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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 30
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Fahrenkrog, Ludwig: Ein Beitrag über das Ausstellungswesen unserer Zeit
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Nochmals zum Kapitel: Maler-Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0415

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Heft 30.

Die Werkstatt der Kunst.

diese Fragwürdigkeiten nun schaden? Allerdings!
Dann z. B., wenn sie wirklichen Kunstwerken den
Platz rauben. Das ist aber nur bei dem heutigen
System möglich, nämlich dann, wenn a priori nur
eine bedingte Anzahl Arbeiten zu Morte kommen
kann, nicht aber, wenn feder die Möglichkeit hat,
sich zu zeigen. Für die Kunst selbst kann die breite
Geffentlichkeit nur dienlich sein. Und für den Künstler?
Er kann ja auch durch die Jury quasi erzogen wer-
den ! Dann ist er allerdings kein wirklicher Künstler.
Für den Künstler als auch lebenwollender Mensch
aber brauche ich wohl kaum das Zweckdienliche zu
betonen.
Ich setze einen allgemeinen Fall: Das Bild
segelt mit banger Hoffnung wohlverschraubt in seiner
Kiste der „Großen" zu, das Werk eines Jahres
oder zweier. Unter den schwierigsten Verhältnissen
begonnen und durch allerlei Fährlichkeiten mit An-
dacht und Inbrunst dennoch fertig gestellt. Vielleicht —
vielleicht hängt auch noch dieser oder jener Auftrag
daran — oder, es war ihm einmal darum zu tun,
sich auszusprechen, zu zeigen, daß er ganz anders
denkt, empfindet, wie es die Mode erheischt und
darum auch anders malt —, ja gerade das. Nach
etlichen Wochen: Herrgott, die Arbeit eines Jahres,
das Geld, die Existenz, nicht einmal zu Worte ge-
kommen. Heiliger Brahmaputra! Nicht einmal bla-
mieren darf man sich mehr. Was nützt es, daß
du neue werte weißt und schaffst? Davon erfährt
kein Mensch u. s. w. „Ich fordere die Jury zur
Rechenschaft; sie macht mich stumm!" — „Tu's." —
Je nun, je nachdem: der Mann geht vielleicht zu
Grund — vielleicht sehr zum Schaden der Kunst —
wer will's wissen? Er kann sich ja nicht mal ver-
teidigen. Will man mir nun vorhalten, daß ich
nicht gerade Grund zur Klage hätte, so beweist das
eben wie objektiv ich urteile. Nichtsdestoweniger
verletzt die Existenz der Jury mein Selbstgefühl von
vornherein. Stehe ich nicht mehr oder weniger dem
Zufall gegenüber? Von der ersten internationalen
Kunstausstellung zu Düsseldorf ging mein Bild
„Lrdentrunken" auf persönliche Einladung mit 200
anderen Auserwählten nach London und von da über
verschiedene Grte ((903) nach München, Glaspalast,
wo es einen ausgesucht günstigen Platz hatte u. s. w.
Im Jahre wurde es in Berlin abgewiesen!
Der Fall will nichts weiter besagen, als daß er
sich zu jeder Zeit wiederholen kann und das Ur-
teil der einen namhaften Jury gegen das Urteil
der anderen, ebenso namhaften setzt. Eine Gefahr
für die Kunst liegt mithin in dem heutigen System
vor, ganz abgesehen von Willkür und Bosheit der
event. Iurymitglieder, welche wir ebensowenig an-
nehmen wollen, wie die Möglichkeit, daß dem Iury-
mitgliede seine Interessen die alleinigen Kunstinter-
essen überhaupt sind. Deswegen wollen wir hoffen,
daß alle, welche ein Interesse für die Kunst haben,
mitsinnen helfen, den neuen richtigen Weg
zu finden. Hierzu rechne ich nicht nur die Kleinen

oder Großen, sondern auch die Kunstschriftsteller.
Wenn ich nicht irre, hatte z. B. Hans Rosenhagen
vor längerer Zeit in der „Kunst" (München), sonst
im „Tag" (Berlin) einen derartigen Kunstjahrmarkts-
plan zurechtgeheckt, der nicht übel war. Es mag
dem Kunstschriftsteller mitunter auch langweilig wer-
den, immer dieselben Gesichter an den verschiedensten
Vrten zu sehen.
Zunächst: Das gute Arrangement ist nicht wich-
tiger wie gute Bilder. Man kann das vielleicht an
drei oder vier Räumen zeigen, in welchen perlen
des In- und Auslandes aufgehängt werden. Linen
Saal mit dem besten, was das Ausland bietet
(mehr nicht), möchte ich doch in jedem Jahr dabei
haben; ebenso einen oder zwei Säle für das beste
aus deutschen Landen. Diese Elitesäle müssen auch,
mit allen Mitteln des künstlerischen Geschmacks in
Bezug auf den Raum rc. angeordnet, die ganze Zeit
der Ausstellung überdauern. (Zulässig nur ä Name
ein Bild.) wer Anspruch auf einen dieser Elite-
plätze macht, kann einer hiefür bestellten Jury seine
Arbeiten anmelden. Alles andere kommt dem Alpha-
bete nach geordnet, serienweise von Monat zu Monat
wechselnd, zur Ausstellung in den übrigen Räumen.
Für die Mitglieder irgend einer namhaften Künstler-
gemeinschaft bedarf es dann keiner Jury. So kann
dann vielen geholfen werden, der Kunst ebenso.
Dann hat jeder für sich nur einzustehen. Einzel-
heiten sind bald erledigt: Für die viele Hängerei
lassen sich entsprechend viel Kommissionen wählen.
Für den Elitesaal besteht kein Anrecht als das durch
die Güte der Arbeit bedingte. Eventuell können
Gruppen gemeinsam (Plätze nach Mitgliederzahl ent-
sprechend, drei Werke) ausstellen und anordnen. Im
allgemeinen sind in dieser Richtung hin ja auch
schon Vorschläge ergangen; es erübrigt nur noch
durch vielleicht eine Kommission einen derartigen
plan bis ins T. Z. auszuarbeiten und der Verwirk-
lichung nahe zu führen. Es muß endlich aber auch
im Interesse der Kunst gehandelt werden.
VabrenlcroF,
6eselÜLtNsms.Ier, LsLrer sm äer KimstAsivsrdesclmle
211 Lärmen.
Dockmals zum Kapitel: Maler-
Erziekung.*)
Prof. Paul Schultze-Naumburg schreibt
neuerdings im „Kunstwart":
Der kleine Aufsatz über diesen Gegenstand hat
mir eine große Menge Briefe ins Haus gebracht.
Ich habe den Eindruck, daß ich mit jener Erörte-
rung Schäden berührt habe, die noch weit größer
sind, als es anfangs schien. Deshalb möchte ich eine
Zuschrift hier wiedergeben, die von Beobachtungen
auf verwandten: Gebiet berichtet. Die Verwaltung
*) Vergleiche „Werkstatt der Kunst", Heft 25.
 
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