeu-
tung des Marktes, von manchem Schwindel, mancher
Ungerechtigkeit wollen wir ruhig schweigen. Ts hilft
nichts. Keine vortrefflich moralische Entrüstung ändert
das kleinste an den Verhältnisseil, welche nun ein-
mal da sind, wir müssen es eben lernen, mit
ihnen zu rechnen, wenn wir uns nicht als Bloß-
Gemüts-Menschen den Tatkräftigeren zum Opfer
bringen wollen. Unser Trost sei, daß letzten Endes
auch der Markt immer wieder auf reinste Kunst als
die eigentliche Wurzel seiner Existenz verwiesen wird.
wollen wir uns nun das Wesen des heutigen
Kunstmarktes genau ansehen, so belehren uns am
besten die Ausstellungen der Münchener Sezession
und der Berliner Kunsthandel. München schuf sich
seinen Nus durch die Fähigkeiten seiner vielen be-
deutenden Künstler und konnte diesen Ruf wirtschaft-
lich ausbeuten durch das große Fremdenpublikum,
welches alljährlich München besucht und weiß, daß
es dort Kunst bester Art findet. Berlin erlangte seine
Stellung zuerst durch seine fast unbegrenzten wirt-
schaftlichen Möglichkeiten und zog dadurch Künstler
ersten Ranges an. Die Münchner Sezession nun
und der Berliner Kunsthandel zeigten für die Si-
tuationen das beste Verständnis dadurch, daß sie auf
die Vorführung nur der Elite-Kunst, und zwar ein-
heimischer wie fremder, hinarbeiteten. Das schuf
diesen Märkten in zwei Richtungen einen vorzüg-
lichen Ruf: erstens, daß man die beste Kunst aller
Welt dort fände, und zweitens, daß deutsche Kunst
in solcher Nachbarschaft einen ersten Platz ein-
 
Annotationen