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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 48
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Eine Bank für Kunst und Kunstgewerbe, [3]
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Eine Rede Anton v. Werners, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0659

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Heft 48.

Die Werkstatt der Aunst.

655

Uebereinkommen mit den großen Schiffahrts- und
Lisenbahngesellschaften erweitert werden". — hierzu
bedürfe es keiner Bank: die Runstvereine könnten
dies ausführen; sie haben die hierzu nötigen
Bureaus und ist auch schon der praktische Beweis
geliefert, daß durch die Tätigkeit der Kunstvereine
die Absatzgebiete mittels erfolgreicher kleiner Aus-
stellungen in Provinzstädten nicht unerheblich er-
weitert werden können.
Eine Kecle Anton v. Merners.
Bei der Preisverteilung in der Kgl. akademischen
Hochschule für die bildenden Künste am 22. Juli d. I.
hat Direktor A. v. Werner eine Ansprache gehalten,
deren Wortlaut setzt vorliegt und in der „vossischen
Zeitung" zum größten Teil veröffentlicht wird. Nach
einer eingehenden Würdigung der großen Verdienste
Wenzels äußerte sich, der genannten (Quelle zufolge,
der Künstler folgendermaßen:
wir können uns nun nicht dein Eindruck verschließen,
daß eine übergroße Zahl all dessen, was wir jetzt auf den
Kunstausstellungen sehen, unter einer entsetzlichen Roheit
und Flüchtigkeit der Mache leidet, welche einen berechtigten
Zweifel sowohl an dem Können wie an dem ehrlichen wollen
der Künstler zuläßt. Noch trauriger, wenn die Roheit der
Darstellung etwa eine Folge der Roheit der künstlerischen
Auffassungsweise ist, welche zu Grunde liegt! In meiner
Rede bei der Preisverteilung im Jahre ^889, als der Im-
pressionismus und Pleinairismus, die Armeleutemalerei und
anderes noch von Paris her plötzlich bei uns in Mode ge-
kommen war, sagte ich unter anderem: „Die Akademie soll
und darf solche eigenartigen Strömungen in der modernen
Kunst nicht außer acht und Betracht lassen, sei es aus Rück-
sicht auf unsere schnellebige und gewaltsam strebende Zeit,
oder sei es, um bei gewissen Schwankungen der Begriffe ein
großes Fragezeichen zu machen."
Ich meinte damals allerdings nicht allein die in Mode
gekommene saloppe Technik, welche durch die schnelle Wieder-
gabe eines rasch vorübergehenden Eindrucks zu rechtfertigen
wäre. Denn selbst das Bild von Manet, welcher unbegreiflicher-
weise traditionell jetzt immer als der Vater des Pleinairis-
mus bezeichnet wird, das „Dejeuner im Walde", zeigt durch-
aus noch nicht diese saloppe Technik, nur glaube ich, daß ge-
rade auf dieses Bild viel weniger die Bezeichnung: „im Freien,
im Pleinair, nach der Natur gemalt", paßt als auf eine Un-
zahl viel früherer von Meissonier, Gerome, Rosa Bonheur,
Breton und anderen französischen und auch deutschen Meistern
gemalter Bilder.
Ich hatte vielmehr das Gefühl, daß diese saloppe Tech-
nik Anlaß werden würde auch zu einer Roheit, welche nicht
allein auf dem technischen Gebiete liegt, sondern hierin nur
ihren ersten Ursprung hat. Und ich glaube, ich habe mich da-
mals nicht getäuscht; es liegt für den Künstler zu viel ver-
führerisches und Gefährliches darin, wenn er glaubt, nur an-
deuten zu brauchen, wo er vollenden sollte.
Gegenüber den wüsten gemalten Zoten, den symbolisch-
mystischen Ausgeburten eines krankhaften Zustandes, welche
uns jetzt als Ergebnis dieser modernen Strömungen dargeboten
werden, und welche zuweilen geradezu physischen Ekel erregen
und gegenüber der unsagbar rohen, jeder künstlerischen Vol-
lendung entbehrenden Darstellungsweise dieser Erzeugnisse will
mich ein Gefühl der Bedrücktheit darüber beschleichen, daß
ich an Schillers ;oo. Todestage an dieser Stelle seine herr-
lichen Worte an die Künstler zitiert habe: „Der Menschheit
würde ist in eure Band gegeben!" Denn sie passen so ganz
und gar nicht auf diese Kunst und ihre Priester! Das große
Fragezeichen aber, welches ich vor ;6 Jahren markierte, scheint
vollkommen berechtigt gewesen zu sein, denn moralisch hinauf

hat diese aus dem Ausland importierte Strömung die deutsche
Kunst nicht gebracht, sondern sichtlich hinunter, auch in rein
technischer Beziehung! Allerdings scheint sich jetzt auch im
eigenen Lager eine gewisse Mißstimmung gegen das Zuweit-
gehen zu regen, denn es wendete sich vor kurzem ein nam-
hafter akademischer Kunstlehrer, perr Professor penry Thode,
welcher neben vielem anderen auch meinen alten Jugendfreund
pans Thoma erst entdeckt hat, und welchem man Vorein-
genommenheit gegen die „Moderne" sicherlich nicht vorwerfen
kann, in öffentlichen Vorträgen mit stammenden Worten gegen
den Impressionismus und gegen „die meinungbildende Macht
des kleinen, aber fest verbundenen Kreises der modernsten
Künstler, der Kunsthändler, Kunsthistoriker und Kunstschreiber,
welche mit einem zweifellos ehrlichen Fanatismus in dem
Wahne befangen seien, das Neueste sei das Beste", und „gegen
einen Kreis der Luxusgesellschaft, welcher geneigt ist, die Rolle,
die er in der Welt spielen möchte, durch Protektion der Kunst
zu verstärken". Schade, daß perr Thode seinen Protest „gegen
eine Tyrannei, wie sie unerhörter noch nicht vorgekommen
ist", gerade nur nach Berlin richtet und nicht noch an andere
Stellen; das beeinträchtigt etwas die Wirkung seiner idealen
Absichten, welche übrigens zu einem erbaulichen Bruderzwist
im eigenen Pause geführt haben, von welchem das Publikum
mit Interesse Kenntnis nimmt und nur bedauert, daß kein
peinrich Peine lebt, um ihn poetisch zu verarbeiten.
Ein Trost ist es übrigens, daß wenigstens unsere Bild-
hauer bis jetzt fast immer bei ihren Schöpfungen in den Bahnen
des gesunden Menschenverstandes gewandelt find, und daß selbst
die unter ihnen, welche aus irgend welchen Gründen wenig-
stens äußerlich modern erscheinen wollten, vorwiegend Werke,
ganz abgesehen von Kaiser-, Sieges- und anderen Denkmälern,
geschaffen haben, welchen der vielgeschmähte Ehrentitel: „klas-
sizistisch oder akademisch" nicht vorenthalten werden kann.
Es ist überhaupt eine eigene Sache mit den kritischen
Kunsturteilen und mit der kunstwissenschaftlichen Forschung,
denn sie scheinen nur den Satz zu bestätigen: nichts ist so be-
ständig als der Wechsel, auch in den Anschauungen über Kunst,
während noch vor kaum zehn Jahren der Naturalismus und
Pleinairismus als das unantastbar höchste Dogma und das
letzte Ziel in der Kunst von den perren proklamiert und ge-
priesen wurde, lesen wir heute — vielleicht von denselben
Autoren —, daß sich der öde Naturalismus glücklicherweise
endlich abgewirtschaftet habe; dem Pleinairismus, der sonst
in Zeitungsartikeln und Novellen, ebenso wie in Annocen
spukte, begegnen wir selten mehr, jetzt scheint wieder der
Symbolismus und Mystizismus und gar die einst vielge-
schmähte Allegorie Favorit zu sein, für die die Pleinair-Malerei
wohl zu umständlich ist.
Aber: „was kommt denn nanu?" so fragen wir mit
dem alten Berliner Couplet! Böcklin, der „Schweizer Gel-
götze", wie er bei einem modernen Kunstschriftsteller geschmack-
voll heißt, Böcklin, der angebetet und vergöttert wurde, gilt
nichts mehr, ist abgetan. Menzel wird auch nur noch gerade
so geduldet, und darauf hingewiesen, daß er doch eigentlich
keine Individualität von Energie gewesen wäre und neben
anderen nicht bestehen könne. Nur der junge Menzel wird
noch anerkannt, der sich „mit einem Interieur bemerk-
bar machte". Selbstverständlich hat die kunstwissenschaftliche
Forschung erst jetzt, so Jahre später, die hohe Bedeutung
dieser Interieurstudie für die deutsche Kunst entdeckt, während
Menzel sich damals mit ganz anderen Werken „bemerkbar"
gemacht hatte. Das war aber ein ganz anderer Menzel, schon
der „alte" als Dreißigjähriger, von dem gesagt wird: „Seine
Kunst ist zu einem Registrierapparat geworden, der die Be-
gebenheiten notiert, anstatt sie zu beleben."
Es sieht wunderlich genug in diesen Köpfen aus, welche
sich für unerläßlich für die Entwicklung der Kunst halten,
für notwendiger als die Künstler selbst, die scheinbar nur eine
Art Werkzeug in ihrer pand sein sollen. Von übermäßiger
Erfahrung nicht angekränkelt, aber getragen von der Ueber-
zeugung: „le style c'est I komme", tragen sie ihre subjektive
Meinung, ihr Kunsturteil, mit der Miene eines Taschen-
spielers vor, welcher das Publikum zum Staunen Hinreißen
 
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