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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 29
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Geheimrats Lewald Ansichten über die wirtschaftlichen Aussichten der deutschen Kunst in Amerika
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s^eäaklem: I)emrick Sleinback.

IV. Jakrg. ^ k)elt 29. A 1/. Kprtt 1905.

Gebeimrats Le^oalcL Klnsicblsn über clre nirtsebastUckeri Uussicbten
cler cteutscben Kunst m Amerika. )

„Es lastet seit einer Reihe von Jahren auf unseren
Künstlern ein wirtschaftlicher Druck. Man weiß ja zur Ge-
nüge, daß niemand geneigter ist, die hohe Freude künstle-
rischen Schaffens mit den unausbleiblichen Leiden und Ent-
behrungen zu bezahlen, als der begabte Sohn der Musen.
Aber es gibt auch hier Grenzen. Und lange schon haben die
Beteiligten zu erforschen gesucht, was die eigentlichen Ur-
sachen dieses Rückschritts sein mögen, der durchaus nicht so
leicht begreiflich ist, nachdem gerade die kaufkräftigen Ele-
mente von der wirtschaftlichen Depression nicht in einem so
besonders bemerkenswerten Grade betroffen zu sein scheinen,
daß er zur Erklärung hinreichend wäre. Einen der Gründe
glaubt man, und zwar mit Recht, in dem Rückgang des
Exports nach Amerika gefunden zu haben. Man schob die
Schuld an dieser Tatsache den verschiedensten Umständen zu,
die aber wohl alle sich nicht als stichhaltig erwiesen. Es war
uns das schon früher durch Unterredungen mit amerikani-
schen Händlern bekannt. Nun hatten wir jedoch in den jüngsten
Tagen hierüber das Urteil eines Mannes zu hören, der, ohne
in der Sache beteiligt zu sein, in der Lage sich befindet, in
dieser so hochwichtigen Angelegenheit sich mit ebensoviel Ver-
ständnis wie Objektivität zu äußern. Das Urteil gewinnt
dadurch an wert, daß es sich mit den Ansichten der amerika-
nischen Kunsthändler — diese Branche ist dort fast ausschließ-
lich in deutschen Händen — so ziemlich deckt.
Nach der Anschauung dieser Herren ist es weder der
wirtschaftlichen Lage, noch den Zöllen, oder gar politischer
Abneigung zuzuschreiben, wenn der Amerikaner heute weniger
deutsche Bilder erwirbt, als früher. Auch die Franzosen haben
sich hierüber zu beklagen Veranlassung in vielleicht noch
reicherem Maße. Erstens ist es die dort drüben nicht minder
allmächtige Mode, die hemmend eingegriffen hat. Es gilt
zur Zeit als der Gipfel künstlerischer Einsicht und vollkom-
menen Geschmackes, dem sich der Milliardär mit demselben
Gehorsam beugt wie der kleine Sammler und Liebhaber, vor

p Ein Mitarbeiter der „M. N. N." hatte kürzlich eine
Unterredung mit dem Geheimen Dberregierungsrat Lewald,
dem Kommissar des Deutschen Reiches bei der Weltausstel-
lung in St. Louis. Wir geben im folgenden den wesentlichen
Inhalt des als Resultat dieser Unterredung in den „M. N. N."
veröffentlichten sehr interessanten Artikels. Die Redaktion.

allem die holländischen Meister zu bevorzugen. Das ist nun
einmal die Tagesparole, man schwört auf die Niederländer
und das ist eine Sache, gegen die sich einmal nicht ankämpfen
läßt, wer seinen Salon so einzurichten wünscht, daß seine
Freunde ihn beneiden, der kauft heute in ganz Amerika Hol-
länder und nur Holländer. Bewilligt diesen auch Preise, die
zu fordern unseren Kühnsten selbst im Traume die Scham-
röte ins Gesicht treiben würde. Warum nicht? Liebhaber-
sehnsucht, der nichts zu teuer ist, die schließlich auch eine elende
Briefmarke um dreißigtausend Silberlinge erfeilscht. Dagegen
ist also nichts zu machen. Das verrauscht natürlich wie jede
andere Begierde und dieser Zeitpunkt will abgewartet sein.
Heute kommt so ein rasch in die Höhe geschossener Glücks-
pilz zum Kunsthändler und sagt ihm, er möge ihm seinen
Salon einrichten, fragt nebenbei was der Krempel koste. Das
zahlt er ohne viel Besinnen, wenn es Holländer sind. Deut-
sche Bilder schaut er gar nicht an. Aber er wird sie vielleicht
in drei, in zehn Jahren viel mehr beachten, als heute die
heißgeliebten Niederländer, wenn die deutschen Künstler ebenso
geschickt sein werden, wie ihre Landsleute, die deutschen
Kaufleute.
wir kommen nämlich nun zuin zweiten Punkte, was
dem deutschen Handel, der deutschen Industrie den Weltmarkt
erschlossen hat, was sie den Engländern zu so unheimlichen
Konkurrenten macht, das ist einzig und allein ihre ausge-
zeichnete Anpassungsfähigkeit an die jeweils bestehenden Be-
dürfnisse. Billig zu produzieren, ist nur der minder wichtige
Teil der Kaufmannsweisheit, deren schwierigere Seite der gute
Verkauf ist. Und diese letztere Fertigkeit ist naturgemäß im
Künstler sehr schwach entwickelt. Fast gar nicht. Dem Händler
mag's ja gleichgültig scheinen, seine Felle auf englische oder
französische Art zu gerben, wenn er sie so besser abfetzt. Aber
der Künstler hängt an seiner Produktion mit ganz anderen
Banden. Er empfindet es schon als verächtlich, es erfüllt ihn
mit einem Gefühl der Prostitution, wenn er beim Schaffen
sich von irgend einem anderen Standpunkt leiten läßt, als
von jenem, den ihm sein künstlerisches Empfinden und Ge-
wissen, der innere Drang, sein bestes, seine Seele zu geben,
vorschreibt. Er nennt das „Kitsch", womit er den Begriff
des schamlosesten und verachtungswürdigsten verbindet, was
er kennt. Hierin also wird und kann der echte Künstler nicht
sich zu Konzessionen bequemen und niemand soll es ihm raten.
 
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