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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 26
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Zur Frage der internationalen Kunstausstellungen, insbesondere der Mannheimer
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Bausinger, Anton: Die Freiheit der Kunst!: eine Entgegnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0360

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356

Die Werkstatt der Kunst.

heft 26.

auf jene derbe Kritik Dills wäre sie erst recht mög-
lich — und wohin sollte das führen! wenn Dill
gar kein Waler wäre, so gehörte seine Reformation
des Ausstellungswesens schon der Kunstgeschichte an.
wie kann man sich da selbst in eine so schiefe Lage
bringen, an einer Stelle, die für ausführliche Kritiken
nicht da ist, en pa8äaut zu bemerken: Dill versteht
nichts? weiß würde eine Ausstellung anders arran-
gieren als Dill; ein dritter anders als Dill und
weiß, wollen wir uns darüber unterhalten?
Ole ^relkelt cler llunst!
Line Entgegnung von Al. kausrnger.
„Stets muß die Bildnerin Natur
Den alten Ton benützen,
In Haus und Garten, Wald und Flur
Zu ihren neuen Skizzen." w. Busch.
Die Kunst wechselt ihr Kleid häufig, doch in ihrem
innersten Wesen ist sie unveränderlich. Als erste Lebens-
bedingung braucht und verlangt sie Freiheit und weist alle
Gesetze von sich. Ls hat sich immer noch gezeigt, daß die
Kunst am ehesten erlahmt, wenn sie in festgelegte Bahnen
gedrängt werden soll. Die, welche zetern, die Kunst sei nieder-
gebrochen oder entartet, haben nur den Vorzug, zur Majo-
rität zu gehören. Ueber ihr Jammern hinweg erhebt sich die
Kunst und lebt, wenn ihr auch das Leben recht sauer ge-
macht wird, und treibt nach allen Seiten ihre Blüten. „Ihr
Gärtner hier mit Euren freien Gärten und Eurem guten
Grund, pflegt die edle Pflanze und lasset sie bei Euch ge-
deihen und Früchte tragen in alle Zeiten! Bekämpfet Eure
Künstler nicht, indem Ihr Euch ablehnend verhaltet. Lasset
sie gewähren; sie müssen ihren weg gehen, sie können
nicht anders."
In diesen schönen und schwungvollen Worten
gab der Waler Rudolf Gudden in der Vorrede des
Ausstellungskataloges, welchen der Frankfurt-Tron-
berger Künstlerbund gelegentlich seiner letzten Aus-
stellung herausgegeben hatte, seiner künstlerischen
Ueberzeugung beredten Ausdruck. Diese Worte
haben darauf ihren weg durch einen großen Teil
der deutschen presse gefunden. Wan hätte nun
meinen können, daß sich gegen den Inhalt der
obigen Ausführungen hie und da wohl ein Wider-
spruch regen würde — inzwischen war dies nicht
der Fall. Trotzdem dürfen diese Worte, so wenig
es ihrer auch sind, nicht unwidersprochen bleiben,
und so möge dieser Widerspruch in dem Organe
der Künstler, der „Werkstatt der Kunst", übrigens
wohl der passendsten Stelle, seinen Ausdruck finden.
Neben mancher Wahrheit also, welche da ge-
sagt wird, finden wir jedoch andererseits Behaup-
tungen, welche bei eingehender kritischer Betrach-
tung unmöglich Stand halten können. So ist gleich
der erste Satz, daß die Kunst häufig ihr Kleid wechsele,
denn doch nur dahin zu verstehen, daß eben jede
neue Zeit, die nach neuen Ausdrucksmitteln sucht,
mit den: verdammen jeder Tradition beginnt. Die-
jenigen aber, welche das vollbringen, sind die eigent-
lichen Genies — die Pfadfinder, kraftvolle, in sich
selbst gefestigte Persönlichkeiten, welche ihrer Zeit
den Stempel ihres Geistes aufdrücken. Ist diese er-

lösende Tat aber einmal geschehen, so bleibt für
die nachfolgenden Geister immer nur das übrig:
in den vorgezeichneten Bahnen solcher Heroe«: weiter-
zugehen. Das sahen wir denn auch in jener Frank-
furter Ausstellung. Der wert solcher Leistungen vari-
iert eben nur nach dein Einsätze von Talent, den
der in Frage kommende Künstler zu geben hat. wenn
wir nun das Schaffen wirklich hervorragend be-
gabter Wenschen genauer verfolgen, so werden wir
immer finden, daß dieselben eigentlich „ihr Kleid"
nicht oft oder gewöhnlich gar nicht „wechseln", son-
dern wir finden im Gegenteil ein ständiges orga-
nisches Fortschreiten nach der Seite ihrer ursprüng-
lichen Begabung hin.
Der zweite Satz Guddens: „Als erste Lebens-
bedingung braucht und verlangt sie Freiheit und
weist alle Gesetze von sich" — hinkt ebenfalls be-
denklich. Diese Freiheit ist der Kunst längst einge-
räumt und zu allen Zeiten haben die Großen sich
dieses Privilegiums in ausgedehnten: Blaße bedient,
ja manch' einer ist sogar dabei verflacht, anstatt ge-
wachsen. Unsere Ausstellungen bieten durch diesen
freien Wahlspruch der Moderne wohl ein buntes,
vielseitiges Bild, wer wollte aber behaupten, daß
dadurch im allgemeinen sich die wirklich künstlerischen
Potenzen vermehrt hätten? Und hat unsere Kunst
im Vergleich zu anderen glänzenden Kunstepochen
nicht ihren organischen Zusammenhang hinsichtlich
einer einheitlichen Kunstäußerung im Sinne einer
gesunden Tradition so viel wie verloren? Das Ge-
samtbild unserer heutige:: Kunst ist ein schwankendes,
vergeblich suchen wir nach einem eigentlichen Pol,
um welchen es sich bewegen könnte. Auf der einen
Seite sind die Stürmer und Dränger, welche nach
neuen Werten jagen, auf der anderen Seite herrscht
ein zähes Festhalten an älteren Anschauungen, und
zwischen all' diesen: Treiben und Jagen ragen ein
paar in sich selbst gefestigte Persönlichkeiten, gleich
mächtigen Felsen aus der Gede heraus, und geben
Kunde von ihrer hohen warte, was wollen zu
dieser Tatsache die paar Worte sagen, die Herr
Gudden seinen Getreuen nut aus den weg gab? —
Ls wäre um die Kunst äußerst schlecht bestellt,
wenn sie alle „Gesetze" entbehren könnte, wie Herr
Gudden annimmt. Jede künstlerische Tätigkeit näm-
lich, welche in ihrer Art zu Harinonischen Einheiten
gelangt, kann nur durch eine gewisse Gesetzmäßigkeit,
durch Einsicht und wirkliches Kunstwissen dazu ge-
langen. wo aber fangen die „festgelegten Bahnen"
an, von denen Herr Gudden zu berichte«: weiß?
Gibt es dein: dafür einen fixen Begriff, eine fest-
stehende Norm? Immer nur hat es gute und schlechte
Knifft gegeben, diese aber finden wir bei den Ver-
tretern der neue«: wie der alten Richtung. Solche
Begriffe sind unendlich dehnbar und variiere«: eben
je nach der jeweilige«: Erleuchtung des betreffenden
Autors. Auch der individuellste Künstler wird „Ge-
setze" haben, und wen«: es auch nur „seine Gesetze"
sind. Nicht die allgemeine maßlose Freiheit ist es,
 
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