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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 14
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Internationale Kunstausstellungen in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0190

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s86

Die Werkstatt der Kunst.

heft fp

Internalionale RunstaussleUungen
m veutscklanä.
Man schreibt uns aus München:
vor mir liegen die seit Wochen in der „Werk-
statt der Kunst" erschienenen flammenden Proteste
vieler Künstler aus allen Teilen des ganzen deutschen
Keichs. Endlich, endlich beginnt es zu tageu und
der Wunsch nach einmütigen: Vorgehen äußert sich
allenthalben. Das ist schon ein großer Fortschritt,
wenn auch praktisch damit noch nichts erreicht ist.
Um dazu zu gelangen, möchte ich heute die Herren
Kollegen, die bereit sind, tätig einzugreifen, bitten,
meinen Ausführungen zu folgen.
Ein Künstler an der Nordsee schreibt als letzter
der Redner in Heft s2 der „Werkstatt der Kunst"
unter anderen: folgendes:
„Aber es müßten auch Mittel ergriffen wer-
den, welche geeignet sind, hier Wandel zu schaffen.
Um das Uebel bei der Wurzel zu fassen, müssen
wir fragen: wer sind die Leute, welche aus diese
Weise ihre internationale Gesinnung bekunden,
sind es wirklich Deutsche? — wirklich? "
Ja, es sind leider Deutsche, und das nicht
genug, es sind leider deutsche Künstler, die den
Auslandsgedanken und seinen Kultus so überaus
sorgsam hegen und pflegen.
was uns jetzt Mann Hein: und Bremen zu
bieten wagen, das sind nur die naturnotwendigeu
Folgen der in München, Berlin, Dresden ec.
getreulich und pünktlich alle vier Jahre abgehaltenen
großen „Internationalen", wer veranstaltet die-
selben? — Deutsche Künstler! — wer räumt in
denselben den: Ausland nut Wonne die prächtigsten
Säle ein? — Deutsche Küustler! — Wer erteilt
Medaillen -— mehr als die Hälfte — an Aus-
länder? — Abermals deutsche Künstler! —
wer trägt sämtliche Auslandsspesen, inkl. Spediteur-
taxen u. s. w., für welche allein schon die wert-
vollsten Ankäufe gemacht werden könnten? — Das
Vermögen der deutschen Kunstgenossenschaft!
wer aber trägt den Nutzen davon?
Die jeweiligen ersten Hotels, die Theater und
die großen Firmen der Stadt, deren Inhaber aber
ein paar Hundertmarkscheine für das Bild eines
deutschen — nur deutschen! — Künstlers sehr lange
in der Hand hin- und herdrehen, um es dann
schließlich nicht zu kaufen. Eine Reproduktion eines
ausländischen Schlagers ist ja viel wirkungsvoller
und — billiger!
Und nun frage ich: Ist es denn wirklich so
sehr zu verwundern und gar so ungeheuerlich, wenn
nun Stadtverwaltungen, denen doch in erster
Linie um das Aufblühen ihrer Stadt zu tun ist,
und bei denen die Kunst natürlich erst in: zweiten
Glieds marschiert, einfach das nachmachen, was ihnen
deutsche Künstler so reizend vormachen? Deutsche
Künstler, oder besser deren leitende Persönlichkeiten,
denen es doch angeblich um das Aufblühen und


Hegen der Kunst, und speziell der deutschen Kunst
zu tun sein soll! —
Hier, verehrte Kollegen, habe ich Euch den
wirklichen Krebsschaden, der Euer Können, Eure
Schaffenskraft und Eure Gesundheit langsam aber
sicher aufzehrt, bloßgelegt. Hier greift ein und Ihr
werdet sehen, daß eine Gesundung der zerrütteten
Verhältnisse in: Ausstellungswesen nur von den
vereinigten Genossenschaften und Gruppen ausgehen
kann. Herr Maler Burmester schreibt u. a. in
seinen: Artikel, dem ich sonst freudigst zustimme,
von den internationalen Ausstellungen zu München,
Berlin rc., „daß sie der Wille der gesamten Künstler-
schaft sei". Du lieber Gott! Es ist der Wille der
jeweils an der Spitze Stehenden und deren Freunden
oder Nachbeter. Mehr nicht. — Die andern —
der weitaus größere Teil der Genossenschaftsmit-
glieder, nehme:: teils aus Indolenz, teils, weil sie
sich, einzeln genommen, zu schwach fühlen, gegen
die Leitenden anfzukommen, das Fatum der „Inter-
nationalen" stumpf als unabänderlich mit, raffen
sich höchstens auf zu den: Racheschwur: wenn ich
einmal daran komme, dann will ichs Euch ebenso
machen! Hand aufs Herz, deutsche Künstler, ists
nicht so?
Jetzt erübrigt sich aber noch die Frage: warum
halten die Leiter der Genossenschaften so krampfhaft
an den „Internationalen" fest? warum? weil
ihnen persönlich viel, unendlich viel Vorteil daraus
erwächst. Ich will keinem zu nahe treten oder
Gehässigkeiten vorbringen; ich weise nur darauf hin,
daß wir in einer Zeit des furchtbarsten, erbar-
mungslosesten Kampfes ums Brot leben und
die Männer, die den Nutzen und die Wohlfahrt
des ganzen Standes über den eigenen größeren
Nutzen und reiche Einkünfte stellen, sind selten, sehr
selten. Denn wir sind alle Menschen und keine Engel.
Deshalb, verehrte Kollegen, müßt Ihr Euch
selbst helfen und das kann ganz unblutig geschehen.
In jeder Genossenschaft müssen Generalversamm-
lungen stattfinden, in der Regel einmal monatlich.
Nun soll und zwar hauptsächlich in Berlin und
München in einer solchen Generalversammlung der
Antrag gestellt werden, die internationalen Aus-
stellungen auf das Mindestmaß zu beschränke::, d. h.
dieselben höchstens alle sO—j2 Jahre einmal statt-
finden zu lassen und dann nur unter strengeren und
unserer würdigeren Bedingungen für das Ausland.
Die Künstlerschaft hat die „Internationalen"
seinerzeit durch Stimmenmehrheit eingeführt, sie kann
sie auch durch Stimmenmehrheit wieder abschaffen.
Und diese Stimmenmehrheit zu erreichen, ist nicht
schwer, denn gerade hier in München erschallen
laute und leise Klagen und Verwünschungen, sowohl
aus der älteren Künstlerschaft, wie aus den: jungen
Nachwuchs.
Nm aber meinen Vorschlag wirklich praktisch
verwertbar zu machen, muß ich noch folgendes hin-
zufügen. Leider muß es gesagt werden: Ehe nicht
 
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