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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 50
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Die Kunst in Danzig
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"Der Fall Böcklin", [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0687

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Heft 50.

Die Werkstatt der Ärmst.

683

sich seit dem Jahre ;ßoo auf gelegentliche Veranstaltung von
Vorträgen beschränken müssen, da es für ein weitergreifendes
Programm an einer ausreichenden Zahl arbeitender Kräfte
fehlte. Nunmehr jedoch ist diesem Mangel im Kunstleben der
Stadt, dessen oben gedacht wurde, abgeholfen. Mitglieder des
Danziger Künstlervereins, Kunstgewerbetreibende und Kauziger
Kunstfreunde traten zusammen und die neue Organisation, ein
Verein für Annst und Annstgewerbe,
konnte, wie wir bereits kurz mitteilten, vor nicht langer Zeit
begründet werden und zwar derart, daß an dieser Begründung
der Verein Danziger Künstler mit seinen sämtlichen Mit-
gliedern teilnahm.
Der neue Verein für Kunst und Kunstgewerbe
stellt sich nun die Aufgabe, durch planmäßige Veranstaltung
von kleineren Ausstellungen und von Vorträgen, durch Dar-
bietung eines reichen Materials an Kunstzeitschriften, durch
Wettbewerbe u. a. m. die kunstgenießenden Kreise der Heimat
fortlaufend mit den mannigfaltigen Erscheinungen auf dem
Gebiete der Kunst und des Kunstgewerbes vertraut zu machen
und die kunstschaffenden Elemente in steter Fühlung mit den
Bestrebungen in den Kunstzentren unseres Vaterlandes zu
halten. Er gedenkt mit seinem Wirken die Tätigkeit des
hiesigen „Kunstvereins", der alle zwei Jahre eine große
Gemäldeausstellung und im Anschluß daran eine Verlosung
veranstaltet, zu ergänzen.
In der pflege des Kunstgewerbes soll der Schwerpunkt
der Arbeit des neuen Vereines liegen. Er hofft, das Danziger
Kunsthandwerk, das einst in hoher Blüte stand und sich einen
Namen weit über die Grenzen des Weichsellandes geschaffen
hat, zu neuem Leben in regem Wettstreit mit den aufstreben-
den Werkstätten der deutschen Kunstzentren anzuspornen, und
glaubt, es am besten zu fördern, indem er ihm einen kunst-
freudigen und kunstverständigen Abnehmerkreis erzieht.
Neben dem Kunstgewerbe wird er unter Wiederauf-
nahme des Ende der 90er Jahre von dem „Verein Danziger
Künstler in der Peinkammer" vertretenen Programms die
graphische Kunst zum Gegenstände seiner Veranstaltungen
machen und eine anregende Vortragstätigkeit entfalten. Für
den nächsten Winter werden drei Ausstellungen, sechs Vor-
träge, drei künstlerische Wettbewerbe vorbereitet; an allen Ver-
anstaltungen nehmen die Mitglieder unentgeltlich teil. Im
besonderen werden die Ausstellungen zur Vorführung bringen:
im November: „Japanische Kunst", insbesondere japanische
Farbenholzschnitte; im Dezember: eine Verkaufszwecken
dienende „Weihnachtsausstellung"; im Januar: „Neu-
deutsche Stickereien"; im März: „Moderne Buchkunst."
„Oer Vöcklm",
so schreibt Artur Seemann im Verlauf eines vor-
trefflichen, längeren Aufsatzes in Nr. 32 der „Kunst-
chronik" über Meier-Graefe und daran anschließend
über die von Or. voll in den „Süddeutschen Monats-
heften" veröffentlichten Untersuchungen, welche Meier-
Graefe mit seiner Gegenüberstellung Holbeins d. I.
und Böcklins so arg ins Gedränge brachten (siehe
„Werkstatt der Kunst" Heft ^6), „ist eine starke Ueber-
treibung; aber einen positiven Kern hat er, denn
Böcklin zeigt als Künstler manche Schwächen, und
es wäre eine verdienstliche Arbeit, Vorzüge und
Mängel seiner Kunst mit Besonnenheit abzuwägen
und darzulegen. Diese Aufgabe ist für die Zeitge-
nossen heute wegen der zeitlichen Nähe der Erschei-
nung kaum lösbar, weil es so schwer ist, sich dabei
von unkontrollierbaren Empfindungen frei zu machen.
Aus dem Buche des Herrn Meier-Graefe ist nun
zu entnehmen, daß er jene Aufgabe für die Welt
nicht gelöst hat; er hat sie nur für sich gelöst, das

heißt er stellt das Verhältnis der Böcklin'schen Aesthetik
zu der seinigen fest. Es ist sehr natürlich, daß die
Kunstabsichten Böcklins mit den: Geschmack Meier-
Graefes nicht parallel laufen können, so wenig als
etwa Voltaires Geschmack mit denen Shakespeares,
und die Friedrichs des Großen mit denen des jungen
Goethe harmonieren konnten. Denn Meier-Graefe
ist kurz gesagt eine Art Kunstmissionar, der nun als
Herold der neufranzösischen Kunst in partidus in-
üäelium auftritt. Es ist das ganz erklärlich: der Ver-
fasser hat lange in Paris gelebt, überall das Feinste
der ästhetische:: Speisekarten gekostet und sich in dieser
Sphäre vollgesogen. Die Welt, die er in sein Herz
zurückschlingt, das, was ihn angesprochen, erfreut,
erregt hat, preist er in lauten Tönen und ist geneigt,
das was ihn nicht anmutet, zu perhorreszieren. So
äußern sich Enthusiasten, aber keine Historiker, wie
der Polyp die Farbe seiner leiblichen Nahrung, trägt
der Mensch gern die der geistigen, die er verarbeiten
und assimilieren kann. Der Aerger darüber, daß
dieser und jener nicht eben das schön findet, was
einen in besonderen Umständen ausgewachsenen Men-
schen im Innersten lockt, erhebt und beglückt, steht
so ziemlich auf einer Stufe mit der Verwunderung
des Ostpreußen, daß man nicht Königsberger Flecke
für das beste Gericht auf Gottes Erdboden halten
könne, oder mit der Anschauung des Frankfurters,
der mißbilligend ausruft: wie kann nor e Mensch
net von Frankfurt sein! Es gibt Leute, welche mit
Leidenschaft Krebse genießen, während andere da-
von krank werden; ebenso ist es notorisch, daß manche
Personen durch den Genuß von Erdbeeren eine Art
Friesel, einen Ausschlag bekommen. Den Fall Böcklin
können wir also unter diesem Gesichtspunkt als eine
ähnliche Anomalie, als einen Böcklinfriesel des Herrn
Meier-Graefe bezeichnen.
Die Argumente, auf die der Verfasser des Buches
sich bei Gelegenheit des Wortwechsels zwischen Lieber-
mann und Thode beruft, haben fast alle nur Gültig-
keit für ihn und die ihm in der Empfindung Nahe-
stehenden. Empfindungen sind nicht übertragbar,
außer durch Kunstwerke; aber auch der Gefühls-
gehalt eines Kunstwerkes wird nur in dem mit
voller Stärke spürbar, dessen Anlage und Erziehung
die erforderliche rasche Auffassung zulassen. So kommt
es, daß z. B. Grillparzer Hebbel nicht verstand, In-
gres nicht Delacroix, K. F. Lessing nicht Feuerbach,
Böcklin nicht Menzel oder Leibl.
Meier-Graefe hat nun unter die Argumente,
die nur für ihn und seine Sinnesverwandtei: gelten,
auch solche gemischt, die objektiv nachprüfbar sind,
und unter diesen ist besonders bemerkenswert eine
parallele zwischen Holbein und Böcklin. Von Böcklin
gibt es bekanntlich ein Selbstbildnis mit einen: fie-
delnden Tod (Nationalgalerie in Berlin), das in der
Publikation »Hundert Meister der Gegenwart' als
letztes Blatt (Nr. (00) in Farbendruck nachgebildet
worden ist. Die Alte Pinakothek in München besitzt
ein Bildnis des Sir Bryam Tuke, Schatzmeister des
 
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