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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 46
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Die Kunst im bayerischen Landtage
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0638

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634

Die Werkstatt der Kunst.

heft 46.

Anerkennung gekommen ist: welchen unendlichen wert näm-
lich die pflege der Aunst und des Kunstgewerbes für das
Land hat. Ls werden deshalb überall Anstrengungen ge-
macht, uns zu überflügeln, und wir sind leider durch unsere
Finanzlage gehemmt, Schritt für Schritt weiter zu gehen
und unsere Stellung zu erhalten, die wir zuvor hatten. Ls
wäre daher sehr wünschenswert, wenn an Stelle des Glas-
palastes Aunstausftellungsbauten in verschiedenen Finanz-
perioden aufgeführt würden, um den Glaspalast noch so lange
zu erhalten, als er zu erhalten ist. Ich kann nicht umhin,
auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Ich möchte wissen,
wer die Verantwortung tragen würde, wenn dieser Bau, der
mit zehnjähriger Garantie hergestellt worden ist, einmal ein-
stürzen würde.
Ls war auch die Rede von den Kunsthistorikern
und den Künstlern. Ls ist das ein sehr schwieriges Thema,
und der Minister bemerkte ganz richtig, man solle jedem
das Scinige lassen. Die Kunsthistoriker sehen manchmal auf
die Künstler herab, was Verstimmungen hervorruft. Wir
brauchen beide; wenn es keine Künstler gegeben hätte, gäbe
es keine Kunsthistoriker, und ich glaube, wenn ein gemein-
sames Arbeiten zwischen den Künstlern und den Kunsthisto-
rikern in den Sammlungen und Galerien stattfindet, so wird
das zum großen Gedeihen der Kunst sein. Ls ist das eine
Beruhigung für die Künstler, aber vor allem auch für das
Land; denn es ist eines der vornehmsten Reservatrechte
Bayerns seit Hunderten und Hunderten von Jahren, Führer
in der Kunst und im Kunstgewerbe zu sein. Möge das Land
und die Regierung zusammenhelfen, daß dieses Reservatrecht
uns erhalten bleibe!
Ferdinand v. Miller befürwortet also einen
Lrgänzungsbau der Akademie der bildenden Künste
zu Gunsten der Bildhauer, einen reichlich bemessenen
Dispositionsfonds, um hervorragende Künstler mit
Aufträgen bedenken zu können, eine Einschränkung
der Ankäufe zu Gunsten wirklich bedeutender Kunst-
werke, einen Anbau an die Neue Pinakothek, neue
Ausstellungsbauten an Stelle des Glaspalastes, ge-
meinsame friedliche Wirksamkeit von Künstlern und
Kunsthistorikern in unseren Galerien und Museen,
wenn diese Forderungen erfüllt werden, so könne
es, das ist der Sinn der Rede, nicht daran fehlen,
daß München wie bisher, das Haupt der deutschen
Kunst bleibe.
was die große Rede des Prinzen Rupprecht
anbetrifft, so haben wir deren allgemeine höhere
Bedeutung, welche sie mit Beziehung auf das Kunst-
leben in München besitzt, bereits charakterisiert. Im
einzelnen befürwortete der Prinz ebenfalls die Schaf-
fung eines Dispositionsfonds und hielt die einheit-
liche Leitung der Münchener Staatssammlungen
unter einem Generaldirektor als sehr wünschenswert.
Ein Hand- in Hand-Arbeiten von Künstlern und
Kunsthistorikern in unseren Galerien und Museen,
die künstlerische Beihilfe und den künstlerischen Bei-
rat für die Tätigkeit der Kunsthistoriker betrachtet
auch der Prinz als „ganz selbstverständlich" und
„unumgänglich notwendig", was aus diesem Munde
zu vernehmen die Künstler mit Befriedigung ver-
zeichnen mögen.
Sodann führte der Redner aus:
Herr v. Miller hat schon erwähnt, daß es bei An-
schaffung neuer Kunstwerke vom Uebel sei, wenn man jedes
Jahr sämtliche Richtungen berücksichtigen wollte. Einmal
produziert eben diese, ein andermal jene Richtung besonders

gute Bilder. Diese Gefahr wird aber großgezogen durch die
großen Kunstausstellungen. Direktor Tschudi in Berlin ist
in der Auswahl der Bilder ganz frei, und faktisch hat die
Berliner Nationalgalerie stets gut eingekauft. Ich habe schon
erwähnt, unsere Ausstellungen sind manchmal sehr groß, ja
manchmal zu groß. Diese Ansicht wird auch in Künstler-
kreisen geteilt. Ls wirkt so eine Ausstellung geradezu er-
drückend und abstumpfend auf die Nerven. Line solche Aus-
stellung könnte sogar direkt verschlechternd auf die Produktion
wirken, indem die Künstler sich abhetzen, um ja noch Bilder
in die Ausstellung zu bringen, andere aber, und nicht die
schlechtesten, sich überhaupt an den Ausstellungen nicht mehr
beteiligen. Dieser Mißstand der allzu großen Ausstellungen
ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß der Glasxalast zu
große Räume bietet. Mit der Summe, welche die Künstler-
genossenschaft schon in den Glaspalast hineingebaut hat — es
ist das vielleicht über eine Million — hätte man etwas ganz
anderes leisten können. Sehr erfreut bin ich darüber, daß
der Minister dem Plane nähergetreten ist, den Botanischen
Garten nach auswärts zu verlegen, wie das auch anderwärts
der Fall ist. Lr kann ohne Beanstandung bis in das Ge-
biet des Vorortsverkehrs hinausverlegt werden, wenn ein
neues Kunstausstellungsgebäude errichtet werden sollte,
so wäre mir der Plan des Herrn v. Miller sehr sympathisch,
nämlich das Pavillonsystem, so daß je nachdem größere und
kleinere Ausstellungen, und zwar in Permanenz, stattfinden
können, wir hatten dieser Tage eine interessante Meunier-
Ausstellung. Günstig war der alte Rathaussaal hiefür nicht.
Bei dem Pavillonsystem könnte man Atelierausstellungen
schaffen, kleine und große Ausstellungen, wie man will, und
man könnte, was die Hauptsache ist, nicht bloß Kunst-, son-
dern auch kunstgewerbliche Ausstellungen schaffen und beide
vereinigen, was von der größten Wichtigkeit für die Kunst und
das Kunstgewerbe wäre, namentlich für Bayern. Manche
unserer Künstler haben es verlernt, für den praktischen Ge-
brauch zu malen, weil eben unsere Ausstellungsgebäude zu
groß sind, und diese Bilder sind dann unverkäuflich. Die
Kunst gehört ins Haus, heißt es. Ganz recht! Aber man
muß ihr auch Gelegenheit geben, zu zeigen, wie sie im Hause
wirkt. Wenn das Ausstellungsgebäude mit einem park ver-
bunden wäre, so würde auch das finanzielle Ergebnis der
Ausstellung ein besseres. Die Berliner Ausstellung liefert
ein viel besseres Ergebnis nicht wegen der besseren (Duali-
täten, sondern wegen des Ausstellungsparkes, der viele Leute
anzieht. Ls gehen eine Menge Leute, wenn sie im park
Kaffee trinken u. s. w., auch in die Ausstellung, was ihnen
unter Umständen fonst nicht einfiele.
Was die vom Redner berührten „zu großen"
Kunstausstellungen im Glaspalast anbetrifft, so kann
man darüber auch anderer Meinung sein. Die
großen Ausstellungen in Paris übertreffen die un-
seren in München und Berlin an Umfang, wie nicht
unbekannt sein wird, ganz bedeutend. Man darf
den Maßstab über den wünschenswerten Umfang
einer Ausstellung z. B. nicht von den Ausstellungen
der Münchener Sezession herholen, welche infolge
ihrer beschränkten Räume gar nicht in der Lage ist,
größere Ausstellungen zu veranstalten. Eine so kolos-
sale Kunstproduktion, wie sie zur Zeit in München
und in Deutschland allgemein sich betätigt, wird
immer große Ausstellungen im Gefolge haben,
verhindert man diese Produktion, an dieser Stelle
zu erscheinen, so wird sie eben an anderer Stelle
sich einen Weg zur Geffentlichkeit bahnen.
 
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