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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 42
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Die Kunst im Bayerischen Landtage
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0582

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Die Werkstatt der Kunst.

Heft 42.

dann ist es notwendig, daß ein neues Kunstausstellungs-
gebäude geschaffen wird. Der idealste Platz nach der überein-
stimmenden Anschauung der Künstler wäre hiefür die Stelle
des Glaspalastes mit dem Botanischen Garten, und zwar
für einen Bau im Pavillonsystem, wir sind in diesem Punkte
überholt von Dresden, Berlin, Frankfurt, Köln. Die Stadt
München würde sicher nicht zögern, mit beträchtlichen Mitteln
einzuspringen. Mit einem derartigen Gebäude wäre unend-
lich viel gewonnen. Ls wäre außerordentlich zu begrüßen,
wenn z. B. gerade der jungen, aufstrebenden Gesellschaft für
angewandte Kunst, die sich die Einführung der Kunst in
unsere Wohnungen zur Aufgabe gemacht, dadurch eine Heim-
stätte bereitet werden könnte. Auch die Sezession könnte dann
leicht untergebracht werden. Unser Glaspalast ist für der-
artige Zwecke ein vollständig veraltetes Gebäude, stimmungs-
los, unelegant, naß und kalt im Winter, ohne genügende
Ventilation im Sommer. Er ist ursprünglich als Provisorium
gebaut worden. Dieser Pflicht hat er ehrlich und redlich ge-
dient, und niemand weint ihm eine Träne nach, wenn er
ins Grab sinkt. Den künstlerischen Ruf, den München fo
mühsam sich errungen, durch diese Mängel bedroht zu sehen,
das wollen wir verhüten.
Abg. v. Vellmar (Soz.): Ich halte cs für eine Ano-
malie, daß von der Akademie der bildenden Künste die Frauen
ausgeschlossen sind, und trete dafür ein, daß in der Akademie
beide Geschlechter gleichgestellt werden. In der alten Pina-
kothek wäre noch eine Reihe von Lücken auszufüllen; speziell
jüngere Meister müßten noch erworben werden. Die Klagen
über die Neue Pinakothek sind schon seit Jahren in diesem
Hause an der Tagesordnung. Ein Hauptfehler dieser Samm-
lung ist der Platzmangel. Unter vielen minderwertigen
Sachen verschwindet das Hervorragende. Der Platzmangel
geht soweit, daß eine Reihe von angekauften Bildern gar
nicht aufgehäugt werden können. Man hat es hier mit
einen: willkürlich zusammengehängtcn Bildermagazin zu tun,
statt mit einer systematischen Sammlung. Die Neue Pinako-
thek ist eine der mangelhaftesten Sammlungen in Deutschland.
Daran ändert auch der Zuschuß des Staates und der gute
Wille der Ankaufskommission nichts. Man soll nicht meinen,
daß das vom Staate zugeschossene Geld unter allen Um-
ständen regelmäßig zum Ankauf in Ausstellungen verwendet
werden muß. Beinr Mangel von geeigneten Bildern soll
man auch nicht zurückschrecken, das Geld zu reservieren. Es
ist besser geworden in der letzten Zeit, aber der leitenden
Persönlichkeit sind die Hände zu stark gebunden. Und gerade
hier wäre persönliche Initiative am meisten am Platze. Die
leitenden Persönlichkeiten sollten die Freiheit haben, möglichst
viel zu reisen, nicht nur, um sich zu bilden, sondern auch
um Bilder ausfindig zu machen und sie zu günstigen Be-
dingungen zu erwerben. Also, das Ankaufssystem muß ge-
ändert werden, wenn die historische Ausstattung der Pinakothek
nicht dem Zufall überlassen werden soll. Der Hauptfehler
ist in der Grganisation der Verwaltung gelegen. Tüchtigen,
verantwortlichen Leitern müßte größere Freiheit gegeben
werden, Vorschläge zu machen, und die Ankaufskommission
muß ans wirklichen Kunstkennern zusammengesetzt sein.
Kultusminister Or. V. Wehner: Der Anbau au die
Akademie der Künste ist ein alter Wunsch, wenn es die
Verhältnisse gestatten, so ist die Errichtung eines solchen An-
baues durchaus nicht ausgeschlossen. Die Erhaltung bewährter
Künstler liegt der Regierung sehr am Herzen. Ls ist der
Regierung auch gelungen, viele bewährte Kräfte in München
znrückzuhalten bezw. wieder zurückzuberufen. Allein die
Stellen an der Akademie sind eben nicht allzu zahlreich. Die
Künstlerinnen an der Akademie zuzulasfen, ist unmöglich
wegen des Raummangels. Die Mißstände an der Neuen
Pinakothek hängen insbesondere mit dem Bau zusammen.
Ein radikales Mittel wäre ein Neubau; aber wo? Ein
neues Pinakothekgebäude müßte im Zusammenhang mit
der Alten und Neuen Pinakothek erstehen, von sehr sach-
verständiger Seite wurde mir der Gedanke an die Aeberbau-
ung des Areals der Alten Pinakothek ganz energisch wider-
raten. wie soll nun dem zweifellos bestehenden Raummangel

an der Neuen Pinakothek abgcholfen werden? Ich beab-
sichtige, einen Teil der Bilder in die Provinzialgalerien zu
bringen, aber jene Werke, welche für die Darstellung der
Entwicklung der Kunst von besonderer Bedeutung sind, sollen
in München zurückbehalten werden. Es ist auch schon Auf-
trag ergangen, jene Provinzialgalerien ausfindig zu machen,
in denen die Bilder untergebracht werden können. Dadurch
wird die Neue Pinakothek entlastet, deren künstlerische Wir-
kung wird gehoben, und den Provinzialgalerien wird ein
Zuwachs verschafft. Das Antiquarium, das gegenwärtig im
Parterre der Neuen Pinakothek untergebracht ist, soll in dem
Neubau der Universität untergebracht werden, wodurch mehrere
große und zweckmäßige Räume gewonnen werden, die eine
große Anzahl von Bildern aufnehmen können. Es wird
dann auch möglich sein, die Bilder besser aufzustellen, als
es bisher möglich war. wenn man an eine Aenderung
der Grganisation der Kunstsammlungen überhaupt gehen
will, so muß davon ausgegangen werden, daß den Samm-
lungsvorständen möglichst weitgehende Macht eingeräumt und
von der Bildung von Sachverständigen-Kommissionen Um-
gang genommen wird. Damit ersteht aber die Gefahr der
Einseitigkeit. Ich werde der Angelegenheit im Laufe des näch-
sten Jahres nähertretcn, da auch im Jahre WO? die Amts-
dauer der Generalkommission aufhört. Ich habe schon daran
gedacht, ob es sich nicht empfiehlt, für die gemeinschaftlichen
Angelegenheiten der Museen eine Art Generalkommission ins
Leben zu rufen und für die einzelnen Sammlungen Spezial-
kommissionen, die namentlich die Ankäufe zu beraten hätten.
Es könnte dann auch für alle Museen dieselbe Besuchszeit
eingeführt werden. Die Anregung, ein neues Kunstaus-
stellungsgebäude zu errichten, beschäftigt mich schon seit
Jahren. Ich werde diesen Dingen meine volle Aufmerksam-
keit zuwenden. Daß die Alte Pinakothek einer Ergänzung
bedarf, ist auch meine Anschauung. Die Ergänzung ist sehr-
schwierig; aber wir haben die Augen offen, wenn ein Bild
auf dem Markt erscheint, das für uns paßt. Entgegen den
Anschauungen des Abg. Fischer bin ich der Meinung, daß
München hinsichtlich der modernen Kunst in Deutsch-
land nach wie vor an erster Stelle steht. Der Regie-
rung liegt nichts ferner, als die Kunst als Aschenbrödel zu
behandeln. Im Gegenteil erachtet sie die Förderung der
Kunst als eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Die
Förderung der Kunst kann aber nicht in Bevor-
mundung bestehen. Die Regierung kann nicht dar-
über dekretieren, was und wie die Kunst sch affen soll.
Die Kunst kann uur in freier Luft gedeihen.
Deswegen nimmt auch die Regierung den einzelnen künst-
lerischen Korporationen gegenüber eine unparteiische Stel-
lung ein. Diese Haltung der Regierung trägt dazu bei, daß
sich die Beziehungen innerhalb der Künstlerschaft so fried-
lich gestaltet haben. Die Regierung wird alles tun, was
möglich ist, damit München aus seiner vorherrschenden Stel-
lung im Kunstleben nicht hinausgedrängt wird.
Nm einige Momente aus den vorstehenden Aus-
führungen kurz herauszugreifen, so halten wir mit
vielen anderen die Berufungen bedeutender Künstler
von hier nach anderen Mrten durchaus nicht für
so bedauerlich, wie es in der Rede des Abgeord-
neten Fischer zum Ausdruck kam. Jin Gegenteil sind
wir der Meinung, daß man die Berufenen doch ge-
trost ziehen lassen möge, damit es ihnen besser er-
gehe als in München, woselbst der kolossale und
sich fortgesetzt ergänzende Ueberschuß an künstlerischen
Kräften um jeden Tag des Daseins gar gewaltig
zu kämpfen hat. Neber die Berechtigung der an
der Neuen Pinakothek von den beiden Rednern ge-
übten Kritik ist weiter kein Mort zu verlieren, je-
doch zu behaupten, daß München auf dein Gebiete
der Malerei sein Prestige eingebüßt habe, das ver-
 
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