Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

DOI issue:
Heft 29
DOI article:
Schnars, Alfred: Einige Gedanken über Malerei
DOI article:
Der Künstler und sein Recht
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0402

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
393

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 29

heitstreuen Eindruck geben; aber wahrhaftig sein
kann auch ein empfindungsloser Mensch und man
muß doch damit rechnen, daß es auch noch andere
Menschen gibt.
Man betrachte ferner eine Landschaft von
Manet bezw. das schon erwähnte Bild (beschatte-
ter Garten mit beleuchtetem Haus) und dagegen
Thomas „Blick aus dem Fenster". Ein Fenster-
rahmen mit Buch und Blumen und ein Blick hinaus
in einen park im späten Frühlingskleid. Bei Manet
ist alles wahr in Farbe, Ton und Erscheinung und
man steht verblüfft vor dieser kraftvollen klaren
Handschrift. Aber diese Anbetung der Natur, welche
aus Thomas Bild spricht, diese verklärte ruhige
Größe in Form, Licht und Materie, sowie Farbe,
diese sucht man bei Manet vergebens. Und ich
finde, daß Thoma sich gut an Kraft der Erschei-
nung hier mit Manet messen könnte.
Diese Landschaft von Thoma hat für mich eine
verklärte Michelangelo'sche Größe, und diese Größe
finde ich nur noch bei Marees in seiner großen
innerlichen Kunst. Bo kenne ich von Thoma ein
neueres Bild, „der Blick in ein Schwarzwaldwiesen-
tal" im sommerlichen Blumenflor, im Hintergrund
einige Häuser, vermutlich Bernau, darüber viel
Himmel mit Hellen und grau regnerischen Wolken,
die fliegende Schatten übers Land werfen. Nicht
die möglichst genauen Töne einer Augenblicksma-
lerei, und doch wie wahr und ergreifend groß wirkt
dieses Bild. Dieser unendliche Raum, diese Größe
der Auffassung. Wer ist imstande, eine solche Land-
schaft mit der Einfachheit, Raumtiefe, Licht und ein-
facher Farbenschönheit zu geben? Wer bei diesen
beiden Bildern (die aus seiner immensen Schöpfung
herausgegriffen) noch von Dilettantismus redet, ist
tatsächlich uicht wert, der Kunst nahe zu stehen.
Denn er beleidigt die Kunst selbst. Es ist in die-
sem Bilde keine Anekdote, kein Phantasiegebilde.
Nur bewölkter Himmel und Hügelland. Das Ein-
fache in seiner ganzen Größe und Strenge, wer
von denen, welche ihn einen Dilettanten nennen,
würde ihm dies nachtun? Sie würden gewiß nicht
genügend Farben in einein solchen Stück Landschaft
finden, nicht genügend Anhalt für einige noble Farb-
flecken, um überhaupt etwas daraus machen zu
können. Dazu gehört nicht nur ein Mann, der mit
Farben zu wirtschaften weiß, dazu gehört mehr.
Dazu ist Herz und Seele erforderlich. Und das gibt
nicht feder. Es ist die Angst vor dem Gelächter
seiner andersgesinnten Mitmenschen. Die Kraft, dies
ruhig zu hören, ist nicht jeden: gegeben. Die Feinde
eines seelisch starke,: Menschen: die Krämer, sie sehen
in seinen Schöpfungen sogleich die Fehler, den seeli-
schen Gehalt, ihn sehen sie nicht. Wer will es ihnen
auch klar machen, daß sie es sehen müssen, emp-
finden müssen? Darauf stützen sie sich. Sie glauben
nur, was sie sehen, sie empfinden nicht. Sie malen
nur mit den: Auge, während ein anderer mit Auge
und Seele inalt. Und die Seele gibt Kraft, auch

einen Eindruck, ohne vor der Natur zu sitzen, ver-
körpern zu können. Man verschließe einmal einen
der über solche Künstler Lästernden wohl auf ein
Jahr die Natur, lasse ihn im Atelier einen Ein-
druck verarbeiten, vielleicht nach Zeichnungen, ob
er dann imstande sein wird, eine Landschaft, wie
die von Thoma (die auf solche Art entstanden ist),
oder sonst etwas gleichwertiges zu malen. Ich glaube,
die Lästerungen würden verstummen. Gb da auch
nur das Auge genügt?!
Man sehe „Die Klage des Hirten" von Böcklin.
Wer würde sich gewachsen fühlen, eine solche Iüng-
lingsgestalt, diesen Zauber der Stimmung, das Kla-
gende des Ausdrucks, so darzustellen? Es wundert
mich nur, daß es nicht heißt: Schwind, Feuerbach,
Spitzweg seien auch keine Künstler gewesen. Sie
haben doch auch uicht gemalt wie die Franzosen.
Manet hatte seine Freude am äußerlich Schönen
der Natur, aber das Innerliche hat er nicht be-
rührt. Er war Sklave seines färbe- und lichttrun-
kenen Auges. Und dieses Auge beschäftigte ihn ganz.
Dasselbe denke ich von Monet, Sisley rc. wenn ich
nun noch von einem Maler sprechen soll, der für
mich etwas gewaltig kraftvolles hat, der ein Weg-
weiser zu einem großen reinen Ziele ist, das feder
Aeußerlichkeit und Konvention entbehrt und das
er in einigen Porträts und einigen seiner großen
Bilder: „St. Martinus", „Die Hesperiden", einem
innerlich Empfindenden klarlegt, so muß ich Hans
v. Marees nennen. Wer hat diese Glut, die dämo-
nische Kraft der Farbe, die Raumtiefe gegeben?
Und wenn auch iu den großen Stücken die Form
darunter litt — wer will's ihm verargen bei einer
derart seelischen Gestaltungskraft der Farbe und des
Raumes? Nicht zu vergesse:: die Größe der Kom-
position. Er wird wohl nie fürs Publikum sein, aber
der innerlich empfindende Mensch wird ihn verehren
als einen großen reinen Künstler. Seine Porträts
halte ich für die gehaltvollsten und vom Stand-
punkt des Malers für die größten unserer Zeit.
Da ist nichts Unvollendetes mehr. Denke an sein
Selbstporträt im Iugendalter und an ein Porträt
eines älteren Herrn in sitzender Stellung. Ist Manet
der Maler der Oberfläche, so ist Marees der Maler
des Innerlichen.
Es ist der Mann, welcher die Fähigkeiten be-
sitzt, alle Bestandteile der Natur an äußerer und
innerer Bedeutung und seine eigene Person gleich
vollkommen zu geben, wohl noch nicht erschaffen.
Jeder wird auch seine Schwächen haben. Aber
jedenfalls muß ein Künstler der bedeutendere sein,
welcher innerlich seelische Darstellungskräfte besitzt,
als der, dessen Fähigkeiten nur zur Darstellung des
Aeußerlichen reichen.
Der Künstler unä sein Reckt.
Lin Maler erhielt den Auftrag, auf einen:
Bilde vereinigt des Bestellers beide Kinder, im Alter
von zwei und vier Jahren, lebensgroß in ganzer
 
Annotationen