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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 22
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Kayser-Eichherg, Karl: Ein Beitrag zur Reform der Ausstellungswesens
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Scherres, Carl: Die Brandfackeln des Künstlerstreits
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0302

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293

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 22.

bei gutem Willen ein Modus des Wahlsystems
finden. So könnte z. B. der Absendungsort, wenn
man ihm die Wahl der Juroren nicht gänzlich über-
lassen will das Recht zur Aufstellung einer Vor-
schlagsliste haben, aus der wiederum die Kommis-
sion des Ausstellungsortes die engere Wahl trifft.
Indessen dürfte auch solcher Modus reichlich um-
ständlich sein. Die ritterlichste und feinste Art dürfte
einfach in der Zubilligung einer eigenen Zury liegen.
Allenfalls könnte ein ständiger, vom Ausstellungs-
ort bestimmter Vertrauensmann der Obmann dieser
Jury sein. Man hat ja oft genug Gelegenheit ge-
habt, zu sehen, wie sich die Ginrichtung der Ver-
trauensmänner bewährt hat. Zch erinnere nur an
die Ausstellungen in Dresden und Karlsruhe.
Hier könnten nun Vertrauensmann und Zury,
denen man mitteilt, wie viel Meter ihnen zur Ver-
fügung stehen, gemeinsam wirken. Die Mitglieder
dieses Kreises werden wissen, was sie ihrer Vater-
stadt schuldig sind, um ihr eine ehrenvolle Vertre-
tung in einer andern Stadt zu sichern. Dabei brauch-
ten sie durchaus nicht scharfrichterlich zu Werke gehen.
Sie könnten mit Milde und Wohlwollen in Ruhe
auswählen und manchem Bilde, das ein gediegenes
Streben und eine künstlerische Gesinnung aufweist,
bei dem aber vielleicht das Können hinter dein
wollen zurückgeblieben ist, viel eher zu seinem Rechte
verhelfen, als wie es unter den gegenwärtigen Um-
ständen der Lall sein kann. Zst doch in keiner Stadt
der Meister vom Himmel gefallen!
Welche Orte nun als Kunstzentren in Frage
kämen, brauche ich nicht zu erörtern, und wenn
Künstler in Städten wohnen, die nicht als solche
gelten, so müssen sie sich eben an die ihnen zunächst
liegende Kunststadt wenden.
Ls würde interessant sein, Stimmen hierüber
aus den Reihen der Kollegen zu hären. Ich kann
meinerseits nur betonen, daß ich hier weniger pro
ckomo spreche, als daß mich eine ruhige, kühle Er-
wägung, die von jeder Polemik frei ist, zu meiner
Erörterung veranlaßt hat.
Vie kranclkackel des Kimstlerstreits.
Man schreibt uns aus Lharlottenburg:
Zn Heft f9, vom 5. Februar s9O6, der Kunst-
zeitschrift „Die Werkstatt der Kunst" ist unter der Be-
zeichnung „Die Brandfackel des Künstlerstreits" ein
Aufsatz erschienen, zu welchem auch ich mich äußern
möchte, um der ausgezeichnet wohlgemeinten Sache
(vielleicht?) etwas dienen zu können.
Zch möchte die „Brandfackel" die „Schand-
fackel" unseres Zahrhunderts nennen! Zch stimme in
den meisten Punkten und Aeußerungen des sehr ge-
ehrten Herrn Eduard Daelen voll und ganz über-
ein und schätze dessen energische Zuschrift an das
genannte Kunstblatt durchaus sehr hoch und wünsche
seinen Worten besten Erfolg. Nur kann ich — als

wahrheitsliebender Mensch — es nicht völlig unter-
drücken, sagen zu dürfen, daß man aus den heute
so entfesselten, entsetzlichen Kunstzuständen doch nicht
gerade den „Akademien" Vorwürfe machen sollte;
dieselben haben weder mit den unrühmlichen Zury-
Angelegenheiten, noch mit der sogenannten „Markt-
ware" in der Kunst etwas zu tun! Zch gehöre
keiner Akademie an, bin aber in meinen jungen
Zähren dereinst auf eiuer Akademie ausgebildet
worden, und danke es noch heute auf das innigste
meinen damaligen hochvortrefflichen Lehrern, welche
(schon seit langen Zähren verstorben) niemals Markt-
waren schufen, noch solche liebten, wo soll ein
junger Mann, der die Kunst zu seinem Berufe
machen will, sich eine so gründliche Ausbildung,
wie die Akademien zu bieten vermögen, verschaffen?
Doch das sind „Ansichten"! —
Nun möchte ich mir erlauben, noch einiges zur
baldigen Abhilfe des heutigen traurigen Zurywesens
zu sagen — gut gemeint für jeden soll es sein:
Zch bin der Ansicht, daß alle Künstler (Mitglieder
eines Künstlervereins) sich ganz nach eigenem, freiem
Ermessen in etwa drei bis vier Gruppen (je nach
ihren Kunstansichten) freiwillig zusammenschließen;
jede dieser Gruppen wählt sich (gewissermaßen) ihren
„Führer", dieser Führer erbittet sich noch drei oder
vier „Helfer" aus seiner Gruppe. Bei Veranstal-
tungen von Ausstellungen plazieren diese Führer mit
ihren Helfern die eingegangenen und angenommenen
Kunstwerke in den Sälen der Ausstellungen; in an-
deren Dingen vollziehen diese Führer mit ihren
Helfern all' die Funktionen einer sonst sogenannten
„Ausstellungs-Kommission" vereint; nur die „Zury"
und das Hängen, eventuell Aufstellen der Werke ge-
staltet sich in jeder der drei bis vier Gruppen be-
sonders geteilt. Damit auch ohne Streitigkeiten
und ungehöriges Vordrängen einzelner beim Be-
hängen der Wände die in Frage kommenden Säle
verteilt werden könnten, wäre es vielleicht ange-
bracht, die numerierten Ausstellungs-Säle an die
ausstellenden Künstlergruppen zu „verlosen" — je-
doch (wenigstens nach meinen: Empfinden) mit dem
ausdrücklichen Bemerk, daß den Kgl. Akademien
„pietätvoll" der erste Saal oder auch die zwei ersten
Säle zur eigenen Verfügung erhalten bleiben müßten.
Wie die Akademien sich zur eventuellen Ausführung
solchen Vorschlages zu stellen vermöchten, wäre ja
selbstverständlich ganz und gar deren alleinige
Sache. Was nun noch das Annehmen und pla-
zieren der Werke „auswärtiger" Künstler, sowie
auch einheimischer und auswärtiger „Künstlerinnen"
anlangt, so würden dieselben (glaube ich) auch gut
tun, sich derartiger Handhabe anzupassen. Ferner
bin ich der Ansicht, daß — soweit nicht „Anstößig-
keit" der Grund zur Ablehnung einzelner Werke sein
könnte — alles Eingesandte wenigstens in „Neben-
räumen" der Ausstellung für die ganze Dauer der
Ausstellungszeit (soweit solche Räume es zu fassen
vermögen) aufgehängt, eventuell aufgestellt werden
 
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