Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0403
DOI Heft:
Heft 29
DOI Artikel:Der Künstler und sein Recht
DOI Artikel:Marschall, Georg: Abermals ein Vorschlag zur Reform der Jury
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Heft 29._Die Werkstatt der Kunst._399
Figur zu malen. Der Besteller und seine Frau be-
sprachen mit großem Aufwand an Worten ihre
Wünsche bezüglich des Bildes, nicht aber den Preis
desselben, über welchen Punkt auch nicht mit einem
Worte Erwähnung getan wurde. Wohl berührte
des Bestellers Frau so leichthin gelegentlich einmal
der Frau des Künstlers gegenüber die Frage, was
ein solches Bild wohl kosten würde, woraus jene
von dieser an ihren Gatten, den Künstler, gewiesen
wurde. Zu dieser Besprechung des Preises kam es
jedoch, wie schon erwähnt, nicht. Nachdem das ziem-
lich große Bild, welches einen sehr erheblichen Auf-
wand an Zeit erforderte, vollendet, präsentierte der
Waler seine Forderung mit s800 Wk., worüber die
Besteller auf das höchste erstaunten, indem sie be-
merkten, daß sie sich als Honorar den Preis von
nur 800 Wk. dachten. Die Besteller weigerten sich,
des Walers Forderung anzuerkennen, aus dem ein-
fachen Grunde, weil sie die Grenzen überstiege, welche
sie sich gezogen hätten.
„wie habe ich mich nun am besten zu ver-
halten," so fragt uns der Künstler, „um am schnell-
sten in den Besitz des Geldes zu kommen. Nicht
wahr, nach obiger Erklärung muß doch der Be-
treffende mir die volle, von mir geforderte Summe
bezahlen? Und dann — müßte er mir auf mein
verlangen nicht wenigstens die 800 Wk., wovon die
Rede war, vorläufig ohne weiteres auszahlen? was
habe ich zu tun?"
Diesem Tatbestands gegenüber ergibt
sich folgende Rechtslage und folgendes Ver-
fahren:
Auf den vorliegenden Fall kommen die 63 s,
632 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Anwen-
dung. Die Sache ist insofern verhältnismäßig ein-
fach, als nicht in Abrede gestellt wird, daß das
Bild bestellt wurde, wenn die Besteller angeben,
sie hätten sich bloß einen Preis von 800 Wk. ge-
dacht, so liegt darin ein außergerichtliches Aner-
kenntnis, das heißt: in dieser Aeußerung sind Tat-
sachen enhalten, welche für die gerichtliche Ent-
scheidung von größter Wichtigkeit sind. Sie machen
indes eine richterliche Entscheidung noch keineswegs
entbehrlich. Der Waler kann deshalb jetzt noch nicht
verlangen, daß ihm ohne weiteres 800 Mk. auszu-
bezahlen seien. Das ist nur möglich auf Grund
eines vorläufig vollstreckbaren Urteils. Um den
Prozeß zu beschleunigen, ist es aber ratsam, vor-
läufig den Betrag von 800 Wk. einzuklagen unter
Vorbehalt aller weiteren Ansprüche. Eine
Forderung in dieser Höhe würde der Waler leicht
beweisen können, zumal wenn er Zeugen zur Ver-
fügung hat, die jene Aeußerungen gehört haben.
Was den Nest des von dem Waler geforderten
Preises anbelangt, so entscheidet hierüber nach ß 632
des Bürger!. Gesetzbuches die Usance. Der Waler
braucht nur zu beweisen, daß es allgemein üblich
und dem billigen Ermessen entsprechend sei, für ein
solches Bild s800 Wk. zu bezahlen. Kann der Waler
diesen Beweis durch Sachverständige erbringen, die
sich auf Verlangen des Gegners auch über die künst-
lerischen (Qualitäten des Bildes zu äußern hätten, so
möge er nur energisch seine Rechte geltend machen.
Uns selbst erscheint der Preis nicht zu hoch/zumal
wenn man bedenkt, daß in einem ähnlich gelagerten
Fall ein Wünchner Künstler 7000 Wk. verlangte.
Schließlich ist noch zu bemerken, daß in der oben
erwähnten Aeußerung zwar eine Anerkennung der
Bestellung, aber noch nicht der Größe und des Um-
fanges liegt. Ls wäre also noch zu ermitteln, ob
darüber Streit besteht, daß ein lebensgroßes Bild
bestellt wurde. Zst dies nicht der Fall oder kann der
Waler dies eventuell sicher beweisen, so braucht er
von seiner Forderung sich keinen Abzug gefallen
zu lassen.
Mbsrmals sm Vorschlag zur Kskorm
cler Jury.
W wieviel ist nicht schon über das Schalten und
Walten der Zury und Hängekommission der all-
zeitigen Kunstausstellungen geschrieben worden, wie-
viel Vorschläge sind nicht schon gemacht worden,
und bisher ist immer noch nicht das Nichtige ge-
troffen worden. Der Vorschlag des Herrn Porträt-
malers Anton Schöner zur Reform der Jury ist
ganz gewiß ein ausgezeichneter und läßt sich sehr
wohl mit demjenigen, den ich zu geben hätte, ver-
einen. Es mnfZ auch eine Aenderung der bestehen-
den Verhältnisse unter allen Umständen erfolgen,
denn der harten und bitteren Enttäuschungen gibt
es alle Zahre gar zu viele. Hunderte strebsame
Künstler werden glatt abgewiesen —- fast vernichtet
sind wieder alle Hoffnungen; oft bedarf es geraumer
Zeit, ehe sich eine Künstlerseele wieder aufrafft, mit
neuem Wut weiterzuschaffen, wir haben aber auch
gerade in letzten Zähren schon noch trübere Erfah-
rungen gehabt, ich erwähne nur die Selbstmorde
sehr talentierter Künstler! .... Nun aber zur Sache:
7U „Wer einen Namen hat, wer mit goldener
Wedaille gekrönt, wer zur Zury gehört, der hat so
ipso seine Werke untergebracht; aber die tausend
anderen Künstler, auch die keinem Verein an-
gehören, sie stehen alle Zahre wieder vor der Frage:
wie wird es in diesem Zahre mit der Ausstellung
werden? Die Jury soll daher gerecht sein, sie
soll nirbeernslnszt urteilen, wie kann sie das,
wie ist das möglich, wenn da der Name klar und
deutlich auf dem Werk zu lesen ist? — Den kenne
ich, heißt es da, der ist aus unserem Verein, sagt
der Andere, der Dritte ist ein Freund desselben und
der Vierte gar das Gegenteil!! — Da ist kein un-
beeinflußtes Urteilen möglich und hierin liegt der
wunde Punkt!! — wie ist dem abzuhelfen? Wo-
mit wir zu meinem Vorschlag gelangen, mit wel-
chen: ich viele Anhänger zu finden hoffe.
Die Anonymität der Einlieferung ist es,
welche ich in ganz entschiedener weise vertreten
Figur zu malen. Der Besteller und seine Frau be-
sprachen mit großem Aufwand an Worten ihre
Wünsche bezüglich des Bildes, nicht aber den Preis
desselben, über welchen Punkt auch nicht mit einem
Worte Erwähnung getan wurde. Wohl berührte
des Bestellers Frau so leichthin gelegentlich einmal
der Frau des Künstlers gegenüber die Frage, was
ein solches Bild wohl kosten würde, woraus jene
von dieser an ihren Gatten, den Künstler, gewiesen
wurde. Zu dieser Besprechung des Preises kam es
jedoch, wie schon erwähnt, nicht. Nachdem das ziem-
lich große Bild, welches einen sehr erheblichen Auf-
wand an Zeit erforderte, vollendet, präsentierte der
Waler seine Forderung mit s800 Wk., worüber die
Besteller auf das höchste erstaunten, indem sie be-
merkten, daß sie sich als Honorar den Preis von
nur 800 Wk. dachten. Die Besteller weigerten sich,
des Walers Forderung anzuerkennen, aus dem ein-
fachen Grunde, weil sie die Grenzen überstiege, welche
sie sich gezogen hätten.
„wie habe ich mich nun am besten zu ver-
halten," so fragt uns der Künstler, „um am schnell-
sten in den Besitz des Geldes zu kommen. Nicht
wahr, nach obiger Erklärung muß doch der Be-
treffende mir die volle, von mir geforderte Summe
bezahlen? Und dann — müßte er mir auf mein
verlangen nicht wenigstens die 800 Wk., wovon die
Rede war, vorläufig ohne weiteres auszahlen? was
habe ich zu tun?"
Diesem Tatbestands gegenüber ergibt
sich folgende Rechtslage und folgendes Ver-
fahren:
Auf den vorliegenden Fall kommen die 63 s,
632 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Anwen-
dung. Die Sache ist insofern verhältnismäßig ein-
fach, als nicht in Abrede gestellt wird, daß das
Bild bestellt wurde, wenn die Besteller angeben,
sie hätten sich bloß einen Preis von 800 Wk. ge-
dacht, so liegt darin ein außergerichtliches Aner-
kenntnis, das heißt: in dieser Aeußerung sind Tat-
sachen enhalten, welche für die gerichtliche Ent-
scheidung von größter Wichtigkeit sind. Sie machen
indes eine richterliche Entscheidung noch keineswegs
entbehrlich. Der Waler kann deshalb jetzt noch nicht
verlangen, daß ihm ohne weiteres 800 Mk. auszu-
bezahlen seien. Das ist nur möglich auf Grund
eines vorläufig vollstreckbaren Urteils. Um den
Prozeß zu beschleunigen, ist es aber ratsam, vor-
läufig den Betrag von 800 Wk. einzuklagen unter
Vorbehalt aller weiteren Ansprüche. Eine
Forderung in dieser Höhe würde der Waler leicht
beweisen können, zumal wenn er Zeugen zur Ver-
fügung hat, die jene Aeußerungen gehört haben.
Was den Nest des von dem Waler geforderten
Preises anbelangt, so entscheidet hierüber nach ß 632
des Bürger!. Gesetzbuches die Usance. Der Waler
braucht nur zu beweisen, daß es allgemein üblich
und dem billigen Ermessen entsprechend sei, für ein
solches Bild s800 Wk. zu bezahlen. Kann der Waler
diesen Beweis durch Sachverständige erbringen, die
sich auf Verlangen des Gegners auch über die künst-
lerischen (Qualitäten des Bildes zu äußern hätten, so
möge er nur energisch seine Rechte geltend machen.
Uns selbst erscheint der Preis nicht zu hoch/zumal
wenn man bedenkt, daß in einem ähnlich gelagerten
Fall ein Wünchner Künstler 7000 Wk. verlangte.
Schließlich ist noch zu bemerken, daß in der oben
erwähnten Aeußerung zwar eine Anerkennung der
Bestellung, aber noch nicht der Größe und des Um-
fanges liegt. Ls wäre also noch zu ermitteln, ob
darüber Streit besteht, daß ein lebensgroßes Bild
bestellt wurde. Zst dies nicht der Fall oder kann der
Waler dies eventuell sicher beweisen, so braucht er
von seiner Forderung sich keinen Abzug gefallen
zu lassen.
Mbsrmals sm Vorschlag zur Kskorm
cler Jury.
W wieviel ist nicht schon über das Schalten und
Walten der Zury und Hängekommission der all-
zeitigen Kunstausstellungen geschrieben worden, wie-
viel Vorschläge sind nicht schon gemacht worden,
und bisher ist immer noch nicht das Nichtige ge-
troffen worden. Der Vorschlag des Herrn Porträt-
malers Anton Schöner zur Reform der Jury ist
ganz gewiß ein ausgezeichneter und läßt sich sehr
wohl mit demjenigen, den ich zu geben hätte, ver-
einen. Es mnfZ auch eine Aenderung der bestehen-
den Verhältnisse unter allen Umständen erfolgen,
denn der harten und bitteren Enttäuschungen gibt
es alle Zahre gar zu viele. Hunderte strebsame
Künstler werden glatt abgewiesen —- fast vernichtet
sind wieder alle Hoffnungen; oft bedarf es geraumer
Zeit, ehe sich eine Künstlerseele wieder aufrafft, mit
neuem Wut weiterzuschaffen, wir haben aber auch
gerade in letzten Zähren schon noch trübere Erfah-
rungen gehabt, ich erwähne nur die Selbstmorde
sehr talentierter Künstler! .... Nun aber zur Sache:
7U „Wer einen Namen hat, wer mit goldener
Wedaille gekrönt, wer zur Zury gehört, der hat so
ipso seine Werke untergebracht; aber die tausend
anderen Künstler, auch die keinem Verein an-
gehören, sie stehen alle Zahre wieder vor der Frage:
wie wird es in diesem Zahre mit der Ausstellung
werden? Die Jury soll daher gerecht sein, sie
soll nirbeernslnszt urteilen, wie kann sie das,
wie ist das möglich, wenn da der Name klar und
deutlich auf dem Werk zu lesen ist? — Den kenne
ich, heißt es da, der ist aus unserem Verein, sagt
der Andere, der Dritte ist ein Freund desselben und
der Vierte gar das Gegenteil!! — Da ist kein un-
beeinflußtes Urteilen möglich und hierin liegt der
wunde Punkt!! — wie ist dem abzuhelfen? Wo-
mit wir zu meinem Vorschlag gelangen, mit wel-
chen: ich viele Anhänger zu finden hoffe.
Die Anonymität der Einlieferung ist es,
welche ich in ganz entschiedener weise vertreten