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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 40
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Ueber die Jury der Grossen Berliner und der Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast
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Ueber die Ausstellung des deutschen Künstlerbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0546

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5^2

Die Werkstatt der Kunst.

Heft ^0.

anstatt die Mittelfäle mit wenigen schlechten Bildern zu
dekorieren, die reichlich vorhandenen guten aus den Hinteren
Sälen mehr nach vorn gerückt hätte; denn hinten drängen
sich die Bilder in erschreckender Fülle, während vorn für gute
Bilder noch reichlich Platz ist. Allerdings hätten dann die
Herren, die die Vordersäle anscheinend gepachtet haben, etwas
zusammenrücken müssen, .... aber man hätte Platz bekommen.
wenn das Institut der Jury in der gegenwärtigen
Form weiterbesteht, wird der Kunstausstellung am Lehrter
Bahnhof wahrscheinlich das letzte Stündchen geschlagen haben;
denn nach den Erfahrungen der letzten Jahre werden sich
Künstler, die nicht zur Llique gehören, nicht mehr dieser unter-
werfen und nachweislich sind das nicht die schlechtesten Köpfe.
Man wird sich entschließen müssen, sich entweder mit
dem künstlerischen Nachweis bei Ausnahme in den Verein zu
begnügen und allen Mitgliedern Iuryfreiheit zu gewähren
oder aber eine Jury aus Fach- und Sachverständigen, die un-
parteiisch urteilt, einzusetzen. Man kann es bei den künst-
lerisch-materiellen Verhältnissen in Berlin keinem Maler ver-
argen, wenn er etwas Konkurrenzneid gegen den besser
reüssierenden Kollegen empfindet und seine Stimmung in der
Jury entsprechend zum Ausdruck bringt, wer ist denn gleich
so ehrlich, daß er Besseres gegen sich auskommen läßt, wenn
er es hindern kann? wie soll aber unter solchen Umständen
die Unparteilichkeit gewahrt bleiben! Also fort mit einer solchen
Jury, damit aus der Gunstausstellung einmal eine wirkliche
Kunstausstellung wird."
Wir wissen nicht, wie die Herren der Berliner
Jury zu denken geneigt sind, indes: wünschen sie
auf diese Kritik zu antworten, so steht ihnen un-
sere Zeitschrift, wie stets der angegriffenen Stelle,
zur Verfügung.
Nicht minder jedoch, wie man schon vorher
in Berlin die Zuryergebnisse der Veranstaltung des
Künstlerbundes und nun auch die der Großen Kunst-
ausstellung beanstandete, ist man in München mit
der Art und Weise, wie die Jury des Glaspalastes
verfuhr, höchst unzufrieden. Der „Südd.Montagsztg."
in München wird von einem Künstler geschrieben:
„München hatte allen Anlaß in diesem Jahre in der
großen internationalen Kunstausstellung im Glaspalaste zu
zeigen, daß es im deutschen Kunstleben noch seine alte Stel-
lung einnimmt und auch mit dem Auslande erfolgreich kon-
kurrieren kann, wer die gelegentlichen kleinen und kleinsten
Kollektivausstellungen der letzten Jahre in München aufmerk?-
fam verfolgt hat und auch an den bescheideneren Leistungen
und den guten Darbietungen bescheidener Künstler nicht ohne
Aufmerksamkeit vorübergegangen ist und wem es vergönnt
war, gelegentlich in den Ateliers vorzusprechen, der weiß, wie
viel tüchtiges Können, wie viel schöpferische Kraft, wie viel
Genie im Münchner Künstlertum steckt, ja wie ein Teil der
cmporstrebenden jüngeren Kräfte auf eigenen wegen zielsicher
weiter schreiten und eine neue Schönheitswelt zu zeigen im-
stande wären. Das hat auch die heurige Münchener Aus-
stellung im Glaspalast besonders die Scholle und die Sezession
bewiesen, welche beide Gruppen eine gute Gesamtausstellung
zu Wege gebracht und wesentlich dazu beigetragen haben, daß
wir den fremdländischen Kunstschöxfungen mindestens Gleich-
wertiges an die Seite stellten. Das gleiche kann jedoch von
der Ausstellung der Künstlergenossenschaft nicht behauptet
werden. Hier überwiegt das reine verkaufsbild, die minder-
wertige, oft rein akademische Leistung und die Sucht, dem
Ungeschmacke des Publikums Rechnung zu tragen, die Masse
der kritiklosen Käufer anzuziehcn, während ausschließlich die
wahre fortschrittliche Kunst hätte berücksichtigt werden sollen.
Besonders die figürlichen Darstellungen, das Porträt, das
Genre re. enthalten Minderwertiges in Menge. Süßliche Damen-

bildniste, bloße Kopien nach Photographie, Sachen, welche
wohl für ein Unterhaltungsblatt zu einem Farbendruck sich
eignen, niemals aber für eine internationale Konkurrenz-
ausstellung. Wer Bilderbogen malen will, der male sie. Aber
dieselben in den Sälen des Glaspalastes unterzubringen, das
geht denn doch nicht an. Die Frage ist nur, wer die Schuld
an dieser mißglückten Ausstellung trägt. In den beiden Gruppen
der Künstlergenossenschaft befinden sich Künstler mit bestem
Namen und anerkanntem tüchtigem Können, und sie alle
haben die Ausstellung beschickt, haben ihr Bestes angeboten,
zum Teile Bilder, welche selbst den strengsten Jurys des Aus-
landes genügt und größere ausländische Kunstausstellungen
geziert haben. Aber man hat das Beste zum Teil abgewiesen
und das Minderwertige dafür angenommen. Die Schuld trifft
ausschließlich die Juroren. Die Wahl derselben aus den beiden
durch die Künstlergenossenschaft repräsentierten Vereinigungen
war eine ganz unglückliche. Es wurden keineswegs nur solche
Persönlichkeiten gewählt, deren eigenes Schaffen für die anderen
vorbildlich zu nennen wäre. Und die Tätigkeit der Jury be-
wies, daß man sich nicht von großen, rein künstlerischen Prin-
zipien leiten ließ, sondern einfach einen Kuhhandel trieb. Die
aus beiden Vereinigungen zusammengesetzten Juroren fühlten
sich zunächst als Vertreter ihrer Gruppe und so kam es, daß
sie in erster Linie ihre Sonderinteressen vertraten und sich zu
gegenseitigen Konzessionen verstanden, anstatt den Zweck des
Ganzen im Auge zu behalten. So hat denn die Münchener
Künstlergenossenschaft zwar eine stattliche Anzahl von Sälen
behängt, aber leider nicht immer mit Meisterwerken ernst
strebender Künstler, sondern häufig mit Bildern, wie sie in
jedem Verkaufsladen zu sehen sind und neben welchen die
guten Leistungen, die natürlich keineswegs fehlen, sich recht
merkwürdig ausnehmen, wie wenn sie durch einen unglück-
lichen Zufall in schlechte Gesellschaft geraten wären. Namen
zu nennen erscheint überflüssig, da jeder Kunstverständige so-
fort die Spreu vom Weizen unterscheiden wird, und nur das
eine fragt es sich noch, was zur Verhütung solcher Vorkomm-
nisse für die Zukunft geschehen kann. Gb die beteiligte Künstler-
schaft an eine Protestversammlung denkt, ob sie zu einer neuen
Vereinigung ihre Zuflucht nimmt? Jedenfalls muß sie sich
der Wichtigkeit einer Iurywahl vollkommen bewußt werden.
Denn sie hat ja die Wahl selbst vorgenommen, vor allem
aber scheint es nötig, daß die einzelnen Vereinigungen in der
Aufnahme ihrer Mitglieder mit größerer Strenge verfahren,
eine sorgfältigere Aussiebung vornehmen und ihren tüchtig-
sten Vertretern auch volles Vertrauen entgegenbringen, damit
nur diese für das wichtige Amt der Jurys in Betracht kommen."
Kleber clie Ausstellung cles cleutscben
Kimstlerbunäss
schreibt der „Kunstwart" in seinem f8. Heft:
„. . . . Die Ausstellung selbst freilich bietet der
Kritik manche Angriffspunkte. Aber man leistet dem
Künstlerbund sicher einen besseren Dienst durch die
offene Aussprache, als dadurch, daß man im Hin-
blick auf gemeinsame Feinde schweigt. Beginnen
wir mit einer kleinen Statistik. Der Katalog ver-
zeichnet Gemälde und Plastiken. Davon
kommen auf die Iur^ütglieder, die über die Auf-
nahme zu bestimmen hatten, ^7 Gemälde und
sö Plastiken. Bund also der vierte Teil. Nicht
genug damit. Inuerhalb der engern Grenzen, die
sich die Jury selbst bestimmte, ist eine weitere Aus-
wahl unverkennbar, wer die Ausstellungen der
Berliner Sezession und die des Salons Tassirer
kennt — des einzigen Berliner Kunstsalons, dessen
Vorsteher genau weiß, was er will, und der des-
halb eine unheimliche Macht werden konnte — der
 
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