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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 14
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Stimmen zur Reform der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft, 2
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Ein Porträt-Prozess
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Zur Kritik der deutschen Kunstzustände, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0196

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192

Die Werkstatt der Kunst.

Heft

Daß die deutschnationalen Kunstausstel-
lungen, deren letzte s880 in Düsseldorf abgehalten
wurde, wieder aufleben sollen, hat Helix Hollen-
berg in seinen vielbeachteten Artikeln in der „Werk-
statt der Kunst" ausdrücklich betont. Also es handelt
sich lediglich um ein Ab ändern der bestehenden
Ansstellnngsbräuche, und wenn Herr Aehder mit
Recht die Ausstellungsfrage für eine wirtschaft-
liche hält, dann besteht zwischen seinen und den
Stuttgarter Anschauungen ein eigentlicher Unter-
schied nicht, denn dann ist ja das Ansstellungs-
wesen nicht mehr Zweck, sondern Wittel; Wittel,
wie jede andere Waßnahme, die geeignet ist, die
Lage der Künstler zu heben.
Ein Porträt-Prozess.
Ans Elberfeld wird berichtet:
Lin Prozeß, der insofern die Veffeutlichkeit interessiert,
als es sich um das im hiesigen Rathause hängende Bild
der Kaiserin handelt, schwebt zur Zeit am hiesigen Land-
gericht. Das Bild wurde gelegentlich des Besuches des
Kaiserpaares in Elberfeld im Jahre 1900 von dein Stadt-
verordneten Freiherrn August von der peydt der Stadt
Elberfeld zum Geschenk gemacht. Der Geschenkgeber hatte
sich vor der Stiftung schriftlich verpflichtet, dem Schöpfer
des Bildes, dem Maler Kernekamp hier, außer dem
auf 1000 Mk. vereinbarten Kaufpreise noch eine weitere
Oergütung von 1500 Mk. zu zahlen, falls das Bild von
Autoritäten ersten Ranges für vollendet und zur Auf-
hängung iin Rathause würdig erachtet würde. Nachdem
Professor Jansen-Düsseldorf sich in bejahendem Sinne
geäußert und der (Oberbürgermeister Funck davon den Frei-
herrn von der peydt in Kenntnis gesetzt hatte, ermäch-
tigte letzterer den «Oberbürgermeister, die Stiftung des
Bildes den Stadtverordneten mitzuteilen. Diese nahmen
es darnach für die Stadt dankend an. Das Bild hing schon
bei der Anwesenheit des Kaiserpaares in Elberfeld im
Rathaussaale und hängt dort auch jetzt noch. Beim Stifter
hatte sich aber nachträglich die Meinung gebildet, das
Bild sei nicht den Bedingungen entsprechend ausgefallen,
also des neuen Rathauses nicht würdig, er zahlte deshalb
die Z500 Mk. nicht und ließ sich von Kernekamp verklagen.
Das Gericht hat nun drei nanchaste Düsseldorfer Künstler
als Sachverständige berufen, um die (Qualität des Bildes
zu prüfen. Auf den Ausgang des Prozesses und auf die
etwaige Stellungnahme der glücklichen Geschenknehmerin,
falls das Bild ihrer nicht für würdig erachtet werden
sollte, darf man gespannt sein. Im hiesigen Rathause
hängen u. a. auch die von Kernekamp angefertigten Por-
träts der früheren Vberbürgermeister, v. Earnap, Nitsche
und Iaeger. Wegen der vorzüglichen Ausführung des
letzteren Bildes wurde Kernekamp vor vier Jahren vom
Kaiser persönlich ausgezeichnet.
Wenn dieser Bericht das Etreitbild richtig
wiedergibt, dann kann man sich nur wundern,
daß das Gericht den Beklagten nicht sofort zur
Zahlung verurteilte. Ist denn der Künstler vogel-
frei und jeder „nachträglichen" Laune des sOorträt-
bestellers preisgegeben? Wohin käme es denn mit
den jOorträtmalern, wenn sie noch nach Zahr und

Tag wegen plötzlich auftauchender Grillen des Be-
stellers um ihr chonorar prozessieren müßten! Wan
traut seinen Augen kaum, wenn man liest, daß
ein Gericht angesichts so klar liegender Tatsachen
nun noch verschiedene Gutachten hören muß, ehe
es dein Künstler zu seinem klaren Recht verhilft.
Aber die Wege der Zurisprudenz sind eben oft
recht eigenartige.
Tur Kritik
äer äeutscken Kunstzustänäe. )
Wenn ich als ausübender Künstler zeitweilig Pinsel
und Palette beiseite lege und zur Feder greife, um über die
auf dem Gebiet der Malerei in Deutschland jetzt herrschenden
Verhältnisse zu schreiben, so geschieht das, weil es mir, in
Anbetracht der sich stetig vermindernden materiellen Unter-
stützung dieser Kunst und im pinblick auf die ihr auch in
idealer Beziehung von gewisser Seite drohende Gefahr, dringend
not zn tun scheint, daß diese Verhältnisse einmal vom prak-
tischen Standpunkte aus durch einen „Fachmann" beleuchtet
werden. Das halte ich für geboten, weil unser Kunstleben
im allgemeinen nur einer äußeren, sozusagen theoretisch-pla-
tonischen Betrachtung von Kunstgelehrten und Literaten unter-
zogen zu werden pflegt, während interne Mißstände und
materielle Gefahren von diesen perren, die dem geschäftlichen
Betriebe des Malerberufes fernstehen, weder sachlich geprüft
noch erörtert werden können.*) **) Bei meinem Beginnen bin
ich mir sehr wohl bewußt, daß es für mich persönlich insofern
ein wenig dankbares ist, als es mir wahrscheinlich eine Menge
von Angriffen und Anfeindungen zuziehen wird. Trotzdem
glaube ich, meine Pflicht dadurch erfüllen zu müssen, daß ich,
gestützt auf ein reiches statistisches Material, meine mehrjährigen
Beobachtungen und Erfahrungen zu Nutz und Frommen
meiner Kollegen veröffentliche.
Zunächst wäre festzustcllen, daß der Kunst der Malerei
in Deutschland, abgesehen von dem kurzen Goldregen der so-
genannten Gründerjahre, im Vergleich zu der anderer Länder,
namentlich Englands und Frankreichs, von jeher nur knappe
Mittel zngeflossen sind, die sich in neuester Zeit noch so sehr
verringert haben, daß in Künstlerkreisen große Besorgnisse
herrschen. Diese Tatsache muß nur so auffallender erscheinen,
als man, in Anbetracht einer blühenden Industrie und eines
zunehmenden Wohlstandes, ja Luxus' in Deutsch-
land, sich nicht mit der sonst stehenden Klage über „schlechte
Zeiten" abfinden lassen kann. Doch nicht allein der heimische
Markt verhält sich der deutschen Kunst gegenüber ablehnend,
auch das Ausland will seit einiger Zeit von deutschen Ge-
mälden nichts mehr wissen. Englische, amerikanische
und andere Kunsthändler, die früher die Paupt-
kunststädte Deutschlands bereisten, Einkäufe und
Bestellungen machten, haben ihreReisen eingestellt
und lassen nichts mehr von sich hören. Fast hat es
den Anschein, als ob die deutsche Kunst in: Aus-
lande verve h in t und geächtet sei! Wie aber hat das
kommen können, fragt man sich, und welches lind die
Ursachen dieser eben so auffallenden wie betrüben-
den Erscheinung? Ist etwa im Deutschen Reich die Kunst
der Malerei hinter der Kunst anderer Länder zurückgeblieben?
Wenn ich diese Frage entschieden verneine, dagegen behaupte,
daß die deutsche Malerei, abgesehen von einigen, fremdem Ein-
fluß zuzuschreibenden (und später zu besprechenden) ungesunden

*) Der vorstehende Artikel stammt aus der Feder von Prof. Werner
Schuch und erschien im Jahre — >8d6 in der „Zukunft". Damais ging
er unter. In der „Werkstatt der Runs!" ist er am Platz und wird wirken,
warum wir den Artikel mit wenigen Kürzungen nach acht Jahren „aus-
graben"? weil die darin geschilderten Zustände sich seither
eher verschärft als gebessert haben. D. W. d. A.
**) Um diesen Verhältnissen abzuhelfen, wurde vor vier Jahren die
„Werkstatt der Kunst" begründet. D. Red.
 
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