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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 7
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Die Künstler-Auszeichnungen in St. Louis und die Tagespresse
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Der heilige Bureaukratius in Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0098

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Die Werkstatt der Aunst.

Heft 7.


kungen des „Berliner Tageblatts" sind aber auch
in anderer Hinsicht wenig glücklich. „Jedermann
weiß," so sagt es, „daß bei internationalen Aus-
stellungen eine bestimmte Anzahl Auszeichnungen auf
jedes Volk ,kommt', ohne Ansehen der Leistung."
Ganz richtig! Aber wie kann der Berliner Aritikus
diese Wahrheit als Argument gegen den Erfolg
der deutschen Aunstausstellung anwenden? Er muß
sich doch sagen, daß sie ganz ebenso zuträse, wenn
in Bt. Louis „ausschließlich" die „junge Richtung"
vertreten gewesen wäre! Oder hätte er dann den
fraglichen Batz ungeschrieben gelassen?
Wir wiederholen: Es ist aufs tiefste zu be-
dauern, daß der Deutsche Aünstlerbund in Bl. Louis
nicht ausstellen konnte; er hätte sicher den Ruhm
der deutschen Aunst gemehrt und reichen Anteil an
den Auszeichnungen genommen, die auf jedes Volk
„kommen". Aber der Nutzen und die Berech-
tigung von Bemerkungen, wie wir sie oben ver-
zeichnen mußten, ist nicht einzusehen. Rluß denn
die Aluft, die die deutschen Aünstler trennt, immer
weiter werden, wo doch die Zusammenarbeit, we-
nigstens auf wirtschaftlich-geschäftlichem Ge-
biet, so dringend not tut?
Der heilige kureaukralius in kayern.
Die Angelegenheit, die wir heute hier behan-
deln, ist unseren Lesern durch den „Offenen Brief"
bekannt, den Herr Aarl Ule, ein UAtglied der „Ber-
einigung für angewandte Aunst" in UAinchen, in
der „Werkstatt der Aunst" (Nr. 2 vom sO. Dkt.)
an die Agl. Regierung von Oberbayern, Aammer
des Innern, gerichtet hat.
Die Angelegenheit hat überall unliebsames
Aufsehen erregt, unliebsam für die genannte Re-
gierungsbehörde, die einen Aünstler wie Herrn Ule,
trotz der Gutachten erster Aünstler, einfach unter
die „Glaser" eingereiht hat, nach dem Ulateriale,
mit dem Herr Ule seine künstlerische Ideen und
Absichten verwirklicht.
Das hat man von einer bayerischen Behörde,
und zumal aus der Aunstmetropole Ulünchen, zu
hören nicht erwartet. Das Urteil war in ganz
Deutschland dasselbe. Der amtliche „Dresdner
Anzeiger", welcher der bildenden Aunst täglich
eine besondere Rubrik widmet, schrieb: „Ulan sieht,
die Bureaukratie ist überall dieselbe." Das „Ber-
liner Tageblatt" nannte die Geschichte bezeich-
nenderweise „echt preußisch", insofern damit die

Verständnislosigkeit gemeint war, mit der man
„offiziell" in Preußen der ganzen Aunstentwicklung
gegenübersteht, was man bisher von Bayern
keineswegs sagen konnte. Und die in Ulünchen er-
scheinende „Dekorative Aunst" schrieb:
Kein Urteilsfähiger, der einen Einblick in das Schaffen
Ules und seine im besten Sinne fortschrittlichen Bestre-
bungen gewonnen hat, wird in ihm einen „Glaser-
meister" sehen. Auch dies blieb — wie so manches
andere Unerfreuliche im hiesigen Kunstleben — dem
heiligen Bureaukratius Vorbehalten, der kraft seiner
„höheren Einsicht" dekretierte, daß, wer Fenster macht,
ein Glasermeister ist. So wurde Herr Ule wider Willen
Mitglied der „Glaser-Zwangs-Innung Ulünchen", und
als er hiergegen Beschwerde erhob, wurde diese von der
Kgl. Regierung von Gberbayern verworfen. Im Bewußt-
sein seines guten Rechts hat er sich aber hierbei nicht be-
ruhigt, sondern Berufung beim Kgl. Ministerium
des Innern eingelegt, auf dessen Entscheidung
man gespannt sein darf. Sehr zu wünschen wäre es
aber, daß dieser schematisch-bureaukratischen Handlungs-
weise ein Riegel vorgeschoben wird. In einer Zeit, wo
Münchens prädominierende Stellung als Kunststadt so
schwer gefährdet ist, machen derartige Mißgriffe üble Wir-
kung. Wenn selbst ein Vorstandsmitglied der Vereinigung,
in der sich hier die ganze fortschrittliche Bewegung krista-
lisiert, zwangsweise zum Handwerker gestempelt wird,
darf man sich freilich nicht wundern, wenn der auf neuen
Wegen wandelnde künstlerische Nachwuchs so leichten
Herzens unserer Stadt den Rücken kehrt.
In der Tat ist man auf den Entscheid des
angerufenen Rttnisteriums gespannt. Vielleicht zieht
dieses, wenn es die Urteile der Herrn v. Thiersch
und Theodor Mischer nicht allein berücksichtigen
will, die Herrn U l e als Aünstler anerkennen, auch
das Aultusministerium bei, dem naturgemäß
eine größere Vertrautheit mit der Aunst zu eigen
ist, als der Aammer des Innern.
Der Angelegenheit sollte übrigens eine heitere
Episode nicht fehlen. In den „Ulünchner Neuesten
Nachrichten" erschien folgende Auslassung:
Bezugnehmend aus die vor einigen Tagen in Ihrer
Kunstchronik erschienenen Notiz über den Beschluß der
Behörde, Herrn L. Ule zum Beitritt zur Glaser-Innung
auf Grund der erfüllten Vorbedingungen heranzuziehen,
möchte ich erwähnen, daß es dem Unterzeichneten vor
einigen Jahren ganz ähnlich erging. Die Zwangs-Innung
der Malermeister requirierte mich als ihr Mitglied. Ich
halte es für ganz natürlich, wenn infolge der besonderen
Eigenschaften unserer Berufe auch die daraus ergebenden
Konsequenzen eintreten. Für eine Degradation hat dies
Unterzeichneter nicht gehalten, wenn ihn die neue Funk-
tion auch nicht besonders freute. Wenn der Künstler über
der Gewerbeordnung stehen will, dann darf er keinen
Betrieb mit Personal haben. Die Eigenschaften als Arbeit-
geber und Meister nötigen aber die Behörden, auch den
Künstler als solchen zu behandeln. Zur Entstehung künst-
lerischer Effekte gehört schließlich so viel handwerkliche
Detailarbeit, daß ein Künstler, der sich mit deko-
rativer Kunst beschäftigt, eben zugleich auch
Handwerksmeister werden muß. (!!!) Die Empfind-
lichkeit eines durch solche notwendige behördliche Maß-
nahmen Betroffenen finde ich ja verständlich, aber ich
meine, es ließe sich ertragen. Julius Mössel.
 
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