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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 43
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Eine Bank für Kunst und Kunstgewerbe, [1]
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Thode-Thoma-Liebermann, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0590

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586

Die Werkstatt der Kunst.

Heft §3.

mehr entwickelt. Das Gebiet der Kunstbank soll sich aber
nicht aus Bilder und'Skulpturen u. s. w. beschränken; noch
wichtiger ist die angewandte Kunst, das Kunstgewerbe.
Deutschland war früher ein armes Land, heute ist es
viel reicher geworden; aber den luxuriösen Einrichtungen vieler
reich gewordener Rausleute und Industriellen merkt man das
parvenuhafte noch allzu sehr an; es fehlt im Luxus meist
noch der veredelnde Einfluß der Kunst. Gerade im eigenen
Heim, in der eigenen Einrichtung, ist sehr oft noch das Fabrik-
mäßige maßgebend, während nur ein Künstler durch seine
Individualität ein reizvolles und eigenartiges Milieu schaffen
kann; dies gilt für private Behausungen, wie für öffentliche
(Theater, Kirchen u. s. w.). Das Geschäft, die Zivilisation ni-
velliert; aber gerade dort ist meist das Geld, mit dem der
Künstler als Kulturträger schaffen könnte; also auch nach dieser
Richtung hin würde sich für die neue Bank ein weites Schaffens-
gebiet eröffnen. Bor allem müßte die Kunstbank sich von allen
anderen Bankgeschäften streng fern halten und auch daraus
verzichten, hohe Gewinne für sich zu erzielen; eine mäßige
Kapitalverzinsung wäre immer zu erreichen; Hauptsache bliebe
aber die Förderung von Kunst und Kunstgewerbe und damit
eine verdienstvolle Tat für die Kulturbestrebungen einerseits,
für Hebung von München als Kunststadt andrerseits." x,
^bocie - <^boma - Liebcrniarm.
Die Erwiderung Hans Thomas in der „Frank-
furter Zeitung" auf den von uns in Heft ^2 mit-
geteilten Brief Max Liebermanns beginnt folgender-
maßen :
„Herr Liebermann hat in seinem maßlosen, deshalb
unsachlichen Angriff auf Herrn Geheimrat Thode vor allem
eines übersehen, daß nämlich das Meier-Graefe'sche Buch
,Der Fall Böcklin' eine Herausforderung ist, gerichtet gegen
das eigentlichste Wesen der deutschen Kunst, wie eine solche
kaum je vorgekommen ist, — eine Herausforderung, die ge-
rade das Beste, was aus der deutschen Volksseele herausge-
wachsen ist, mit Füßen oder eigentlich mit Phrasen tritt.
Thode in seiner mannhaften Tat will nur helfen, uns Deut-
schen das Recht zu wahren, unsere Kunst so zu gestalten,
wie wir sie haben wollen."
Thoma zergliedert sodann an einigen Beispielen
das Wesen der deutschen Kunst und wendet sich da-
raus gegen die Angriffe Liebermanns, welche der-
selbe gegen Thode mit Beziehung auf seine Be-
deutung als Kunsthistoriker gerichtet hatte:
„Liebermann meint in blinder Mut Thode vernichten
zu können, wenn er anführt, was von einem seiner Beruss-
genossen über ihn Mißgünstiges, ja Haßvolles ausgesagt
worden ist. Was ist F. wickhoff? Professor der Kunstge-
schichte! Also das was Thode auch ist. Wenn echterer nnn
in Bezug auf die Echtheit oder Namensbezeichnung verschie-
dener Werke anderer Meinung ist als Thode, so sagt dies
doch noch gar nichts, als daß derselbe maßlos unsachlich
schimpfen kann und daß nun Herr Liebermann ihm ebenso
nachschimpft. Es ist möglich, daß Thode sich da und dort
geirrt hat, — auch viele andere haben sich schon oft geirrt.
Ich habe gefunden, daß Kunsthistoriker sich fast immer für un-
fehlbar halten; ihre Meinung soll die richtige sein und je
weniger sie Beweise haben, desto hitziger sind sie; da steht
dann Behauptung gegen Behauptung — alles Wiederlegen
hilft nichts . . ."
Nach Zurückweisung dieser Angriffe im ein-
zelnen fährt Hans Thoma schließlich folgender-
maßen fort:
„Zu meinem Freunde Bayersdorfer sagte ich, als ich
in der Mitte der siebziger Jahre aus Italien zurückkehrte
und als gerade der Lärm um das Plein-Air begann, daß
dies ja nichts Neues sei und daß unter andern schon Piers

della Francesca das allerschönste Plein-Air gemalt habe,
ohne zu wissen, daß es später erst erfunden werde, aber mit
solcher Kristallreinheit von Licht und Lichterscheinung, daß
es doch ziemlich viel schöner aussehe als das moderne, das
damals schmutzig uud kreidig aussehen mußte, um als echt
angesehen zn werden. Auch die Venus von Botticelli und
noch viel anderes erklärte ich für Plein-Air, — die dummen
Alten wußten es nur noch nicht.
Bayersdorfer hat mir zugestimmt. Gründe für und
gegen Plein-Air gibt es keine.
Ls handelt sich ja auch gar nicht darum, es handelt
sich nur daruni, daß wir nicht gewillt sind, uns von Berlin
aus aufgewärmten Kohl als Kunstgesetze diktieren zu lassen,
und darum, daß wir uns deutsche Art und deusches Wesen
nicht wollen beschimpfen lassen durch proklamierung einer
in Paris schon abgewirtschafteten Mode, der wir besseres ent-
gegenzustellen haben.
Der Angriff ans Böcklin ist freilich schlau gewählt, ge-
rade in ihm sollte das deutsche Wesen aufs empfindlichste
getroffen werden. Das Stück deutscher Romantik, das
gerade durch Böcklin wieder aus den Schlacken von Philister-
tum uud Internationalität so schön hindurchgebrochen ist und
zwar siegreich; — es war zugleich ein Angriff auf das Deutsch-
tum, das in dieser freien Schweizernatur zu neuer Geltung
gelangt ist. Die Angelegenheit wird von den Deutschen recht
ernst genommen werden, obgleich die Meier-Graefe'sche Mei-
nung vor dem Anblick einiger guter Böcklin'scher Bilder von
selbst zusammenfällt.
Für höchst bedenklich halte ich es, daß Liebermann bei
dieser Gelegenheit von der Rüstkammer des Antisemitismus
spricht. Es würde mir herzlich leid tun, wenn diese Frage
sich in das Künstlerische hineinmischen sollte, in einer Sache,
in der Thode nur die Abwehr gegen die Verunglimpfungen
der deutschen Kunst, des deutschen Wesens im Auge hat uud
dafür mutig eintritt. Wenn Liebermann alle die, welche
ihin und Meier-Graefe nicht folgen, als Antisemiten erklärt,
könnte dies doch zu recht eigenartigen Schlüssen verleiten,
und ich bin überzeugt, daß ihm hierein seine eigenen Volks-
genossen nicht in zu großer Zahl folgen würden. Denn der
Kunstsinn vieler Juden ist doch zu fein und ihr Verständnis
für deutsches Wesen in der Kunst ist doch zu groß, als daß
er sich bestechen ließe und eine Frage, die Unheil in sich
schließen könnte, an eine Kunstfrage anschließen wollte.
Die Beschimpfungen, die Liebermann durch den Mund
eines anderen über Thode ausgießt, sind dadurch abge-
schmackt. wenn ich schimpfen wollte, so würde ich dies immer
selbst tun mit meinem eigenem Munde.
Daß in Thodes Vortragszyklus auch mein Name neben
dem Böcklins vorkommt, schreckt mich durchaus nicht ab, dieses
und wenn es nötig ist, auch noch einiges mehr über das
Wesen unserer deutschen Kunst zu sagen. Mein und Lieber-
manns gemeinschaftlicher Freund Bayersdorfer wird vom
Elysium sein sarkastisches Lächeln haben, wenn er sieht, daß
sein ältester Freund auch zugleich seine Sache verficht. Es ist
im höchsten Grade albern von mir, einen verstorbenen Freund
in einen Streit hineinzuziehen — aber Herr Liebermann hat
dies zuerst getan.
Uebrigens will ich hier noch die altbekannte Wahrheit
aussprechen, daß der Schwerpunkt aller Kunst aus einer Ganz-
heit der Menschennatur hervorgeht, die ich jetzt die poetische
nennen will; die geflügelte Phantasie, die ordnet die Mittel
zuin Ausdruck, ob sie nun in Wort, Ton, Farbe, Stein u.s.w.
dies tut. Diese bildende Seelenkraft siegt immer wieder über
alle Macherei und Rechnerei, auch über den öden Akademis-
mus, dem jede Theorie in die Arme laufen muß.
Daß die Abwehr, die Thode unternimmt, sich nicht gegen
die französische Kunst richtet, das wird auch der dümmste
Franzose begreifen. Die französische Kunst in allen Ehren!
Aber es handelt sich nur um Aufrechterhaltung unserer deut-
schen Kunst uud Art, um Bejahung deutschen Wesens.
Mag der deutsche Kuustmichel andern gefallen oder
nicht und möge sich auch eine ganze Klaffe von Deutschen,
wie sie es immer getan haben, über seine Unbeholfenheit
 
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