Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

DOI Heft:
Heft 37
DOI Artikel:
Lehmann, W.L.; Welti, A.; Wieland, H.B.: Die schweizerische Kunst im Glaspalast
DOI Artikel:
Lehmann, Wilhelm Ludwig; Welti, Albert; Wieland, H. B.: Zur Organisierung aller bildenden Künstler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0506

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
502

Die Werkstatt der Ärmst.

Heft 37.

sender aus und verlangt iin gleichen Atemzuge mehr
Kollegialität. (!)
Line Jury wird es nie allen recht machen
können, aber mit gutem Gewissen können wir er-
klären, daß die von der schweizerischen Aünstler-
schaft aus den drei Landesteilen gewählte Jury
mit größter Gewissenhaftigkeit im Interesse der
schweizerischen Kunst gearbeitet hat.
Die Kommission sür die 5 chweizer Abteilung
der IX. Internationalen Kunstausstellung zu
München HH05.
I.. vellmann, K. ^elti, B. L. ^'ielLnä.
Organisierung aller biläencten
Künstler.^)
Einigkeit macht stark! Diese Binsenwahrheit, die
in unserer Zeit der Aktiengesellschaften und Ringbildungen
uns Tag für Tag eindringlichst gepredigt wird, scheint für
niemand weniger Geltung zu haben, als gerade für Künstler,
über deren wirtschaftliche Schwäche stets geklagt wird. Der
Streit der Meinungen, ob alt oder modern, ob Genossenschaft
oder Sezession, ob dieser oder jener Ismus, ist, weil in der
Persönlichkeit des einzelnen Künstlers begründet, nie zu schlichten.
In jeder Gruppe gibt es wieder Eliquen und Grüppchen,
und das ist gut, so lange es sich um wirkliche Künstler, um
starke Persönlichkeiten handelt. Das rein künstlerische aber
muß doch vielfach vor der Magenfrage zurücktreten. Auch
der größte Künstler kann keine unsterblichen Werke schaffen,
wenn er hungern und darben muß, wenn er alle seine gei-
stigen Kräfte darauf verwenden muß, zu forgen, wovon er
heute leben soll. Leider sind ja die wenigsten so mit Glücks-
gütern gesegnet, daß sie ungehindert schaffen können. Es
handelt sich also darum, für alle bildenden Künstler eine
Grundlage zu schaffen, auf der sie sich ihre Existenz erleichtern
können.
Die Lösung dieser Aufgabe ist eigentlich schon gegeben,
nachdem andere Stände uns bereits den weg gezeigt haben:
Die Offiziere mit dem Warenhaus für Armee und Marine,
die Beamten mit dem (in Bayern wenigstens geplanten) Be-
amtenwarenhaus, und die Arbeiter mit den Konsumvereinen.
Die Voraussetzung ist allerdings, daß die großen Künstler-
vereinigungen gewillt sind, diesen weg zu betreten, daß sie
sich verbinden, um ihre Mitglieder nicht nur künstlerisch,
sondern vor allem wirtschaftlich zu fördern. Bis jetzt
sehen die verschiedenen Künstlergruppen ihre Hauptaufgabe
darin, jedes Jahr eine oder mehrere Ausstellungen zu arran-
gieren, in denen möglichst streng die Schafe von den Böcken
geschieden werden, und die dem Fortschritt in der Kunst
dienen sollen. Allerdings wünscht man, daß das Publikum,
dem man übrigens meist mit strenger Präzeptormiene ent-
gegentritt, auf diesen Ausstellungen auch Bilder kauft. Die
Verkaufsprovisiouen und die Eintrittsgelder dienen dazu, die
Unkosten zu decken, und bleibt ein Ueberschuß, so vermehrt
er mit den Mitgliederbeiträgen das vermögen des betreffenden
Vereins. In der ausstellungsfreien Zeit werden Feste gefeiert

*) Der obige Aufsatz ist das Resultat der Betrachtungen
eines Künstlers über die wirtschaftliche Lage seines Standes.
Obwohl uns die darin enthaltenen Vorschläge zur Verbesserung
dieser Lage in einigen Punkten etwas utopistisch erscheinen,
glauben wir dennoch, diese Betrachtungen und Vorschläge un-
seren Lesern nicht vorenthalten zu sollen, von der Ueberzeugung
ausgehend, daß eine lebhafte Aussprache immer der beste weg
sein wird, sich über die hier uns bewegenden Fragen zu ver-
ständigen und Rat zu schaffen. Die Red.

und am Ende des Jahres verkündet der Präsident oder Kas-
sierer den erstaunten Genossen: „wir haben so und so viel
Einnahmen, so und so viele Ausgaben, bleibt uns ein Ueber-
schuß von so und so vielen tausend Mark." Allgemeines Bravo;
dem tüchtigen Kassenverwalter wird Decharge erteilt.
Was geschieht aber mit dem Vereinsvermögen? Zu
welchem Zweck wird es angesammelt? was hat der einzelne
Künstler für einen Vorteil daran, jahrelang brav seine Bei-
träge zu bezahlen, wenn er sich nicht einmal das Recht er-
kaufen kann, auf jeder Ausstellung seines Vereins ungehindert
ausstellen zu dürfen?
Die Münchner Künstler-Genossenschaft hatte im Jahre
OOZ (der Bericht über dieses Verwaltungsjahr liegt mir vor)
68; Mitglieder und ein vermögen von 6Z9 252 Nk. Es
wurden in diesem Jahre 30zq.q. Mk. Gewinn erzielt. Ich
frage nochmals: cui Kono? Diese 6O252 Mk. sind totes Ka-
pital,*) hinausgeworfenes Geld, so lange sie nicht dazu ver-
wendet werden, die Mitglieder der Genossenschaft in ihrer
Existenz zu fördern, vielleicht sind einige Vorschläge am Platze,
wie dies geschehen könnte.
was der Künstler zur Ausübung seines Berufes am
meisten bedarf, sind Leinwand, Farben, Papier, Bleistifte,
Ton, Plastilin, Bilderrahmen rc. wie wäre es nun, wenn
die Genossenschaft die Fabrikation und den Verkauf dieser
Gegenstände an ihre Mitglieder und Kunststudierende über-
nehmen würde? Dieses Geschäft an sich wäre lohnend. Die
Inhaber der großen Farbenfabriken zeigen dies mit den Mil-
lionen, die sie sich schon im Laufe der Jahre an den Künst-
lern verdient haben. Schon allein durch den Verkauf der
Zeichen- und Malutensilien können ganz hübsche Summen
verdient werden, wie ich aus der Entwicklung der drei be-
kanntesten Geschäfte dieser Branche hier in München ersehe,
die alle sehr schön blühen und sich fortwährend vergrößern,
trotzdem sie jedenfalls mit ganz bedeutenden passiven arbeiten
müssen, was das Rahmengeschäft betrifft, so ist dies auch
keines der schlechtesten, weiß ich doch hier in der Stadt ein
solches, das durchschnittlich 65 000 Mk. Außenstände hat und
trotzdem sehr gut gedeiht, würde die Genossenschaft mit ihrem
bedeutenden Vermögen sich nun der Herstellung und dem ver-
kauf dieser Künstlerbedarfsartikel widmen, so könnte sie, da
sie mit einem viel geringeren Gewinn zu arbeiten braucht,
dem einzelnen die Ware naturgemäß viel billiger liefern und
der Künstler hätte einen positiven Nutzen von feiner Mit-
gliedschaft.
Es wären aber auch mit einem Schlage beispielsweise
die Bestrebungen der Gesellschaft für rationelles Malverfahren
gelöst. Da ja die Genossenschaft als solche Farben fabriziert
oder diese wenigstens unter ihrer strengsten Aufsicht hergestellt
werden, so ist es ganz undenkbar, daß dem Künstler andere,
als nur ausgesucht gute, leuchtkräftige, haltbare Farben geboten
werden, wie viele tüchtige Künstler könnten heutzutage mehr
und besseres schaffen, wenn sie nicht ihre kostbare Zeit mit
Farbenreiben und Leinwandgrundieren vergeudeten, was doch
meist mit unzulänglichen Mitteln geschieht und daher wenig
Zweck hat.
Allerdings gehört zur Ausführung meines Vorschlages,
daß die Genossenschaft wenigstens in den verschiedenen Kunst-
zentren Verkaufsplätze einrichten und allerhand Kräfte als
kaufmännische und technische Leiter, Revisoren, Verkäufer u. s. w.
bezahlen würde, aber welcher Großkaufmann, welche Aktien-
gesellschaft muß das nicht!
Eine andere dankbare Aufgabe für die Genossenschaft
wäre der Bau von Ateliers und Ateliers mit Wohnungen
nach Art der Heimstätten-Gesellschaften. Der Preis der Einzel-
ateliers mit im Durchschnitt H5 Mk. monatlich ist im Ver-
hältnis zu dem, was der Hausbesitzer bietet, viel zu hoch.

*) Die Annahme des Verfassers, das Vermögen der Ge-
nossenschaft märe flüssig, ist irrig. Unseren Informationen
nach besteht das vermögen der Genossenschaft in ihren Liegen-
schaften, dem Künstlerhause, das mit 500000 Mk., oder noch
mehr, zu Buch steht. Die Einbauten im Glaspalast sind mit
100 000 Mk. eingesetzt. Die Red.
 
Annotationen