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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 24
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Zur Affäre Marschall
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320

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 24.

Dieses schreiben beliebt eine Neuerung, die
wir für bedenklich halten. Bis jetzt war es Iitte,
sich von Künstlern, mit denen man in Verbindung
zu treten beabsichtigte, H>robearbeiten zur An-
sicht vorlegen zu lassen, und der Künstler konnte
zu diesem Zwecke aus seinen Mappen wählen,
was ihm gut dünkte. Durch jene Praxis je-
doch wird er eventuell zu nutzlosen Ausgaben
und vergeblicher Arbeit veranlaßt. Auch können
wir uns von der Notwendigkeit des Miteinsendens
einer Pause durchaus nicht überzeugen. Der alte
Brauch war hier entschieden der bessere, und im
Pnteresse der Künstler wie der Auftraggeber ist es
gelegen, daß der neue, wie ihn jene Hirma ein-
zuführen beliebt, keine Verbreitung findet.
2ur Affäre Marscball.
Ueber den jetzigen Stand des Kampfes, den der Lehr-
körper der Akademie der bildenden Künste gegen das Unter-
richtsministerium führt, entnehmen wir einer wiener Tages-
zeitung die folgende offenbar offiziöse Darstellung:
Die im Unterrichtsministerium gepflogenen Erhebungen
über die gegen Professor Marsch all erhobenen Beschuldi-
gungen sind nunmehr abgeschlossen. Das Ministerium ist, wie
der Unterrichtsminister in seiner Beantwortung der Inter-
pellation Kienmann betont hat, bei dieser Untersuchung mit
der größten Gewissenhaftigkeit vorgegangen und ist zu dem
Schluffe gelangt, daß zur Einleitung einer Disziplinarunter-
suchung kein Anlaß vorliegt, nicht nur deshalb, weil alle jene
Fakten, welche Marschall zum Vorwurfe gemacht wurden, in
die Zeit vor seiner Ernennung zum Professor fallen, sondern
auch deshalb, weil auf Grund dieser Erhebungen Marschall
keinerlei unehrenhafte Handlung zur Last gelegt werden konnte.
Gb hiermit auch diese Affäre, welche nun schon seit Wochen
die Geffentlichkeit beschäftigt, zum Abschlüsse gelangt ist, er-
scheint uns zweifelhaft; wir fürchten fast, daß dies nicht der
Fall sein wird. Und doch wäre es höchste Zeit, daß wieder
Ruhe einziehe in die Räume unserer Kunstschule, deren An-
sehen und deren guter Ruf durch die Vorgänge der letzten
Zeit gewiß nicht gewonnen haben.
wir haben bis jetzt die Stellungnahme der Akademie-
Professoren stets in der objektivsten weise beurteilt und wußten
es zu würdigen, daß denselben ein Kollege, welcher ihnen
ohne ihren Vorschlag, fast gegen ihren willen oktroyiert wurde,
nicht eben sehr genehm sein konnte, denn auch wir sind über-
zeugt, daß eine Anstalt mit hochschulartigem Charakter nur
bei Ausrechterhaltung ihrer Autonomie gedeihen kann. Aber
in der Verteidigung dieses Standpunktes müssen doch gewisse
Grenzen eingehalten werden und es darf hierbei nicht vergessen
werden, daß schließlich die oberste Unterrichtsbehörde für das
Gedeihen eines solchen Institutes auch mit verantwortlich ist.
Von diesem zweifellos richtigem Gesichtspunkte aus scheint
uns die zulässige Grenze des Widerstandes gegen die Ernen-
nung Marschalls denn doch schon fast überschritten, wir wissen
nicht, ob das Professorenkollegium für diese Stelle eine be-
stimmte Persönlichkeit in Aussicht genommen hatte, in einer
pinsicht glauben wir aber jetzt, nachdem wir vollen Einblick
in die Affäre haben, mit diesem Kollegium nicht überein-
stimmen zu können, nämlich darin, daß in Oesterreich kein
für dieselbe qualifizierter Künstler existiere und daß eine solche
Kraft erst im Auslande gesucht werden sollte. Da müssen wir
der Unterrichtsverwaltung Recht geben, welche, wie der Unter-
richtsminister in der Beantwortung der Interpellation Erler
erklärt hat, auf dem Standpunkte steht, daß auf einem Ge-
biete, auf welchem Oesterreich anerkanntermaßen Bedeutendes

leistet und nur durch Frankreich übertroffen wird, doch in
erster Linie die heimischen Kräfte heranzuziehen seien. Die
Durchführung des Antrages des Prosefforenkollegiums wäre
wirklich ein ganz ungerechtfertigtes Armutszeugnis für unsere
österreichischen Künstler gewesen, und wenn in diesem Falle
das Unterrichtsministerium sich nicht an diesen Antrag ge-
halten, sondern dem Kaiser einen hiesigen Künstler vorzu-
schlagen für richtig befunden hat, so wird ihm jeder gute
Patriot nur zustimmen können. Gb gerade Marschall die
richtige Person war, muß allerdings dahingestellt bleiben.
pätte das prosessorenkollegium seinerzeit, als es vom
Unterrichtsminister zur Erstattung des Besetzungsvorschlages
aufgefordert wurde, gleich einen anderen tüchtigen öster-
reichischen Künstler nominiert, so wäre es wohl zweifellos,
daß der Unterrichtsminister einem solchen wohlmotivierten
Vorschläge seine Genehmigung sicher nicht versagt hätte und
die leidige Affäre wäre im Interesse der Akademie schon längst
aus der Welt geschafft. Bei einigem guten willen und ge-
wissem Entgegenkommen wäre dies vielleicht auch heute noch
möglich, insbesondere wenn sich alle an der Affäre beteiligten
Kreise vor Augen halten, daß es absolut nicht angeht, daß
das Wohl der Akademie diesem recht unfruchtbaren Streite
noch länger zum Opfer gebracht werde.
Der wiener Korrespondent des „Berl. Tagebl." schreibt
in der gleichen Angelegenheit:
Die Wiener Künstlerkreise befinden sich seit Wochen in
hochgradiger Erregung über eine künstlerische Plagiataffäre,
die immer größere Dimensionen annimmt und sich für ver-
schiedene Persönlichkeiten, sogar für den Unterrichtsminister
Vr. v. Partei, bedenklich zu gestalten beginnt. Im Dezember
wurde an den Minister im Reichsrat eine Interpellation der
Abgeordneten Vr. Erler und Genossen über verschiedene Er-
nennungen an der Kunstakademie, namentlich aber des Me-
dailleurs Rud. Marschall zum Professor, gerichtet. In der
Interpellation wurde Marschall unter anderem vorgeworsen,
daß er sich die Arbeiten anderer Künstler aneigne und für
eigene ausgebe. Drei oder vier solcher Fälle wurden speziell
angeführt, und einer der betroffenen Künstler, der vorzüg-
liche Maler und Radierer Fr. Schmutzer, bestätigte im großen
und ganzen öffentlich die erhobene Beschuldigung, soweit sie
mit ihm zu tun hatte. Die Kunstakademiker rüsteten sich nun
zu Demonstrationen gegen Marschall, weshalb die Akademie
geschlossen wurde. Sie wurde bis heute nicht wieder eröffnet.
Da Marschall gegen sich die Einleitung einer Disziplinar-
untersuchung verlangt hatte, setzte das Ministerium eine Unter-
suchungskommission zur Klarstellung des Tatbestandes ein.
Gb diese Kommission auch die Künstler vernahm, deren Ar-
beiten sich Marschall angeeignet haben soll, ist nicht bekannt
geworden.
Als Ergebnis der Untersuchung erfolgte eine Erklärung
des Ministers im Parlamente: es liege kein Grund zur Ein-
leitung eines Disziplinarverfahrens gegen Marschall vor. Ab-
gesehen davon, daß die Vorwürfe gegen ihn sich auf Dinge
beziehen, „die in die Zeit vor seiner Ernennung zum Akademie-
professor fallen", könnte aus diesen nicht die Beschuldigung
einer unehrenhaften pandlung abgeleitet werden. Erwägungen
„aus dem Gesichtspunkte künstlerischer Empfindung" könnten
da nicht maßgebend sein. Mit Fragen der künstlerischen Ouali-
fikation Marschalls habe sich die Kommission nicht befaßt, „weil
auch nicht der Schein erweckt werden durfte, als ob an einer
aus Grund allerhöchster Entschließung vollzogenen Ernennung
gerüttelt werden könne, oder mit ihrem Zutun der nun einmal
Ernannte zum Verzicht auf seine mit dieser Ernennung ver-
bundenen Rechte auch nur moralisch gezwungen werden sollte".
Es ist natürlich, daß die Künstlerkreise durch diese Ant-
wort wenig befriedigt waren. Der Professorenkörper der Aka-
demie steht in dieser Sache auf Seite der Akademiker gegen
Marschall und lehnt jede Verantwortung für Vorkommnisse
ab, die sich für Marschall aus der Ausübung seines Lehr-
amtes ergeben könnten. Außerdem vollzieht sich zur Zeit eine
Einigung der gesamten Künstlerschast Wiens zu einem Protest
 
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