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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 18
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An die Künstler, die in St. Louis ausgestellt haben!
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Eine deutsche Kunstakademie in Rom?
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0252

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Die Werkstatt der Kunst.

Heft 18.

gemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft in Dresden
weitergeben und sichert im übrigen strengste Dis-
kretion zu.
Eine deutsche Kunstakademie in Rom?
In jüngster Zeit taucht der alte, schon wieder-
holt in Aussicht genommene plan der Begründung
einer deutschen Kunstakademie in Rom in be-
stimmterer Horm auf. Es würde sich hierbei darum
handeln, mit den Mitteln des Reiches in der ewigen
Stadt ein ähnliches Institut ins Leben zu rufen,
wie die französische Akademie auf dem Monte pin-
cio, deren Direktor gegenwärtig Tarolus Duran ist,
und die spanische auf dem Gianicolo, die längere
Zeit von Benlliure y Gil geleitet wurde und jetzt
unter Jose Billegas steht. Dem Bernehmen nach
soll allerdings eine völlige Aebereinstimmung im
Schoße des Bundesrats noch nicht erzielt worden
sein. Wie diese Dinge im einzelnen liegen, ist noch
nicht zu übersehen, wir möchten jedoch nicht ver-
säumen, von vornherein darauf hinzuweisen, daß
weite Kreise der Fachleute, Kenner und Kunstfreunde
sich von der Einrichtung einer solchen Akademie
in Rom nicht viel versprechen. Auch die Fran-
zosen sind in letzter Zeit von den Resultaten ihrer
Akademie in der Billa Medici, wo sich die mit
dem Brix cke kdome ausgezeichneten Künstler vier
Jahre unter der Aufsicht des Direktors aufhalten
dürfen, keineswegs sonderlich begeistert, und immer
wieder, zumal in jüngster Zeit, hat sich eine leb-
hafte Opposition gegen die ganze Einrichtung gel-
tend gemacht. Wenn die Franzosen trotzdem ihre
römische Akademie, die sie als einen Appendix ihrer
altehrwürdigen pariser Institutionen betrachten, bis-
her noch nicht eingehen ließen, so ist das für an-
dere Völker doch noch kein Grund, das kostspielige
Experiment zu wiederholen. Die Begründung der
französischen und spanischen Akademie stammt aus
den Zeiten, da nicht nur das Studium, sondern gerade-
zu die Nachahmung der antiken Kunst oberstes
Prinzip war.
Die Verhältnisse haben sich jedoch seitdem von
Grund aus verändert. Die gesamte Kunstentwick-
lung der europäischen Völker ist nach dem Abschluß
der klassizistischen Epoche nicht mehr von Rom be-
herrscht worden. Der Schwerpunkt der modernen
Malerei lag seit Jahrzehnten und liegt noch heute
weit mehr in Frankreich, Belgien und polland,

als in Italien. Es würde lediglich eine weitere
Stärkung und Ausbreitung des akademischen Geistes
im ungünstigen Sinne dieses Wortes bedeuten, wenn
man jetzt die jungen Maler wieder mehr auf Rom
Hinweisen wollte.
Was wir in Deutschland brauchen, ist
gerade im Gegenteil eine freiere Gestaltung
des künstlerischen Unterrichts wesens. Wir sind
jetzt, wie man bei schärferem pinsehen deutlich er-
kennen kann, gerade dabei, die modernen Auslands-
lehren in einer unserer Art und Empfindung ent-
sprechenden Weise auszubauen; diesen Prozeß sollte
man ruhig gewähren lassen, womöglich pflegen,
jedenfalls aber nicht stören. Gewiß, wirbrauchen
die Traditionen der Vergangenheit, ohne
deren verständnisvolle Verarbeitung keine gedeih-
liche Entwicklung denkbar ist, und zu diesen Tra-
ditionen gehören die der Antike und der Renais-
sance in erster Linie; aber wir brauchen min-
destens ebenso dringend ein gründliches Er-
fassen dessen, was rings um uns lebendig
ist, ein Studium der großen, nordischen, speziell der
germanischen Kunst der jüngeren Vergangenheit, ein
Durchdringen des modernen Lebens, ein Geltend-
machen der spezifischen Empfindung, Naturauffas-
sung und malerischen Anschauung der Gegenwart.
Junge deutsche Künstler, die jahrelang in Rom
studieren, werden immer wieder in der Gefahr sein,
nicht zu perren, sondern zu Sklaven der antik-ita-
lienischen Traditionen zu werden. Selbst die Bild-
hauer, für die ein Aufenthalt in Italien von ganz
anderer Bedeutung ist als für die Maler, könnten
sich durch ein akademisches Getriebe in Rom dem
heimatlichen Geiste, ohne den eine wahrhaft große
Kunst nie gediehen ist und gedeihen kann, allzu-
sehr entfremden. Ja, für sie ist die Gefahr um
so drohender, als die südlichen Neberlieferungen hier
noch weit mächtiger sind als für die Kollegen von
der Malerei.
Will das Reich etwas Ernstliches für die Kunst
tun, so sollte es die beträchtlichen Summen, welche
die Begründung und Erhaltung einer römischen
Akademie verschlingen würden, lieber zu freien
Reisestipendien verwenden, die es jungen oder
älteren Künstlern ermöglichten, sich nach perzens-
lust in der Welt zu tummeln und ihre Studien da
zu machen, wohin sie ihre Neigung treibt. Die
Vorlegung der in der Stipendienzeit entstandenen
Studien und fertigen Arbeiten wäre Kontrolle genug.
 
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