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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 9
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Aus dem Beschwerdebuch der Künstlerschaft, [2]
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Ule, Carl Hermann: Nochmals der heilige Bureaukratius in Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0127

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Heft 9.

Die Werkstatt der Ärmst.

s23

undzwanzig Pfennig bietet. Außerdem ist —-
abgesehen von aller Geschästsmäßigkeit — der
Ton des Schreibens wahrhaftig nicht derart, wie
ihn ein Künstler doch wohl beanspruchen darf.
jedenfalls liefert dieses schreiben einen trau-
rigen Beweis dafür, welcher Ton und welche
Gebote heute einem Künstler zugemutet werden.
Angenommen, ein Waler könnte pro Tag
zehn Karten sertigstellen, was aber schon bald
an Maschinenarbeit erinnert, so würde er bei
s5 Pfennig pro Karte Mark P50 verdienen,
günstigstenfalls Mk. 2.50, — d. h. soviel, wie
jeder gewöhnliche Taglöhner verdient.
Zu alledem muß der Künstler dann noch
seine Arbeiten einer zweifelhaften Kritik unter-
stellen und es kann leicht sein, daß er von seiner
Tagesarbeit so und so viel als „Nichtkonvenie-
rendes" zurückerhält.
Daß ich der Hirma für ihr glänzendes An-
erbieten gedankt habe, ist ja selbstverständlich,
und wünschte nur, daß jeder so handeln würde.
Ich überlasse es Ihnen, die Tache event.
in Ihrem geschätzten Blatte zu veröffentlichen;
das schreiben der Hirma, das ich mir als Ku-
riosum aufheben will, erbitte ich mir hösl. zurück.
N. N.,
Mitglied der Münchener Künstler-Genossenschaft.
Wir glauben, daß diesem „größten" Atelier
und Spezialgeschäft seiner Art in Deutschland der
verdiente Lohn für sein schofles „Anerbieten" schon
dadurch wird, daß der Name dieser Hirma in der
„Werkstatt" an der Hand der Akten zur allgemeinen
Kenntnis der Künstlerschast gelangt. Diese wird
nun wissen, was sie von einer „Geschäftsverbindung"
mit einer solchen Hirma zu erwarten hat.
Tin wunder Punkt im Kunstleben ist das Ab-
bieten der Kauflustigen an den Bilderpreisen in
den Kunstausstellungen. Dieses Abbieten geschieht
teils mündlich, teils schriftlich. Daß dabei auch die
Horm manchmal sehr verletzend für den Künstler
ist, geht aus dem folgenden schreiben hervor, das
Herr Kunstmaler Hrobeniusm München uns zur
Veröffentlichung übergab. Der Antrag lautete:
Höchst a.M., den 2p Oktober z<)op
Herrn Herin. Frobenius, München, Friedlichste. t5.
Im Münchener Glaspalast sahen wir ein Gemälde —
Deutsche Landschaft Nr. 239, Saal 23 —; wir könnten
dasselbe gebrauchen, wenn es sich in der Preislage von

vier- bis sünfhundert Mark bewegte. Ihren gefall.
Nachrichten entgcgensehend, zeichnen
Hochachtungsvoll
Heist 6c Hobraeck.
Das fragliche Bild, das übrigens schon ver-
kauft war, ehe diese robuste Anfrage kam, war
mit s600 Mark angesetzt. Was für Anschau-
ungen von Kunst und Künstlern müssen Leute haben,
die den vierten Teil bieten! Wenn mündlich
derartige Angebote erfolgen, sollten die Ausstellungs-
sekretäre es zurück weisen, sie an den Künstler
gelangen zu lassen. Tonst greift die Korruption
immer weiter, denn wer heute nur ein Viertel bietet,
bekommt sehr leicht die Neigung, das nächstemal
nur ein Hünftel zu bieten. Ganz wird das Ab-
bieten sich schwerlich beseitigen lassen. Telbst wenn
es offiziell aus den Ausstellungen verbannt würde,
so wäre nur die private Hortsetzung beim Künstler
um so sicherer. Aber eine Grenze muß das Ab-
bieten da finden, wo es „unverfroren" zu werden
beginnt.
Hocbmals äer beittge Rureaukratius
in Vayern.
Zufolge meines an die Kgl. Regierung von Gberbayern,
Uaminer des Innern, gerichteten offenen Briefes vom p Ok-
tober L. o. sind mir öffentlich und privatim dafür, daß ich
mich mit gutein Rechte gegen die mir widerfahrene Unbill
gewehrt habe, zahlreiche Zustimmungen zugegangen. Die An-
gelegenheit selbst darf wobl auch ein allgemeines Interesse
beanspruchen, denn wenn jeder eine solche Behandlung, wie
sie mir zuteil wurde, gleichgültig hinnähme, könnten die Fälle,
daß künstlerische Betriebe den handwerksmäßigen gleichgestellt
werden, sich in Zukunft leicht wiederholen. Es ist deshalb
gut, daß nicht alle Männer so sanfter Gesinnung sind, als
Herr Julius Mössel, auf dessen Auslassungen ich hier nicht
mehr weiter einzngehen brauche.
In meinem offenen Briefe habe ich mich zunächst nur
mit Widerlegung einiger Punkte gegen die Entschließung der
Ugl. Regierung gewendet. Nachträglich möchte ich aber noch
eine weitere, mindestens nicht ganz einwandfreie Stelle jener
Entschließung der Oeffentlichkeit bekannt geben.
Die Ugl. Regierung schließt nämlich ihre Zusammen-
fassung der eingeholten Gutachten, aus welchen sie die Be-
gründung des Urteils herleitet, mit folgenden Worten:
„Endlich erklärtauch die Handwerkskammer von Ober-
bayern auf Grund persönlicher Information von
sachverständigen Mitgliedern, daß in dem Ule'schen
Geschäftsbetrieb von einer Glasmalerei keine Rede sein
könne, alle bisher gelieferten Arbeiten sich vielmehr als
Produkte der Uunstverglasung darstcllen, die auch von an-
deren tüchtigen Glasermeistern hergestellt werden können."
Man lese und staune! Nur unverantwortliche Leicht-
fertigkeit kann ein solches, im Widerspruch mit dein offen-
kundigen Sachverhalt stehendes Gutachten zustande bringen.
Hätte es die Ugl. Regierung wenigstens der Mühe für wert
erachtet, mir Gelegenheit zu geben, durch die angebotene Vor-
lage meiner Bücher bezw. durch den Nachweis der von mir
ausgeführten Arbeiten, mich über die von ihr selbst vermutete
Unwahrscheinlichkeit der in dem Gutachten enthaltenen Be-
hauptungeil zu äußern! Nichts der Art! Der sonst dem Ju-
risten heilige Satz: ^.uäiulur el ulteru purp wird außer acht
gelassen. Es wird zwar von der Regierung zugestanden, daß
 
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