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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 31
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Zum Kapitel: Kunstunterricht
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Denkmäler / Architektur / Aus Akademien und Kunstschulen / Staatsankäufe etc. / Staatsaufträge etc. / Stiftungen / Personal-Nachrichten / Auszeichnungen und Medaillen / Todesfälle / Aus Künstler- und Kunst-Vereinen / Vom Kunsthandel / Vermischtes
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Heft 3H

Die Werkstatt der Kunst.

427

seit geraumer Zeit das Niveau vieler großer Aus-
stellungen sichtbar herabdrücken. Er legte sich im Zu-
sammenhang damit die Frage vor, „ob denn die
allgemeinen Grundlagen der künstlerischen Erziehung
heute solche seien, daß man sie als für die Kunst
förderlich anerkennen könne". Dann fuhr der Ab-
geordnete nach dem „Dresdener Anzeiger", dem wir
diese Mitteilungen entnehmen, fort:
„Die großen Künstler der älteren Zeit, die großen Maler
der vergangenen Jahrhunderte sind überwiegend aus dem
Handwerk, hervorgegangen, und auch heute wird Ihnen
gewiß dieser oder jener Künstler bekannt sein, der eben-
falls aus dem Handwerk hervorgegangen ist und sich zu
einem vollendeten Vertreter seiner Kunst heraufgebildet
hat. von Leuten, die eine hohe Sachkunde besitzen, die
infolge ihres Lebensberufs sich dauernd mit Fragen der
Kunst beschäftigen, ist nun der Gedanke ausgesprochen
worden, ob man nicht soweit gehen soll, für die Folge
von jedem jungen Mann, der in die Akademie
eintreten will, zu verlangen, daß er den Nach-
weis seiner Befähigung zunächst dadurch er-
bringe, daß er ein Handwerk, das mit seiner
Kunst in Beziehung steht, selber erlernt habe."
Die „National-Zeitung" bemerkt hierzu:
„Der Abgeordnete Münsterberg dürfte sich mit Recht
auf die Ansicht zahlreicher Fachleute stützen. Seit längerer
Zeit hat sich bezüglich der staatlichen Akademien in den
Kreisen vieler Kunstfreunde eine steigende Skepsis bemerk-
bar gemacht und von verschiedenen Seiten ist jene Radikal-
kur aus ernstester Ueberzeugung empfohlen worden, wenn
auch wenig Aussicht vorhanden ist, daß sie in dieser Form
sobald angewendet wird, so war es dennoch wichtig, sie
in der gesetzgebenden Körperschaft einmal vorzubringen,
weil die Tendenz eine innigere Verbindung von Kunst
und Handwerk in dem vom Staat organisierten Kunst-
unterricht als Prinzip aufzustellen, so gesund und so ein-
leuchtend ist, daß man die daraus hervorgehenden For-
derungen mehr und mehr als unabweisbar erkennen wird.
Gerade durch das Vorhandensein der Akademien werden
zahllose junge Leute dazu verleitet, auf eine künstlerische
Begabung, deren wahre Kraft im Stadium der Entwick-
lung niemand ganz sicher erkennen kann, ihren Lebens-
beruf aufzubauen. Ein ungeheuer großer Teil aber er-
fährt nur Enttäuschung, und diese leiden dann ihr Leben
lang an dem erbitterten Gefühl des verfehlten Berufs,
sie geraten in materielle Not, drücken die künstlerischen
Durchschnittsleistungen herab, wirken so indirekt mit zu
einer Verschlechterung des Geschmacks und sind nicht mehr
imstande, das geringe (puantum künstlerischer Veran-
lagung, das in ihnen steckt, in einer für sie selbst wie
für die Allgemeinheit nutzbringenden weise zu verwerten.
Hätten sie sich jedoch einen Fonds von handwerklichem
Können erworben, so würden sich ihnen zahlreiche Mög-
lichkeiten hierzu bieten, und den großen Talenten, die sich
durchkämpfen, würde eine solchevorbildung niemals schaden.
Die Bedeutung dieser Fragen beschränkt sich im übrigen
gar nicht auf die Kunst allein. Sichtbare Fäden verbinden
sie mit der Entwicklung des in nationalökonomischer Hin-
sicht so wichtigen Kunstgewerbes. Die Regierung ant-
wortete, daß sie diesen Anregungen ernste Beachtung
schenken werde und teilte mit, daß man hier und dort
an kleineren Akademien schon beginne, den Studierenden
neue Möglichkeiten der gewerblichen Ausbildung zu schaffen.
So findet sich im diesjährigen Etat die Forderung einer
Stelle für dekorative Plastik an der Königsberger Kunst-
akademie. Das find immerhin willkommene Ansätze, wenn
sie auch nur als Abschlagszahlungen zu betrachten sind."
Kunst und Handwerk bildete ferner den
Gegenstand einer Debatte, die vor einiger Zeit in
Berlin stattfand. Der Fachverband für die wirt-

schaftlichen Interessen des Kunstgewerbes hatte
dorthin eine Versammlung deutscher Kunstgewerbe-
treibender aus allen Teilen des Reichs eingeladen,
um Stellung zu nehmen zu den mannigfachen
Schäden und Mißständen, unter denen das deutsche
Kunstgewerbe leide, und um über Mittel und Wege
zur Abhilfe zu beraten. Der „Berliner Lokalanzeiger"
berichtet über den Verlauf der Versammlung:
„. .. Der Vorsitzende, Fabrikdirektor Or. Hugo Gerschel,
stellte den schroffen Gegensatz fest, der heute zwischen den
Theoretikern und Praktikern des Kunstgewerbes bestehe.
Drei Punkte standen auf der Tagesordnung: Die Reform
des Unterrichts in den kunstgewerblichen Schulen, ferner
der Wettbewerb der Kunstschulen mit den Kunsthand-
werkern durch die Uebernahme großer Aufträge, drittens
eine Neuregelung des Ausstellungswesens, weitaus den
meisten Raum nahm hierunter die Erörterung über die
unumgängliche Reform der Kunstgewerbeschulen ein. von
allen Seiten wurde betont und an persönlichen, drastischen
Erfahrungen erhärtet, wie das Handwerk von den staat-
lichen Einrichtungen gar keinen Nutzen, sondern eher eine
Hemmung seiner Bewegungsfreiheit, keine Förderung, son-
dern eine Bedrohung feiner Interessen erfahre. Die Kunst-
schulen seien begründet worden, um dem Handwerkertum
einen tauglichen Nachwuchs heranzubilden, aber das
Gegenteil finde statt, von diesen Schulen kehre kein Lehr-
ling mehr ins Handwerk zurück, alle wollten sie höher
hinaus, „Künstler" oder Lehrer werden. Dabei aber zeige
die Erfahrung, daß in der Praxis diese Kunstschüler so
gut wie gar nicht mehr zu gebrauchen seien, so daß in
den großen Werkstätten schon der Titel Kunstgewerbe-
schüler genüge, um ihn auf keinen Fall zu engagieren. (?)
Die Schulen seien künstliche Treibhäuser, denen gar kein
praktischer wert mehr zuerkannt werden könne, besonders
seit sie in den letzten Jahren völlig nur zum Springbrett
für die ästhetisierenden Experimente einzelner berühmter
Modeprofefsoren und ausländischer Stilerfinder geworden
seien."
Diesen Angriffen trat Direktor Mittelsdorf von
der Altonaer Handelshochschule entgegen; er zeigte,
daß die Kunstschulen mit praktischen Ergänzungs-
werkstätten verknüpft, doch in Deutschland ganz gute
Erfolge erzielt haben; er goß damit jedoch nur Gel
ins Feuer der allgemeinen Erregung. Zu einer
Einigung und Formulierung bestimmter Neformvor-
schläge konnte es unter diesen Umständen nicht
kommen; Vorschläge: die Schulen ganz zu beseitigen,
ihnen eine handwerksmäßige Ausbildung voraus-
gehen zu lassen, Handwerker in die Schulkuratorien
hineinzusetzen, den Lehrern jedes Konkurrieren und
Uebernehmen von Aufträgen zu untersagen, den
Begriff „Kunst" überhaupt von der Schule wegzu-
streichen u. a. m. wurden laut. Der Vorsitzende
empfahl schließlich den Vorschlag des Malers Hen-
nings vom Düsseldorfer Semper-Bund zur Annahme,
wonach der Semper-Bund die Ausarbeitung eines
Programms zur Reform der Kunstgewerbeschule über-
nehme, der dann später auf einer zweiten Versamm-
lung des Fachverbandes durchberaten werden solle.
Auf diesen Vorschlag einigte man sich.

Denkmäler.
Elberfeld. Der Mnseumsverein beabsichtigt, hier dem
wuxperthaler Dichter Friedrich Röber ein Denkmal zu setzen.
 
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