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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 46
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Vom Deutschen Künstlerbund, [2]
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Holbein und Böcklin
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0630

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626

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 46.

Rlännerstolz vor Königsthronen eine Krone gereicht
wurde, womit die langersehnte Vorherrschaft Berlins
glücklich perfekt gewesen wäre."
Nach dieser Einleitung befaßt sich Schäfer im
einzelnen mit der Kritik der Ausstellung, welche,
bei aller rückhaltslosen Anerkennung dessen, was
nach dem Urteil des Verfassers anzuerkennen ist, in
ihrem ablehnenden Teile geradezu vernichtend für
den Künstlerbund überhaupt ausfällt. Außer dem
einzigen Saal IX, sagt Schäfer, wo mit ziemlicher
Naumverschwendung gewirtschaftet ist, außer den
Kollektivräumen der Hobler und Klimt sowie etwa
noch dein Zimmer VI sind alle Räume derart voll-
gehängt, daß man den Gedanken nicht los wird,
hier hat nicht die künstlerische Ausstellungs-
leitung Kunstwerke gehängt, sondern die Ge-
schästsleitu ng Paul Lassirer ei neu La den auf-
gemacht.
Die gesamte Beweisführung des Verfassers kon-
zentriert sich im übrigen auf die Darstellung des
Gedankens, daß die zweite Ausstellung des Künstler-
bundes in Berlin den Untergang der so groß und
schön begonnenen Sache bedeute, indem die Berliner
Sezession, eine den Auslandsmoden huldigende und
daher undeutsche Künstlergemeinschaft, es verstanden
habe, den Deutschen Künstlerbund als Vorspann zu
benutzen lediglich für sich. Die großen national-
künstlerischen Erwartungen, welche an die Gründung
des Deutschen Künstlerbundes geknüpft wurden, hätten
sich als trügerisch erwiesen.
Iver sich eingehender über diese Kritik zu unter-
richten wünscht, den weisen wir daraus hin, daß
der Aussatz auch als Sonderabdruck soeben er-
schienen ist.
Holdem und köcklm.
Der von Vr. L. v. Bürckel (Fiesole) in den
„Ulünchn. Neuest. Nachr." veröffentlichte, von uns
bereits in Heft siG angekündigte Aussatz, welcher sich
mit der Uleier-Graefe'schen Kunstkritik beschäftigt, hat
folgenden Wortlaut:
Die Kämpfer für die moderne deutsche Kunst, deren
wurzeln in Paris liegen und deren Früchte in Berlin zur
Erde fallen, sind heute so überzeugt von der hohen Bedeu-
tung ihres Schützlings, daß sie vergleiche mit Werken der
alten Kunst für wohlangebracht halten, um den wert des
Neuen klarzustellen. Steigen die einen durch diese ehrenden
vergleiche in den siebenten der Himmel, so ist es nur ver-
ständlich, wenn Unwürdige dadurch so unmöglich gemacht
werden, wie sie es verdienen, von den letzteren ist einer Ar-
nold Böcklin — nach Meier-Graefe. wie unglücklich hat
er's getroffen, sich mit dem Tod gemalt zu haben, einen Vor-
wurf genommen zu haben, der sehr ähnlich bei dein jüngeren
Holbein zn finden ist. Erscheint doch auf Bryan Tukes Bild-
nis der Münchner Pinakothek hinter dem Schatzmeister Hein-
richs VIII. der Sensenmann, welch' peinliche vergleiche drängen
sich auf! Hören wir, was Meier-Graefe zu sagen weiß: „Der
Zufall will," ist im Fall Böcklin zu lesen, „daß der soeben
besprochene Vorwurf Böcklins drei und ein halbes Jahrhun-
dert vor ihm einem der größten Maler der Vergangenheit
diente, einem Ahnen deutscher Kunst, vor dem wir uns alle
in Verehrung beugen: Holbein. Und das Bild ist eines seiner

Meisterwerke geworden." Nachdem der Vorwurf besprochen ist,
geht Meier-Graefe auf die Vergleichung des Malerischen in
beiden Bildern ein, denn die Wirkung von Hans Holbeins
Bild hat ihren Grund darin, daß es phänomenal gemalt ist
und das andere nicht. „Man vergleiche die grobe Unsicherheit
Böcklins, seine kaum zusammenhängende Materie mit
der Art des andern. So überwältigend ist die Kunst in dem
Schatzmeister, daß nichts von dem Bedenklichen bleibt. Der
furchtbare Kontrast im Gegenstände geht vor dem Kontraste
der Farben unter. Das höhere Wunder geschieht: die
Schöpfungder Materie. Unendlich größer als der Mut, zwei
so heterogene Dinge wie Leben und Tod zu vereinen, ist die
Erfindung dieser Harmonie von Olive, Gold und
Schwarz; unübertrefflich diese Zusammenstellung der Stoffe
im Kostüm, die sicher schon im Leben bewundernswert waren,
hier aber eine über alles Brokat und Gold weit hinaus gehende
Pracht erreichen. Das Reichste vor allem aber scheint
mir just der Tod. Er steht mit seinem Olive nicht nur in dem
herrlichen Kontrast zum Fleischton, der schwarzen Seide u. s. w.,
nicht nur bildet er in Umriß und Modellierung eine dem übrigen
überraschend angeschmiegte Arabeske (!), sondern er entwickelt
noch obendrein in sich selbst eine nur dem Hauch ver-
gleichbare Abstufung der Farbe vom fahlen Grau-
braun bis zum starken Olive. Dadurch löst sich das
Scheußliche in Schönheit. Es verschwindet nicht, wir sehen
es ja deutlich, deutlicher als bei Böcklin, es verliert nichts
von seiner sichtbaren Art. Ls geht in eine höhere Existenz
über. Hexerei gibt es nicht. So muß also wohl die Malerei
der Wundertäter sein."
Nun wäre dies alles recht schön und gut, wenn es so
wäre. Das Unglück aber wollte, daß Di-. Karl voll, der
Konservator der Münchner Pinakothek, just zur selben Zeit,
als Meier-Graefes Auslassungen erschienen, mit der Detail-
untersuchung des Holbein'schen Bildes beschäftigt war. Seine
Resultate, die er denen Meier-Graefes in lustiger Art ent-
gegenstellt, lauten überraschend anders. Im demnächst er-
scheinenden Heft der „Süddeutschen Monatshefte", nach
dessen Korrekturabzug ich dies mitteile, wird man die Frage
behandelt finden.
Vr. Karl voll hat nämlich, angeregt durch eine Notiz
waagens, zunächst das zweite Exemplar des Holbein'schen
Bildnis — ohne Erfolg — gesucht. Dieses ist ohne die Figur
des Todes. Nach diesem Mißerfolg ist er an die Untersuchung
des Münchner Bildes gegangen und kam zu folgenden Wahr-
nehmungen: „Der Tod hat nicht nur auf der englischen Re-
plik gefehlt, sondern ist auch ursprünglich auf dem Münchner
Exemplar nicht gewesen. Man sieht deutlich, daß die für die
Untersuchung der Echtheit alter Bilder so wichtige Sprung-
bildung bei dem eigentlichen Bildnis so fein und zart ist
wie bei den altdeutschen Gemälden überhaupt, während sie
auf dem ganzen Hintergrund — das Totengerippe mit ein-
begriffen — nicht nur viel gröber, sondern überhaupt prin-
zipiell anders ist. Es kann somit kein Zweifel wallen,
daß der Hintergrund von einer Farbmasfe bedeckt
ist, die anderer Art ist, als die des Porträts selbst."
Peinliche weitere Untersuchungen bestätigen das walten zweier
Hände im Bild. Unter der über die Schulter Tukes greifen-
den Hand des Todes schimmert noch die Linie des Kleides
durch und das Stundenglas, auf das der Tod weist, verträgt
weder kompositionell noch malerisch die Prüfung auf Holbeins
Hand. Der Tod also, samt seinen Attributen, ist spätere Zu-
tat, die zum Porträt selbst einen unversöhnlicheren Gegensatz
bildet als Heiß und Kalt, Süß und Sauer; denn die Be-
handlung des Todes ist tonig warm, während das Porträt in
vornehmem kühlem Lmailglanz leuchtet.
Soweit das Bild an der wand eine Untersuchung zu-
läßt, habe ich Or. Karl volls Notizen verfolgt und habe
seine Wahrnehmungen anerkennen müssen. Man sieht am
Beispiel, daß eine völlige Ausschaltung der Wissenschaftlich-
keit aus der Kunsthistorie doch mitunter zu peinlichen Kon-
flikten mit der rückständigen, älteren Richtung führen kann.
Vr. voll setzt sich mit Meier-Graefe folgendermaßen ausein-
einander: „vieles von dem, was Meier-Graefe an Holbein
 
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