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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 15
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Die Bildhauer-Wettbewerbe und die preussische Regierung
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Zur Kritik der deutschen Kunstzustände, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0212

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206

Die Werkstatt der Kunst.

Heft s5.

liehen Arbeiten haben sich damit einverstanden
erklärt. Alinister Budde will ihre Beachtung
überall da anordnen, wo bildhauerische Arbeiten
bei staatlichen Bauten im Wege des Wettbewerbs
vergeben werden. Die Grundsätze verlangen, wie
seinerzeit mitgeteilt, u. a., daß die Mehrzahl der
Preisrichter aus bildenden Künstlern bestehen,
mindestens aber zwei Bildhauer darunter sein
müßten. Für den Entwurf soll nichts Ueber-
flüssiges verlangt werden. Die Preise sollen in
einem bestimmten Verhältnisse zur Ausführungs-
summe stehen. Nur das Modell des zur Aus-
führung bestimmten Entwurfes wird Eigentum
des Preisausschreiben.
Wer Näheres über diese Grundsätze erfahren
will, findet sie im Wortlaut in der „Werkstatt der
Kunst" vom 26. Eeptember mitgeteilt.
Hoffentlich wirkt das Beispiel der preußischen
Negierung vorbildlich auch für die Gern ein den
und alle, die Bildhauerarbeiten im Wege der
Konkurrenzen zu vergeben haben.
2ur Kritik
äer cleutscben Kunslzustäriäe.
ip
Nachdem ich gezeigt zu haben glaube, daß in Deutsch-
land zur Zeit aus dem Gebiete der Malerei ein Liebeswerben
sondergleichen um „fremde Gunst" eingerissen ist, dürfte es
am Platze sein, zu untersuchen, wie sich das Ausland dem-
gegenüber verhält, ob es das deutsche Entgegenkommen er-
widert und durch Veranstaltung jährlicher „Internationalen"
und durch Einladungen an deutsche Künstler sich zu revan-
chieren sucht, wäre das der Fall, so könnte ja in Deutsch-
land niemandem ein Vorwurf gemacht werden, denn der Aus-
fall auf dem heimischen Markte würde durch den Export
deutscher Bilder in das Ausland einen Ausgleich finden. Leider
muß festgestellt werden, daß von einer Revanche so gut wie
nichts zu verspüren ist; im Gegenteil schließt sich, wie ich gleich
anfangs angedeutet habe, das Ausland mehr und mehr gegen
deutsche Kunst ab, je dringender wir seine Künstler zu unseren
Ausstellungen heranzuziehen bemüht sind. Das ist, ideal ge-
nommen, allerdings vom Auslande nicht schön gehandelt, vom
geschäftlichen Standpunkte dagegen weise und vorsichtig. Einige
fremde Nationen, England, Rußland, Schweden und Nor-
wegen, Portugal, Spanien und die Schweiz, veranstalten fast
gar keine internationale Kunstausstellungen, die wenigen aber,
die das eine oder andere Land ja einmal unternimmt, haben
eine so untergeordnete Bedeutung oder stellen so ungünstige
Bedingungen (namentlich bezüglich der Jury uud Porto-
zahluug) für den fremden Aussteller, daß es dem deutschen
Maler im Durchschnitt unmöglich gemacht wird, sie zu be-
schicken. Andere Länder, wie Amerika, Frankreich, Belgien
und polland, setzen nur bei Gelegenheit von internationalen
Industrie-Ausstellungen auch solche von Gemälden ins Werk,
also verhältnismäßig nur recht selten. Bei keiner dieser Aus-
stellungen aber ist bisher, wie es in Deutschland stets ge-
schieht, Portofreiheit zugesichert worden, vielmehr haben, falls
die Beschickung einer solchen von den deutschen Künstlern ge-
wünscht wurde, das Reich und die Kuustgenossenschaften die

sämtlichen Kosten, selbst die für die Ausschmückung der Säle,
zu tragen gehabt.
Um zahlenmäßig nachzuweisen, wie geringfügig der Ge-
winn des deutschen Künstlers aus den „Internationalen" des
Auslandes ist im vergleich zu dem fremder Künstler aus den
Ausstellungen Deutschlands, vergleichen wir einmal die Re-
sultate der letzten acht Jahre hüben und drüben. Es stehen
hier zwölf „Internationalen" Deutschlands (acht Münchens,
vier Berlins) nur zwei des Auslandes gegenüber, nämlich
Melbourne (888 und Chicago (89z. Auf den zwölf Aus-
stellungen Deutschlands verkauften fremde Künstler für ins-
gesamt 2 788 55H Mk. Kunstwerke (und zwar in München für
2 (5(000 Mk., in Berlin für 657 55^ Mk.), dagegen ver-
kauften deutsche Künstler in Melbourne und Chicago für zu-
sammen 256 629 Mk. (in Melbourne für (22 6H( Nk., in
Chicago für ((3 988 Nk.). Rechnen wir nun noch die bei
allen diesen Ausstellungen von Deutschland allein getragenen
Unkosten für Porto u. f. w. zu, resp. ab, so find im ersten
Falle, gering veranschlagt, 560 000 Mk. zu-, im zweiten etwa
(70 000 Mk. abzusetzen und es stehen dann z (^8 55H Mk. nur
66 629 Nk. gegenüber. Wenn nun auch nicht die ganze Summe
von 2 788 55^ Mk. auf das Konto deutscher Käufer zu setzen
ist, so bleibt doch immerhin noch genug übrig, um behaupten
zu können, daß der deutschen Kunst seit (888 durch die „Inter-
nationalen" an und für sich schon sehr bedeutende Mittel zu
Gunsten des Auslandes entzogen worden sind, während dieses
auch nicht im entferntesten ein Aequivalent hiefür geboten hat.
Mit diesem finanziellen Vergleiche will ich hier auch einen
solchen in Bezug auf die Preis- und Medaillen-Verleihung in
Deutschland und im Auslande verbinden. Auch bei dieser
darf Deutschland den Ruhm größerer „Noblesse" für sich in
Anspruch nehmen, denn während Melbourne nur „Preise"
(wahrscheinlich nichts kostende Diplome), Chicago nur bronzene
Medaillen zuerkannte (und erst nach Ablauf von drei Jahren
aushändigte), verliehen München und Berlin kostbare goldene
Medaillen, die, infolge deutscher Höflichkeit und Rücksichtnahme
gegen die ausländischen Preisrichter und Aussteller, vorwiegend
an fremde Künstler gelangen, — oft sogar ohne jedes Ver-
dienst. Um das zu erweisen, genügt es, die Medaillen-Re-
sultate zweier internationalen Ausstellungen, der (89( in
Berlin und (892 in München veranstalteten, hieranzugeben:
(89( erhielten in Berlin von (325 deutschen Werken nur H
die große, 2H die kleine goldene Medaille, dagegen von ((3H
fremden (5 die große, H9 die kleine goldene Medaille. In
München (892 kamen auf (2^( deutsche Werke 5 große,
26 kleine, — auf (9^( fremde (7 große, 36 kleine goldene
Medaillen. Der Uneingeweihte muß aus diesem Resultate
unbedingt den Schluß ziehen, daß die deutsche Kunst der fremden
sehr beträchtlich nachstehe, da er den bei der Verteilung der Me-
daillen üblichen Modus nicht kennt, nicht weiß, daß aus-
ländische Juroren in großer Anzahl, ja oft in der Mehrzahl,
an den betreffenden Beratungen stimmberechtigt teilnehmen,
und weil er auch nicht zu ermeffeu vermag, wie weit bei solcher
Gelegenheit die deutsche „Höflichkeit" getrieben wird. Ich kann
mit meiner Meinung nicht znrückhalten, daß es ein durchaus
verfehlter, ja für das Ansehen der deutschen Kunst in der
Folge höchst nachteiliger Modus ist, zu der Medaillen-Ver-
leihuug bei Ausstellungen, die ausschließlich mit deutschen:
Gelde ins Werk gesetzt werden, fremde Juroren mit Stimm-
berechtigung heranzuziehen. Nach meinem Dafürhalten
müßten die Künstler der Stadt, die eine inter-
nationale Ausstellung auf ihre Kosten und Gefahr
v eranstaltet, auch eiuzig und allein berechtigt sein,
die Vorschläge für die zur Verteilung gelangenden
Medaillen zu machen. Dadurch würde, deu Wechsel solcher
Ausstellungen in den verschiedenen Städten oder Ländern an-
genommen, das internationale Ensemble der Kunstleistungen
auch einer wechselnden Beurteilung ausgesetzt und zugleich
verhütet werden, daß die Künstler jener Stadt, zu ihren Mühen
uud Risikos, auch noch aus Höflichkeit gegen ihre Gäste bei
der Nedaillen-Verteilung zurückstehen oder bei einer Mehrzahl
der fremden Juroren sich überstimmt sehen müsse,:.
(Schluß folgt.)
 
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