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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 29
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Schnars, Alfred: Einige Gedanken über Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0401

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OlL Werkstatt -er MM

sseäakiem: Hemrick Stsinback.

V. ILkrg. Hskt 29. * 16. April 1906.

In cUesern ^eUe unserer LsUsckrMl erteilen wir j e ciern llü n siler cias freie Mort. Mir sorgen clasür, cias tunli^tst keinerlei
Angriffe auf Personen oäer 6enossensÄ>asten sbgeclruckl veercten, okne class vorder cler Angegriffene äie Mögliätkeit geksbt
KLtt«, in äernselben IZefte zu erwidern. Oie keclaktion kält sicd vollstsnclig unpsrteiisck uncl gibt ciurck cien Tlbciruck keineswegs
— eine llebereinstirnrnung rnit cien aus ciiese Meise vorgetragenen lQeinungen zu erkennen. —

Einige Geclanken über Malerei. )
von Kttreä Za>naars in Freiburg i. Br.

Die jetzige Malerei wirkt im allgemeinen wie
ein Herumreiten auf der pleinairanschauung der
Franzosen Manet, Monet rc. und falsch ist es, finde
ich, für diese einseitige Anschauung als alleinseelig-
machende und als einzigsten weg zur höchsten Kunst
die Trommel zu rühren, wie es heute geschieht.
Näher betrachtet, wird inzwischen bei uns die kon-
sequente Naturbeobachtung dieser Franzosen gar nicht
eingehalten. Dieses Spielen mit den Reflexvariati-
onen der Natur, diese Erscheinung in übertriebenem
Sinne zu veranschaulichen, den Lüster der Natur
als spezielle hochwichtige Bedeutung zu sehen und
krämerhaft es so weit zu treiben, daß die Größe des
Gegenstandes fürs Auge und seelisch seiner bedeu-
tungsvollen Erscheinung beraubt wird — das ist der
verbohrte Weg, der jetzt so häufig zu finden ist.
Es find nur wenige, welche auf diesem Wege nicht
ganz oder teils mitlaufen. Das starke Aufträgen
der Farben ist wohl durch das hastige Arbeiten in
der Landschaftsmalerei entstanden. Das fast spezielle
Sehen nur der Farbe an einem Gegenstände, aller
einzelnen Zufallserscheinungen bezw. aller Zufällig-
keiten der Reflexe durch das Licht, dieser fanatische
kleinliche Realismus muß unbedingt ein Manko an
Form zur Folge haben. Statt der Materie entsteht
eine Farbenmasse, nicht ein sinnvoller Auszug, wie
es doch nur bei dem beständigen Wechsel des Lichtes
möglich ist. Es fehlt der große Gesamtton, wie ein
solcher bei allen Alten vorhanden war, welchen zu
verwahrheitlichen wohl der eigentliche Fortschritt
wäre in der Malerei. Und diesen willen finde ich
bei dem verstorbenen Hans v. Marees, auf den ich
später noch zu sprechen komme. Aber obige erwähnte
kleinliche Auffassungsart gibt ein Labyrinth von ein-
zelnen Färbchen, eben dieser Details der großen
Gesamterscheinung — und diese in geradezu woll-
lüstiger Uebertreibung, wobei als Eigentümlichkeit zu
bemerken ist, daß auch derselbe weg sich in der
Literatur bemerkbar macht. Line Gesamtfarbe kann
immerhin eine geistige Potenz des Naturgegenstandes
geben, während eine Uebertreibung der einzelnen
Bestandteile des Ganzen nur ein Zerreißen des
Ganzen zur Folge haben muß. Da wundern sich
dann die Künstler, daß das Publikum diese moderne

H Unlieb wiederholt zurückgestellt. Die Schriftleitung.

Malerei nicht verstehen will, wenn das Publikum
vor einem Manet verständnislos gestanden hat, so
ist es heute wohl vielfach ein unbilliges verlangen,
daß das Publikum ein sinnloses Geschmiere von
Malerei verstehen soll. Manet hat freilich eine klare
Handschrift geführt. Sein Bild (Blick durch einen
beschatteten Garten auf eiu hellsonnig beleuchtetes
Haus), das ist freilich in seiner Art etwas Großes
und wird wohl schwer seinesgleichen finden. Aber
ein genügend großes Beispiel für dieses Ziel wäre
doch der große Velasquez. Bei ihm ist jeder Lüster
des vibrierenden Lichtes, die als Licht umflossene Ma-
terie vollkommen gelöst, ohne daß diese Feinheiten
und Reize das große Ganze zerstören. Aber es heißt
nur, dieses wären die großen Vorbilder; in Wirk-
lichkeit hängen so viele junge Künstler am Gängel-
band der Extravaganzen und Experimente, welche
sich die heutigen Meister erlauben, und kommen so-
mit von ihrer eigenen Persönlichkeit ab bezw. von
einem klaren Denken. Die Ruhe und Größe ist ja
freilich nicht das Zeichen unserer Zeit, es regiert
die Spekulation.
„Böcklin ist kein Künstler", wird als Extra-
blatt vom Kunstschriststeller in die Welt gerufen,
„Thoma ein Dilettant". — Zch glaube gerne, daß
manchen heutigen Meistern von gutem Können,
welche als Größen immer noch nicht genannt werden,
diese beiden, Böcklin und Thoma, ein Dorn im
Auge find.
Kann doch Böcklins „Pan im Schilf" und „Pan
erschreckt einen Hirten", welche wohlweislich in dem
Kriege gegen ihn nicht recht erwähnt werden, nie-
mand das vibrierende warme Sonnenlicht, Schön-
heit der Farbe und Wahrheit der Materie und der
Form absprechen. Der „Pan im Schilf" kann neben
jedem Manet und Monet ro. hängen und würde sich
glänzend halten. Das Bild besitzt neben äußerlich
wahrer Erscheinung auch seelischen Gehalt. Es geht
über die äußerliche Wiedergabe der Natur hiuaus.
Zst wohl dieser oder jener der Franzosen in der
Tonerscheinung Heller, so fehlt doch ein überzeugen-
der Ausdruck des Materiellen und der Form. Die
Wiedergabe der richtigen Töne, Helligkeiten und
Dunkelheiten in der Natur, ist doch nicht das End-
ziel eines Künstlers, wenn auch uoch Geschmack und
viel Können dazukommt. Das kann nur einen wahr-
 
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