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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 5
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Hollenberg, Felix: Zur Reform der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft, [9]
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Die neue Kunstrede des Kaisers
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0071

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Heft 5.

Die Werkstatt der Aunst.

67

Ein Blick auf andere Interessenvertretungen —-
welcher Art sie immer seien und welche Berufe sie
vertreten — zeigt zur Evidenz, daß nur durch das
feste Zusammenhalten aller Interessenten Großes
erreicht werden kann. Welche Wacht haben sich
doch die Organisationen der einfachsten Arbeiter,
die einzeln wohl die schwächste wirtschaftliche Po-
sition haben, durch eine dreißigjährige Erziehung
zur straffsten Solidarität, erobert. Es ist geradezu
imponierend zu sehen, wie diese schlichten Menschen
durch das feste Eintreten für die gemeinsamen
Interessen und durch große, in Erkenntnis ihrer
Notwendigkeit freudig gebrachten Opfer, sich eine
fest gegründete Machtstellung geschaffen haben, von
der keine Gewalt sie abdrängen kann.
Was aber die einfachsten und gedrücktesten
Menschen erreichten, die nicht nur wirtschaftlich,
sondern auch in Bezug auf Erziehung und Bil-
dung auf der allerniedrigsten Stufe standen, die
mit eiserner Energie und unter den größten Wider-
ständen sich zuerst das Wissen aneignen mußten,
das nötig war, um in Wort und Schrift ihre Inter-
essen vertreten zu können, sollte das, was diese Ent-
erbten der Gesellschaft unter unsäglichen Mühen
errungen haben, für die Aünstler, die eine in jeder
Hinsicht bessere und günstigere Stellung einnehmen,
unerreichbar sein?
Ich glaube, nein! Es ist möglich, die Zu-
stände zu verbessern, es ist nicht einmal besonders
schwierig, die Wunden zu heilen, die jahrzehnte-
lange Gleichgültigkeit so gefährlich werden ließ.
Aber eins ist dazu vor allem nötig: Einig-
keit unter den deutschen Aünstlern, Einig-
keit und der unbeugsame Wille, der Allge-
meinen deutschen Aunstgenossenschaft eine
neue, festere und bessere Grundlage zu geben.
Wenn man mit ruhigem, klarem Verstand
alle bestehenden Schäden und Mängel untersucht
und die neuen Wege, die zu einem besserem Ziele
führen, prüft, so gewinnt man die felsenfeste Ueber-
zeugung von der Notwendigkeit, und zugleich die
unbedingte Gewißheit von dem glücklichen Erfolg
eines heilsamen Eingriffes.
Am aber alles das, was der ruhige, klare
Verstand als richtig, gut und durchführbar aner-
kannt hat, auch in die Wirklichkeit treten zu lassen,
muß man mit warmem Herzen zur Tat schreiten.
Mit warmem, großem, gutem Herzen muß man
über die kleinen, kleinlichen und nebensächlichen

Bedenken wegschreilen, unbekümmert um warnende
Unkenrufe dem hohen Ziele der gemeinsamen Wohl-
fahrt und der Einigkeit aller deutschen Aünstler
entgegen, und in diesem Sinne rufe ich jedem Aol-
legen die Worte zu, die ein französischer National-
ökonom einem seiner Schüler zurief: Wisse, daß
man begeistert sein muß, um große Dinge
zu vollbringen. V'elix Nolleliderg.
Ein bekannter Düsseldorfer Aünstler schreibt
uns: „Die Artikel des Herrn Hollenberg sind eine
Tat für die deutsche Aünstlerschaft." Wir fügen
dem hinzu: Möge nun auch die Aünstlerschaft zur
Tat schreiten! „D. W. d. A."
Oie neue Kunstrecle cles Kaisers.
Bei der Einweihung des Aaiser Friedrich-
Denkmals und -Museums in Berlin hielt der Kaiser
eine Rede, in der er sagte:
„Wenn wir heutzutage unsere Kuust von entgegen-
gesetzten Richtungen zerklüftet sehen, die sich be-
fehden und von denen die eine über die andere sich hin-
wegzusetzen bemüht ist, wenn es sich dabei zum Teil
nach Meiner Ueberzeugung, wie Ich das schon öfter her-
vorgehoben habe, um Irrwege handelt, die von dem
wahren Schönheitsideal weit absühren, so sollten sich
unsere Künstler mit um so mehr Ernst ins Bewußtsein
rufen, welch' hehre Güter in ihre Hand gelegt sind. Aber
nicht jene Gegensätze sind es, von denen Ich heute reden
will, angesichts des Friedensfürsten, dem die heutige Feier
gilt, liegt Mir viel mehr daran, dasjenige zu betonen,
was geeignet erscheint, die getrennten Rich-
tungen wieder einander näher zu bringen. Es
ist das Studium der Aleister der Vergangenheit,
welches nach Meiner festen Ueberzeugung vor allem dazu
befähigt, in die Probleme der Kunst einzuführen.
So wenig es dem Genie versagt sein kann, aus un-
bekannten und verborgenen Tiefen zu schöpfen, so wenig
kann es richtig sein, wenn jüngere Künstler sich von
alter Tradition und Schule lossagen zu können
meinen. Der unerschütterliche Ernst, das heilige Streben,
mit dem ältere Meister um das Ideal der Kunst gerungen
haben, bietet auch dein Künstlertum unserer Tage ein un-
erreichtes Vorbild und sollte namentlich in der jüngeren
Generation Selbstkritik, Bescheidenheit und Achtung vor
den Leistungen anderer fördern. Nur so wird ein gegen-
seitiges Verständnis ungebahnt und dem wahren Fort-
schritt der Kunst gedient werden.
Daß die Sammlungen dieses Museums hierzu und
zu einer einheitlichen Weiterentwicklung der Kunst auf
nationaler Grundlage beitragen möchten, ist Mein heißester
Wunsch und entspricht — des bin Ich gewiß — in be-
sonderem Maße den hohen Zielen Kaiser Friedrichs, dessen
Streben alle Zeit auf die pflege des historischen Sinnes
und die Förderung der idealen Auffassung der Kunst ge-
richtet war. Herrlich hat der hohe Herr diese Ziele in
einer Ansprache bei der 50 jährigen Jubelfeier der Museen
Im Jahre ^880 selbst bezeichnet, indemIr die unvergeß-
lichen Worte sprach: ,Wir wissen, wie in den Tagen unseres
größten nationalen Unglücks, als alles zu wanken schien,
der Gedanke an die idealen Ziele des Menschen sich schöpfe-
risch stark und lebendig erwies! Dankbar dürfen wir heute
 
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