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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 11
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Cornils, Hermann: Kunst und Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0149

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V. ILkrg. ^skt 11. 11. Oe^. 190Z.

Ir> cUesern ^slls unserer LeUsckrisl eriellen wir jeclsni Rünsller clas freie Morl. Mir sorgen cialür, clas luniicksl keinerlei
Angriffe auf Personen ocler Eenosssnsckaflen abgeclrucki wercisn, okne ciass vorder cier Angegriffene clie Möglickkeil gekabl
Kalle, in Äernselben IZefte zu erwiclern. Oie Reclaklion Kall sick volistanciig unparleiisck uncl gibt Äurck clen )lbclruck keineswegs
— eine Nsbsreinslirnrnung rnil clen auf ciiese Meise vorgeiragsnen Meinungen zu erkennen. ' — -

Runst unä Iluristge^erbe.
Von kferm. (dornrls in Hamburg.

Wie nach langer ailhalteilder Dürre endlich
der langersehnte Regen eintritt, der alles erquickt,
bis die ganze Natur wieder in prächtiger Lebens-
fülle dasteht, so wirkte in unserer Zeit die künst-
lerische Bewegung auf die dürren Reiser des ver-
trockneten Kunstgewerbes. Ueberall kam Leben, und
neue Formen entstanden, wo vorher Staub und
Ueberreste vergangener Zeiten sich breit machten. Der
Formenwust der sogenannten Imitationsstile wurde
geächtet. Die Rosetten, Muscheln, Akanthusblätter
der Renaissance haben ihre Geltung verloren, und
statt der Alleinherrschaft der historischen Stile sehen
wir fetzt Möbel und Gebrauchsgegenstände in ein-
facher zweckentsprechender Bildung. Das Streben
nach Wahrheit hat das bsandwerk von der freien
Kunst übernommen. Man sah endlich ein, daß es
sinnvoller ist, einen Schrank in einfachen Linien her-
zuftellen, als ein verkleinertes Modell, etwa des
Heidelberger Schlosses daraus zu machen. Nun
sollte man denken, daß der an sich vernünftige Ge-
danke, das pandwerk dadurch zu heben, indem mall
das künstlerische Prinzip des selbständigen Denkens
übernimmt, überall durchgeführt wird. Das ist aber
keineswegs der Fall. Ls gibt noch Leute genug,
welche unbekümmert um das Gewordene, wie blinde
Schiffer im alten trüben Fahrwasser dahinsegeln.
Als nun aber die Verbrüderung voll Runft und
bsandwerk sich vollzog, als der Künstler zum bsand-
werker wurde, zeigte es sich, daß dieser an sich vor-
treffliche Build seine bedenklichen Schattenseiten hatte
und zwar nicht für den bsandwerker und das Kunst-
handwerk, sondern für Runft und Künstler. Ich
denke hierbei nicht an das oft gehörte Wort: Der
Künstler solle sich nicht für zu gut halten einen
Schrank zu zeichnen und ein Plakat zu malen, der-
artige Bedenklichkeiten hat sich der Künstler längst
abgewöhnt zum Nutzen des bsandwerks — aber
zum Schaden der Kunst. Mit dem neuerwachten
Interesse für das Kunsthandwerk, begann aber auch
bald eine geschäftige Reklame einzusetzen, und damit
hatte sich die anfangs schön verstaute Ladung des
Schiffes verschoben, und es segelte schief. Nun ent-
standen Worte wie: Kunstgewerbe, angewandte
Kunst, bs and werkskunst und neuerdings Werk-
kunst, alles zu dem Zweck, dem Gewerbe und der
Industrie neue Absatzgebiete zu eröffnen. Zu güter-
letzt öffneten die Kunstausstellungen dem Kunsthand-

werk ihre Pforten und die für das Kunstgewerbe
tätige presse ist am Werk, die Grenzen zwischen
Kuilst und Kunsthandwerk mehr und mehr zu ver-
wischen. Ls liegt in der Natur der Sache, daß
dieses Beginnen mit Notwendigkeit zu einer künst-
lerischen Verflachung führen muß. Und das Kunst-
gewerbe wird nach dein Gesetz voil Angebot und
Nachfrage der freien Kuilst das Wasser abgraben,
wenn man fortfährt Kunst und Gewerbe miteinander
zu verquicken, anstatt die Wesensunterschiede aus-
einander zu halten. Für die hierin herrschende baby-
lonische Begriffsverwirrung mag folgendes Beispiel
dienen, welches einer Probeillustration der neuge-
gründeten kunstgewerblichen Zeitschrift „Werkkunst"
entnommen ist und ein Ehrengeschenk darstellt.
Wir sehen ein in Silber getriebenes Gestell,
welches wir zunächst für einen Uhrständer halten,
und die recht geschmackvolle Linienführung des Gan-
zen sagt uns wohl zu. Nach dem Offnen des Deckels
wird aber statt der Uhr ein Gemälde sichtbar, das
eine auf einem Thronsessel sitzende Frauengestalt
darstellt. Wir sind überrascht und enttäuscht zu-
gleich, denn wir Hatteil alles andere hinter dem Ver-
schluß vermutet, etwa den heraustretenden Kuckuck
einer Schweizeruhr. Das Resultat ist eine humo-
ristische Stimmung, die, einmal angeregt, mit dem
Lrnst des Bildes im direkten Widerspruch steht.
Dieses Gebilde, welches, wie wir fetzt bemerken, nur
den Rahmen für das Bild abgeben soll, hat in
dieser Beziehung so sehr seineil Zweck verfehlt, wie
es ihn, selbst mit der humoristischen Beigabe, als
Kuckucksuhr erfüllt haben würde. Wir empfinden
hier aber in eklatanter weise die Kollission der
ernsten Kunst mit dein bsandwerk und sehen, wohin
es führt, wenn der Rahmen sich in den Vorder-
grund drängt, wenn das Bild, anstatt seiner selbst
wegen genossen zu werden, erst einer Verbrämung
bedarf. Kein Material, und sei es noch so wert-
voll, kann dieseil Schlag in das Angesicht der Ästhetik
wieder gut machen. Lin Bild wird nicht reicher
durch die Rmrahmung, und auch für das Kunst-
gewerbe gilt der Satz: „In der Beschränkung zeigt
sich erst der Meister." Der Rahmen dürfte nur im
allerfeinstsn pianissimo den Charakter des Bildes
harmonisieren, keineswegs aber durch diesen lärmen-
den Apparat sich hervordrängen.
Aus dein obigen Beispiel, daß sich in mannig-
 
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