Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/1906
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DOI Heft:
Heft 45
DOI Artikel:Unser Sachverständiger bei Gericht
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OlL Werkstatt der Mm st
keäakleui". I)emrlcb ZteinbLA.
V. Iakrg. 45. X 24. Kugust 1906.
In cUesern r^eile unserer LeitsckrNt erteilen vNr j ectern Künstler clLS freie Mort. Mir sorgen ciafür, ctas tunii^st keinerlei
Angriffe auf Personen ocier SenossensckLsten abgeciruckt xverclen, okne cisss vorder cier Angegriffene ctie MSgliÄikeit gekabt
KLtte, in ciernselben IZeNe;u errviäern. Vie Redaktion kält si<k vollstänclig unparteiisck uncl gibt ciuriD clen Abdruck keineswegs
.—eine vebereinstirnrnung niit clen suk cliese Meise vorgetragenen Meinungen zu erkennen.
Das nächstfolgende L)eft der „Werkstatt der Aunstch Nr. 46, erscheint am 3. September.
Anser Sacbverstänäiger bei Gericbt.
Von ei n em Rüil st ler wird uns geschrieben:
In Heft H2 der „Werkstatt der Kunst" veröffent-
lichen Sie einen sehr interessanten Artikel, „Das Recht
des Künstlers". Ich bin überzeugt, daß Sie damit
eine hochwichtige Frage aufgerollt haben, deren jede
Beantwortung jeder Künstler mit Spannung ver-
folgen wird, was nun die Tätigkeit des Sachver-
ständigen bei Gericht anbetrifft, welche im zweiten
Teile des genannten Aufsatzes in Heft HZ haupt-
sächlich berührt wird, so hängt mit dieser Tätigkeit
eine Grund- und Kardinalfrage wohl ganz unmittel-
bar zusammen, nämlich:
Nach welchen Grundsätzen allein dürfte ein Sach-
verständiger über künstlerische Leistungen (im engeren
Sinne über moderne Gemälde und Elastiken) sein
Gutachten abgeben?
Diese Frage ist, meines Trachtens wenigstens,
von solch' großer Wichtigkeit, daß dieselbe wohl hier
einer eingehenden Beleuchtung unterzogen werden
muß. Fassen wir zu diesem Zwecke zunächst nur den
ziemlich häufigen Fall ins Auge, wenn bei einem
Auftrag eine vorherige Vereinbarung des Preises
nicht stattgefunden hat und nun der Sachverständige
sich über den geforderteil Preis äußern soll.
Da bei künstlerischen Leistungen eine Taxe im
Sinne des 632 des B.G.B. nicht existiert, so gibt
es meines Trachtens nur eine Grundlage für den
Sachverständigen, um bei Gericht den wert einer
künstlerischen Leistung zu bemessen und zwar:
„Der wert einer künstlerischen Leistung richtet
sich nach den von dem Urheber bisher erzielten
Preisen seiner früheren Leistungen und nach dem
Verhältnis, in welchem der strittige Gegenstand zu
den früheren Arbeiten steht. Hierbei haben mit-
zusprechen: Die Größe, der Gegenstand des Bildes,
die Wenge der Partien, welche, wie z. B. Fleisch
bei Gemälden, eine besondere Aufmerksamkeit in
der Behandlung erfordern, sowie in welchem Maße
die besonderen guten Tigenschafteil, welche den
Ruf des Künstlers namentlich auszeichnen, in dem
Gegenstand zum Ausdruck gelangen, z.B. bei diesem
die Farbe, dererwegen der eine, bei jenem die Zeich-
nung, wegen welcher der anderewaler berühmt ist."
Nehmen wir einen Fall an, welchen uns am
besten ein Figurenmaler bietet: Lin junger Künst-
ler mit angehendem guten Rufe hätte bisher für
seine Porträts durchschnittlich 2000 wk. pro Auf-
trag erzielt, wobei Herren- und Damenporträts ge-
dacht sind, in der Größe von ungefähr 70—80 cm,
als Brustbild mit einfachem, glatten Hintergrund und
einfacher Gewandung. Der angeführte Preis ist für
gute Leistungen ein durchaus der Wirklichkeit ent-
sprechender. Tin reicher Kunstliebhaber gibt nun
besagtem Künstler den Auftrag, für seinen Rlusik-
salon eine nackte weibliche Figur zu malen, die
Musik darstellend, genehmigt die ihm vorgelegten
Entwürfe, unterläßt es aber, einen Preis mit dem
Künstler zu vereinbaren. Der Künstler entledigt sich
seiner Aufgabe sehr gut. Tr malt eine nackte weib-
liche Figur, mit kostbaren seidenen Stoffen und Schmuck,
inmitten einer schönen Landschaft, in bestellter Größe,
das ist ein Bild in einer Länge von 2 m, in einer
Höhe von H50 m. wegen des geforderten Preises
von sOOOOMk., um eine beliebige Summe zu nennen,
kommen die Parteien in Streit. Obgleich das Bild
sehr schön ist, so liegt doch noch keine ähnliche,
frühere, bestellte oder verkaufte Arbeit des betreffen-
den Künstlers vor, mit welcher der geforderte Preis
verglichen werden könnte. Auf welchen Grundlagen
hat sich nun hier, wenn dem Künstler Recht ge-
schehen soll, das Gutachten des Sachverständigen
aufzubauen? Ich antworte: s. wie verhalten
sich die Maße des bestellten Bildes zu den früher
geschaffenen Porträts des Künstlers? 2. welche
Aufgaben waren bei den früheren Arbeiten, welche
jetzt zu läsen? 3. welche Schwierigkeiten z. B. bietet
es, im Vergleich mit dem Brustbild eines Porträts,
eine ganze Figur schön in den Raum hineinzustellen?
welche andere Fragen haben noch mitzusprechen?
Zum Beispiel die Lösung der Aufgabe, die perso-
nifizierte Musik zur Darstellung zu bringen? Die
Landschaft und das übrige Beiwerk damit in Ein-
klang zu bringen? wie viele und wie große Teile
beanspruchen eine besondere Behandlung? An Fleisch
war z. B. hier eine unverhältnismäßig größere Partie
zu malen als nur bei dem Kopf der oben ange-
führten Porträts. Ts kommen ferner seidene Stoffe
hinzu, Schmuck und Landschaft: kurz, die ganze
große Leinwand erforderte an jeder Stelle eine ein-
gehende Behandlung. Nirgends war es möglich,
keäakleui". I)emrlcb ZteinbLA.
V. Iakrg. 45. X 24. Kugust 1906.
In cUesern r^eile unserer LeitsckrNt erteilen vNr j ectern Künstler clLS freie Mort. Mir sorgen ciafür, ctas tunii^st keinerlei
Angriffe auf Personen ocier SenossensckLsten abgeciruckt xverclen, okne cisss vorder cier Angegriffene ctie MSgliÄikeit gekabt
KLtte, in ciernselben IZeNe;u errviäern. Vie Redaktion kält si<k vollstänclig unparteiisck uncl gibt ciuriD clen Abdruck keineswegs
.—eine vebereinstirnrnung niit clen suk cliese Meise vorgetragenen Meinungen zu erkennen.
Das nächstfolgende L)eft der „Werkstatt der Aunstch Nr. 46, erscheint am 3. September.
Anser Sacbverstänäiger bei Gericbt.
Von ei n em Rüil st ler wird uns geschrieben:
In Heft H2 der „Werkstatt der Kunst" veröffent-
lichen Sie einen sehr interessanten Artikel, „Das Recht
des Künstlers". Ich bin überzeugt, daß Sie damit
eine hochwichtige Frage aufgerollt haben, deren jede
Beantwortung jeder Künstler mit Spannung ver-
folgen wird, was nun die Tätigkeit des Sachver-
ständigen bei Gericht anbetrifft, welche im zweiten
Teile des genannten Aufsatzes in Heft HZ haupt-
sächlich berührt wird, so hängt mit dieser Tätigkeit
eine Grund- und Kardinalfrage wohl ganz unmittel-
bar zusammen, nämlich:
Nach welchen Grundsätzen allein dürfte ein Sach-
verständiger über künstlerische Leistungen (im engeren
Sinne über moderne Gemälde und Elastiken) sein
Gutachten abgeben?
Diese Frage ist, meines Trachtens wenigstens,
von solch' großer Wichtigkeit, daß dieselbe wohl hier
einer eingehenden Beleuchtung unterzogen werden
muß. Fassen wir zu diesem Zwecke zunächst nur den
ziemlich häufigen Fall ins Auge, wenn bei einem
Auftrag eine vorherige Vereinbarung des Preises
nicht stattgefunden hat und nun der Sachverständige
sich über den geforderteil Preis äußern soll.
Da bei künstlerischen Leistungen eine Taxe im
Sinne des 632 des B.G.B. nicht existiert, so gibt
es meines Trachtens nur eine Grundlage für den
Sachverständigen, um bei Gericht den wert einer
künstlerischen Leistung zu bemessen und zwar:
„Der wert einer künstlerischen Leistung richtet
sich nach den von dem Urheber bisher erzielten
Preisen seiner früheren Leistungen und nach dem
Verhältnis, in welchem der strittige Gegenstand zu
den früheren Arbeiten steht. Hierbei haben mit-
zusprechen: Die Größe, der Gegenstand des Bildes,
die Wenge der Partien, welche, wie z. B. Fleisch
bei Gemälden, eine besondere Aufmerksamkeit in
der Behandlung erfordern, sowie in welchem Maße
die besonderen guten Tigenschafteil, welche den
Ruf des Künstlers namentlich auszeichnen, in dem
Gegenstand zum Ausdruck gelangen, z.B. bei diesem
die Farbe, dererwegen der eine, bei jenem die Zeich-
nung, wegen welcher der anderewaler berühmt ist."
Nehmen wir einen Fall an, welchen uns am
besten ein Figurenmaler bietet: Lin junger Künst-
ler mit angehendem guten Rufe hätte bisher für
seine Porträts durchschnittlich 2000 wk. pro Auf-
trag erzielt, wobei Herren- und Damenporträts ge-
dacht sind, in der Größe von ungefähr 70—80 cm,
als Brustbild mit einfachem, glatten Hintergrund und
einfacher Gewandung. Der angeführte Preis ist für
gute Leistungen ein durchaus der Wirklichkeit ent-
sprechender. Tin reicher Kunstliebhaber gibt nun
besagtem Künstler den Auftrag, für seinen Rlusik-
salon eine nackte weibliche Figur zu malen, die
Musik darstellend, genehmigt die ihm vorgelegten
Entwürfe, unterläßt es aber, einen Preis mit dem
Künstler zu vereinbaren. Der Künstler entledigt sich
seiner Aufgabe sehr gut. Tr malt eine nackte weib-
liche Figur, mit kostbaren seidenen Stoffen und Schmuck,
inmitten einer schönen Landschaft, in bestellter Größe,
das ist ein Bild in einer Länge von 2 m, in einer
Höhe von H50 m. wegen des geforderten Preises
von sOOOOMk., um eine beliebige Summe zu nennen,
kommen die Parteien in Streit. Obgleich das Bild
sehr schön ist, so liegt doch noch keine ähnliche,
frühere, bestellte oder verkaufte Arbeit des betreffen-
den Künstlers vor, mit welcher der geforderte Preis
verglichen werden könnte. Auf welchen Grundlagen
hat sich nun hier, wenn dem Künstler Recht ge-
schehen soll, das Gutachten des Sachverständigen
aufzubauen? Ich antworte: s. wie verhalten
sich die Maße des bestellten Bildes zu den früher
geschaffenen Porträts des Künstlers? 2. welche
Aufgaben waren bei den früheren Arbeiten, welche
jetzt zu läsen? 3. welche Schwierigkeiten z. B. bietet
es, im Vergleich mit dem Brustbild eines Porträts,
eine ganze Figur schön in den Raum hineinzustellen?
welche andere Fragen haben noch mitzusprechen?
Zum Beispiel die Lösung der Aufgabe, die perso-
nifizierte Musik zur Darstellung zu bringen? Die
Landschaft und das übrige Beiwerk damit in Ein-
klang zu bringen? wie viele und wie große Teile
beanspruchen eine besondere Behandlung? An Fleisch
war z. B. hier eine unverhältnismäßig größere Partie
zu malen als nur bei dem Kopf der oben ange-
führten Porträts. Ts kommen ferner seidene Stoffe
hinzu, Schmuck und Landschaft: kurz, die ganze
große Leinwand erforderte an jeder Stelle eine ein-
gehende Behandlung. Nirgends war es möglich,