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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 42
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Cornils, Hermann: Offener Brief an die Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes!
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Eine dringende Aufforderung an Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0575

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Heft §2.

Die Werkstatt der Kunst.

57 t

und Ethik sind ausschlaggebend, sondern die Speku-
lation aus die Unwissenheit der Masse. Höchste Kunst
ist höchste Sittlichkeit in der Wahrheit. Auch die
bildende Kunst steht unter diesem einzigen Gesetz
und sieht in dieser Gebundenheit gerade ihre Frei-
heit! Von diesen ewigen Werten redet doch die
Kunst in Linien, Formen und Farben, das ist —
die Theorie; sonst gibt es keine! „Wo sich das
Strenge mit dem Zarten, wo Starkes sich und
Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang."
Niemals kann eine hohe und strenge Kunst zum
Spekulationsobjekt sür den Masseninstinkt werden.
Das war es ja doch gerade, was der Künstlerbund
wollte: echte Kunst wollte er zeigen und fördern.
Darum wurde seinerzeit der Gegensatz zur Deutschen
Kunstgenossenschaft betont, weil inan im Massen-
betrieb nicht den geeigneten Boden sür die Entwick-
lung der deutschen Kunst erblickte.
Wie die „Werkstatt der Kunst" mitteilte, soll
die Jury 800 Werke zurückgewiesen haben. Danach
sollte man nun annehmen, daß doch wirklich nur
ganz Auserlesenes vorhanden sei, so daß eine Elite-
Kunstausstellung zu sehen wäre, der man sich nur
in ehrfurchtsvollem Schweigei: nahen dürfe; doch
auch das soll nicht der Fall, vielmehr sogar Gering-
wertiges und Nichtssagendes vorhanden sein. Da
muß man nun doch fragen: „Wozu der Lärm?"
Wenn nicht einmal erreicht ist, daß die Kritik ver-
stummt! So muß es doch entweder mit der deut-
schen Kunst schlecht bestellt sein, oder die Sury hat
eben im Urteil geirrt.
Nach ß 3 des Statuts werden die Mitglieder
erwählt. Es sollen also nur besonders hervorragende
Künstler ausgenommen werden. Wenn also die
Gesamtzahl der Mitglieder jetzt 375 sind, so
hat der Vorstand damit bekundet, daß im deut-
schen Reiche, außer den offiziellen Vorstandsmit-
gliedern, noch eine ganze Reihe gleichberechtigter
und ebenbürtiger Künstler vorhanden sei. Wo bleibt
aber die Logik, wenn sich nun herausstellt, daß die
Zury 258 Künstler mit 800 Werken refüsiert und
damit unter die Nichtskönner gerechnet hat. Es ist
damit doch gesagt, daß die Wahl des größten Teils
der Mitglieder eigentlich zu Unrecht erfolgt ist.
Meines Erachtens hätte man im Deutschen Künstler-
bund ruhig auf eine Zury verzichten können, indem
man die Mitglieder aufgefordert hätte, ein oder
zwei Werke zu senden, und es den einzelnen Künst-
lern selbst überlassen sollen, durch gewissenhaste Aus-
wahl für die eigene künstlerische Ehre einzutreten.
Allerdings wäre der Kunsthandel dabei zu kurz ge-
kommen, denn das Geschäft fragt nicht nach dem
Kunstwert, sondern nach dem klingenden Namen.
Aber es müßte ein Modus zu finden sein, wo-
durch allein die Kunst, und nur diese, gefördert
wird, und dieser scheint mir doch in der Richtung
der obigen Gedanken zu liegen. Außerdem stünde
ja nichts entgegen, besonders hervorragende Werke
als leuchtende perlen zur Geltung zu bringen, ver-

borgen bleiben diese doch nicht, man wird schon von
ihnen hören; aber die Gleichgültigkeit kann sie über-
sehen, so daß sie erst verhältnismäßig spät an die
Oeffentlichkeit gelangen, wie uns die Kunstgeschichte
lehrt. Man kann nicht zweien Herren dienen, nicht
der Kunst und Gott und dem Mammon zugleich.
Wer ein wirklicher Kunstmäcen ist, sördert die Kunst
aus Liebe und reiner ehrlicher Begeisterung und die
Nachwelt wird seinen Namen preisen. Man mag
über diese Dinge denken, wie inan will — eins ist
jedenfalls gewiß: die Mitglieder des Bundes müssen
die Gewißheit Habei:, daß eine Handlungsweise, wie
die in vorliegendem Fall von der Geschäftsleitung
beliebte, in Zukunft ausgeschlossen ist.
Die Mitglieder des Deutschei: Künstlerbundes
dürfen sich mit den derzeitigen Verhältnissen in der
Leitung nicht einverstanden erkläre::, sondern sie
müssen mit Entschiedenheit gegen ein kaltblütiges
Geschäftsverfahren dieser Art protestieren. Sch
möchte den Herren Kollegei: dei: Vorschlag zur Er-
wägung geben, ob es unter diesen Umständen nicht
gebotei: ist, eine Mitgliederversammlung ein-
znbernsen, um für unfern doch verhältnismäßig
engen Kreis gesundere Lebensbedingungen zu schaffen.
Hermann Lornils-Hamburg.
ärmgeriäe Aufforderung an Mit-
glieder äes Deutschen Riinstlerbunäes.
Bevor möglicherweise manche Mitglieder des
Bundes ihren Austritt infolge Nichteinverstanden-
seins mit den durch die Ausstellungen des Deut-
schen Künstlerbundes dokumentierten Prinzipien er-
klären, wäre die baldige (Einberufung einer Mit-
gliederversammlung zwecks Interpellation des Vor-
standes am Platze. Da eine solche Versammlung
nach den Statuten nur auf Veranlassung von zwei
fünftel der Mitglieder außer der gewöhnlichen Zeit
stattfinden kann, wären diese Stimmen zu sammeln.
Der Bund hat, irre ich nicht, zur Zeit 375 Mit-
glieder, mithin sind mindestens s50 Stimmen nötig.
Ich weiß nicht, wie die „Werkstatt der Kunst"
zu denken geneigt ist. Aber wenn sie nicht befürchte::
sollte, durch Annahme meines Vorschlages ihre
neutrale Stellung zu beeinträchtigen, so wäre es
in dieser Hinsicht am einfachsten, wenn die Mit-
glieder des Bundes, welche eine außerordentliche
Versammlung wünschen, ihre Stimmen bei der Re-
daktion der „Werkstatt der Kunst" niederlegen wür-
den.*) Andernfalls erbietet sich der Unterzeichnete,
*) Die Werkstatt der Kunst" befürchtet keineswegs, durch
die Annahme dieses Vorschlages ihre neutrale Stellung zu
beeinträchtigei:. Mas sie vielmehr befürchtet, sind Dinge ganz
anderer Art, Dinge möglicherweise, wie sie sich eben in Wien
 
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