Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Hollenberg, Felix: Zur Reform der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft, [9]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0070

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
66

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 5.

Ohne ein geeignetes H>reßorgan ist eine gegen-
seitige Verständigung, ein solidarisches Vorgehen,
eine straffe Verbindung, ausgeschlossen.
Ohne die Lösung der für die Künstler wich-
tigen wirtschaftlichen fragen ist eine Hebung des
Künstlerstandes, eine Abwendung schädigender Ein-
flüsse, eine Verhinderung der Ausbeutung der künst-
lerischen Arbeitskraft durch parasitenhafte Existenzen,
nicht zu erzielen.
Herrschte unter den deutschen Künstlern nur in
bescheidenem Grade eine Art Korpsgeist, wären sie
nur einigermaßen von dein Bewußtsein der unbe-
dingten Notwendigkeit eines streng solidarischen
Vorgehens durchdrungen, es stände der sofortigen
Durchführung aller vorgeschlagenen Reformen auch
nicht das geringste Hindernis entgegen. Aber statt
des Korpsgeistes und der Solidarität sehen wir über-
all unter den Künstlern die traurigste Zerklüftung.
Wenn in einer Stadt drei Künstler leben, so bilden
sie mindestens vier Vereine, abgesehen von den ver-
schiedenen Richtungen, die noch im Innern eines
jeden Einzelnen miteinander kämpfen.
Aber so trostlos und niederdrückend auch der
Anblick des traurigen Verhaltens der Künstler gegen-
einander ist, schon dringen Stimmen aus der Wüste,
und diese Stimmen mehren sich, die nach einem
anderen, besseren Zusammenleben schreien. Heute
vielleicht verhallen diese Rufe noch, ungehört von
der großen Wenge der Künstler. Aber die Ueber-
zeugung von der Nnhaltbarkeit der herrschenden Zu-
stände hat so viele ergriffen, daß ein neuer Still-
stand in dieser Bewegung wohl nicht eintreten kann.
Zweifellos ist die große Wehrheit der deutschen
Künstler für eine Besserung der unhaltbaren Zu-
stände, für ein erneutes Sammeln aller Kollegen,
die doch alle, wenn auch mit den verschiedensten
Witteln, die Erreichung des gleichen großen künst-
lerischen Zieles anstreben. Die Interessen aber,
namentlich die auf wirtschaftlichem Gebiet, sind un-
bedingt gleich bei Allen. Doch es sind derer noch
zu wenige, die nicht nur fühlen, daß eine bessere
Zeit kommen muß, sondern die diesem Gefühl auch
Ausdruck verleihen. Wöchten doch bald alle Künstler
es laut aussprechen, daß die Verhältnisse anders
werden sollen, besser werden müssen, und der Schritt
vom Wort zur Tat wird nicht mehr groß sein.
Ist erst der Indifferentismus überwunden,
ist der Stumpfsinn besiegt, dann ist alles ge-
w onnen!

Die Gleichgültigkeit und der mangelnde Ge-
meinsinn sind die Todfeinde jeder Verbesserung.
Auch unter den Künstlern gibt es eine Wenge
Satter mit beschränktem Horizont, die da annehmen,
weil es ihnen durch die zufällige Gunst der Um-
stände gut geht, müsse es auch allen anderen gut
gehen, oder, was noch schlimmer ist, wenn nur sie
sich wohl befänden, sei es gleichgültig, wie es den
anderen gehe. Annahmen, die direkt kunstschädlich
und geradezu gemeingefährlich werden, wenn diese
Künstler das, was sie dem blinden Glück verdanken,
auf Rechnung ihres höheren Könnens setzen. Als
ob nicht jede Seite der Kunstgeschichte es laut pre-
digte, daß die Größe der künstlerischen Leistung und
die des materiellen Erfolges meist im umgekehrten
Verhältnis stehen.
Auch in der Kunst ist der Erfolg nicht alles:
der Erfolg, den oft die Lüge und die künstlerische
Unwahrheit an eine Hahne fesselt. Es gibt andere
Kriterien als den Erfolg, andere Triebfedern als
den Bilderverkaus, die den wahren Künstler an-
spornen und stärken im Ausharren, auch wenn
sein Lebensweg ein dunkler Dornenpfad ist.
Bedauerlich ist das Verhalten mancher Gut-
situierter aber deshalb, weil dieselben, wegen ihrer
Indolenz, für ein Wirken im Interesse der Allge-
meinheit nicht in Rechnung gezogen werden dürfen.
Das ist um so mehr zu bedauern, als es sich für
sie nicht darum handelt, für die „armen
Schlucker zu zahlen", sondern lediglich durch
solidarisches Verhalten diesen vom Glück
weniger Begünstigten einen festen Rückhalt
zu geben. Der Unterschied, zwischen den beiden
Künstlerkategorien, sagen wir kurz, der Satten und
der Hungrigen, wird von den Kunstparasiten jeder
Art doch auch nicht gemacht; diese beuten aus,
was auszubeuten ist, reich und arm. Die
wirtschaftlichen Nachteile, die durch den Wangel
einer kraftvollen Organisation für die Kunst ein-
treten, treffen alle, ohne Unterschied ihrer mate-
riellen Lage, und wenn der jetzt schon Gutsituierte
imstande wäre, durch die Wacht der Korporation
sich vor Schäden zu bewahren, die ihn — nicht pro-
zentual aber absolut — weit schwerer treffen, als
den, dem es schlecht geht, so ist der Beitrag, den
er der Korporation leistet, und der allerdings da-
durch, daß er für ein solidarisches Unternehmen
gezahlt wird, auch andern zugute kommt, eine
sehr gute Kapitalanlage.
 
Annotationen