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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 30
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Eine deutsche Kunstausstellung in London
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Fahrenkrog, Ludwig: Ein Beitrag über das Ausstellungswesen unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0414

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Die Werkstatt der Kunst.

heft 30.

4W

Eine äeutscbe Kunstausstellung
in Lonäon.
Während der Monate Mai bis Juli wird in
London eine deutsche Kunstausstellung stattfinden,
welche von leitenden britischen Künstlern organisiert
wird. Besser als alle anderen Worte sagt das Ein-
ladungsschreiben, welches an die deutschen Künstler
gerichtet worden ist, aus welchem Grunde man jen-
seits des Kanals sich bewogen fühlt, diese Ausstel-
lung zu veranstalten. Da heißt es:
„hochgeehrter Herr Kollege! Wir gestatten
uns, zu Ihrer Kenntnis zu bringen, daß seit
langer Zeit in britischen Künstlerkreisen der Wunsch
wach ist, in passender Weise die Gefühle der
Anerkennung für die zahlreichen Auszeich-
nungen, welcher die Künstler unserer Na-
tion von seiten des Deutschen Reiches, der
deutschen Kollegen und des deutschen Pub-
likums gewürdigt wurden, zum Ausdruck
zu bringen. In dieser Gesinnung haben wir
uns zu einem Komitee vereinigt und einstimmig
beschlossen, von Mitte Mai bis Ende Juli dieses
Jahres eine deutsche Kunstausstellung in London
zu veranstalten. Ls ist unser Bestreben, hierdurch
die hervorragendsten Schöpfungen der zeitgenös-
sischen deutschen Künstler vor das britische Pub-
likum zu bringen."
Das unterzeichnete Grganisationskomitee setzt
sich zusammen aus: John Lavery, h Vorsitzender;
Walter Grane, 2. Vorsitzender; Frank Brangwyn,
George Llausen, Alfred Last, George Frampton,
L. Roscoe Mullins, Bertram jllriestman, Will
Nothenstein, Lonstance Smedley und T. Stirling
Lee, Schriftführer; L. h. Shannon, John Strang,
John M. Swan, Grosvenor Thomas, Isobel Dods
Withers, Alfred Withers, Lmery Walker.
Noch deutlicher als das obige Schreiben spricht
sich eine englische Zeitung, die „Morning host",
über das Verhältnis der britischen Künstler zu Deutsch-
land aus, indem sie es ohne Umschweife zugibt, daß
die Glasgow-Schule und die fortgeschrittensten Mit-
glieder der britischen Schule eiuen großen Teil ihres
schließlichen Erfolges Deutschland zu verdanken haben,
vor Jahren, so heißt es dort, wie die Zeitungen
berichten, schickten viele britische Künstler, welche in
ihrer Heimat damals unbekannt waren, ihre Bilder
auf die Staatsausstellung nach München, woselbst
sie mit Medaillen überhäuft und ihre Bilder
gekauft wurden. München hat diesen Künst-
lern tatsächlich ihren Namen gemacht. Dres-
den und andere Städte folgten, luden die englischen
Künstler zur Beschickung ihrer Ausstellungen ein mit
dem Ergebnis, daß heute iu jeder staatlichen Ga-
lerie einige englische Gemälde vorhanden sind. —
Die Veranstaltung dieser Ausstellung und die
vom Auslande selbst unumwunden gegebene Be-
gründung-des Unternehmens ist, wie kürzlich die von:
Hauptvorstande der Allgemeinen Deutschen Kunstge-

nossenschaft in der „Werkstatt der Kunst" veröffent-
lichte Ausstellungsstatistik, ein sehr lehrreicher Beitrag
zum Kapitel: „Internationale Kunstausstellungen in
Deutschland". Diese bevorstehende deutsche Kunst-
ausstellung in London liefert an einem Beispiele den
exaktesten Beweis, daß all das, was über die un-
geheure Bevorzugung des Auslandes in Deutschland
und über die bisher gänzlich fehlende Gegenseitig-
keit im Verhältnis des Auslandes zu uns die Künst-
ler in der „Werkstatt der Kunst" ausgesprochen haben,
nur zu sehr den Tatsachen entspricht und daß die
Verteidiger des bisherigen Systems in der Veran-
staltung internationaler Kunstausstellungen sich in
einer Position befinden, welche nicht zu halten ist.
In welcher Weise aber englischerseits nunmehr Gegen-
seitigkeit geübt werden könnte, lehrt die Tatsache,
daß allein die neue Pinakothek in München von ss)
neueren britischen Künstlern 23 Werke besitzt.
Ein beitrag über <äas AussteUungs-
nesen unserer 2eit.
Wenn wir die einzelnen Stimmen, welche sich
in Bezug auf das Ausstellungswesen unserer Tage
hier verlauten ließen, auf ihren letzten, sachlich be-
rechtigten Kern hin untersuchen, so ergibt sich, daß
jeder als Glied der Kunstgenossenschaft nicht nur,
sondern auch als Mensch und Künstler überhaupt
das Recht beansprucht: das was er zu sagen hat,
seine Werke, seine Arbeit vor das Forum der Oeffent-
lichkeit bringen zu dürfen, ganz gleichgültig, ob er
sich hiermit blamiert oder nicht. Geffentliches
Verfahren!
Meiner Meinung nach kann kein Großer oder
Kleiner dieses Recht bestreuen. Es kommt auch gar
nicht hierbei in Betracht, ob einer groß oder klein
ist; das ist eine Zeitfrage. Wesentlich wichtiger
wäre eine andere Frage, nämlich die: „Verträgt
sich das Interesse der Kunst an sich mit oben ge-
stellter Forderung?" hierauf antworte ich ohne
weiteres mit: „Ja!" . . . Jawohl nicht nur dies,
soudern es liegt geradezu im Interesse der Kunst
überhaupt, daß jeder, sei es, wer es sei, in öffent-
lichen Ausstellungen zu Worte komme.
Es ist Regel, daß jene, welche heute oder
morgen obenauf sitzen, zumeist keine neuen Offen-
barungen mehr enthüllen. Lin wenig mehr so oder
so, lassen sie uns selten mehr stutzen. Aus der
breiten Maße der Abgewiesenen kann uns aber das
heil kommen, oder sollten wir vergessen, daß unter
den heut Gefeierten auch einige sitzen, welche s. Z.
an der Jury krankten? Oder wollen wir glauben,
daß eine xbeliebige Jury von heute einwandfreier
sei wie eine von anno dazumal? Tatsachen reden.
Diese lassen sich auch anführen. Es ist nun selbst-
verständlich : Existiert allgemeine Ausstellungsfreiheit,
so wird auch eine heillose Fülle von Belanglosig-
keiten präsentiert werden, schlimme Sachen, welche
der Kunst nach keiner Seite hin dienen. Können
 
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