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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 52
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Aus dem heiligen Köln
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Die Geschichte eines Denkmals
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0714

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Die Werkstatt der Kunst.

Heft 52.

hoben werden; das Plakat dagegen an so vielen Stellen
vor aller Augen öffentlich anzuheften, dazu könne ich in
meiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender der
Plakaten-Gesellschaft meine Zustimmung nicht erteilen,
von diesem Standpunkte abzugehen, bin ich leider nicht
in der Lage.
Daß Sie den Brief an mich adressierten, in Fa. I.
p. Bachem, Kölnische Volkszeitung, veranlaßt mich, aus-
drücklich festzustellen, daß die schwebende Angelegenheit
mit der Kölnischen Volkszeitung ganz und gar nichts
zu tun hat.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Rod. Buckem."
Also die Kölner Plakate ngesellschaft, welche
nämlich allein das Recht besitzt, die öffentlichen An-
schlagsäulen und -Tafeln zu benützen, verweigert selbst-
herrlich im Bereiche ihrer Machtvollkommenheit die
gedachte Veröffentlichung des Plakates!
wie? Nicht Polizei oder Staatsanwalt? I Gott
bewahre, die Behörden haben nichts dagegen, nein,
eine plakatengesellschaft, eine leibhaftige pla-
katengesellschaft, jawohl, wirft sich im Lande der
Schiller und Goethe zur Richterin über Kunst und
Moral öffentlich auf, ruft dem Künstler und Kunst-
freunde ein gebietendes: Veto! entgegen.
„Es sei zweifellos, daß dasselbe in weiten Kreisen
Kölns erheblichen Anstoß erregen würde, da es an
den plakatensäulen und -Tafeln den Kindern und in den
Entwicklungsjahren stehenden jungen Mädchen und
jungen Leuten zwingend vor Augen trete,"
so schreibt Herr Bachem. Diese Sorge um das heil
des Kölner Nachwuchses ist doch wirklich rühreud.
wie schade, daß Herr Robert Bachem mit seinem
sorgenden Herzen für das Wohl der Jugend nicht
preußischer Kultusminister ist! V wie bedauern wir,
daß ihm in seinem Tatendrangs leider so enge
Grenzen gesteckt sind! Famos ist ferner die nervöse
Abwehr, daß die Angelegenheit durchaus nichts mit
der „Kölnischen Volkszeitung" zu tun habe.
Herr Robert Bachem stelle nur ausdrücklich fest!
wir rufen ein „Bravo" dazu, denn der Geist, der
da in dieser Angelegenheit umgeht, konnte nicht
ausdrücklicher festgestellt werden, als durch diese
Konstatierung des Herrn I. Robert Bachem, in
Firma I. p. Bachem, „Kölnische Volkszeitung". —
Und nun das Köln des fröhlichen Karnevals?
weiß es das heilige Köln, in welcher weise
es durch diesen Fall, der nur dadurch möglich ist,
daß man eine solche Machtvollkommenheit ohne Be-
denken in die Hände einer im öffentlichen Leben
gänzlich bedeutungslosen Unternehmerin legte, an
den Pranger gestellt, dem Hohngelächter preisgegeben
worden ist? Machtlos sind Künstler und Kunstfreund
an die Befehle dieser Gesellschaft gebunden und aller
Möglichkeit beraubt, an eine höhere Instanz zu appel-
lieren. Sie wenden sich daher an die allgemeine
große Instanz, über welche die Kölner Herren keine
Macht besitzen, an die Geffentlichkeit.
Oeffentlich protestieren wir hiermit gegen die
schwere Beleidigung, die den beiden ernsthaften
Männern zugefügt wurde — durch ein Verfahren

nämlich, welches ausdrücklich besagt, daß durch die-
jenige Handlung, durch welche diese beiden ernst-
haften Männer idealen Sinnes der Kunst zu dienen
wünschten, die Sittlichkeit der Jugend gefährdet
werde. Das ist nicht wahr! Das ist eine schwere
Beleidigung! Das weisen wir im Namen dieser
Beleidigten entrüstet zurück!
Der erste Vorsitzende der Gesellschaft war frei-
lich ein wenig klüger als sein Herr Stellvertreter.
Zu des ersteren Ehre sei's gesagt, daß er konsta-
tierte, daß der Beschluß in seiner Abwesenheit und
gegen seine Ueberzeugung gefaßt worden sei, wo-
mit freilich der Schaden, den Herr Lenobel er-
leidet, nicht aus der Welt geschafft wird, denn das
Plakat muß geändert werden, wenn es die hohe
Genehmigung finden soll. Herr Lenobel hat sich
lange gesträubt, was soll er jedoch tun? <Lr be-
darf für sein Unternehmen der öffentlichen Bekannt-
machung und Ankündigung in der Stadt. Die
Brust der Figur soll von der Palette verdeckt werden,
so wünscht es die hohe Zensur. Ist das nicht herr-
lich? Möge jeder, dem die Freiheit der Kunst in
Deutschland eine heilige Sache ist, aus diesen Dingen
die entsprechende Lehre ziehen, wir unsererseits wer-
den auf dem Posten sein.
Oie Geschickte eines Denkmals.
Die seltsame Geschichte des Kaiser Wilhelm-Denkmals
von Lübeck erzählt auf Grund amtlichen und aktenmäßigen
Materials eine Denkschrift des Künstlerverbandes deutscher
Bildhauer, die der Ausschuß und seine juristischen Beiräte zu
Nutz und Frommen an alle Mitglieder senden. Der Fall ist
in der Tat sehr lehrreich:
Gleich Hamburg und Bremen plante auch Lübeck die
Errichtung eines großen Kaiser Wilhelm-Denkmals. Feier-
lich wurde auf dem Marktplatz der Grundstein gelegt. Ein
gemischter Denkmalsausschuß, bestehend aus Senatoren und
Mitgliedern der Bürgerschaft, wurde von Staats wegen ein-
gesetzt. Den Vorsitz führte der regierende Bürgermeister vr.
Klug. Auf einen allgemeinen Wettbewerb unter deutschen
Bildhauern gingen 36 Entwürfe ein. Ls wurden Preise ver-
teilt; dann vergingen wieder Jahre, und endlich entschloß
inan sich, mit dein Bildhauer Professor v. Uechtritz, der beim
Wettbewerb einen ersten Preis erhalten hatte, sich in Ver-
bindung zu setzen und der Ausführung des Denkmals näher-
zutreten. Das Lübecker Staatsoberhaupt vr. Klug berief den
Künstler nach Lübeck und teilte ihm in der Sitzung des
Denkmalsausschusses mit, daß die Ausführung seines prämi-
ierten Reiterstandbildes beschlossen sei. Nur auf den Markt-
platz, wo der Grundstein feierlich gelegt war, sollte das Denk-
mal nicht kommen, sondern vor das Burgtor. Innerhalb der
Stadtmauern, so murmelte man, könne nur einem Lübecker
ein Denkmal gesetzt werden, nicht einem Preußen. Der Bild-
hauer fertigte, in Rücksicht auf den Platz, drei neue Ent-
würfe für den Unterbau und stellte sie zur Auswahl. Ein-
stimmig wählte man einen dieser Entwürfe. Dann schloß man
einen langen und breiten Vertrag mit dem Künstler zur Aus-
führung. Der regierende Bürgermeister unterfertigte den Ver-
trag, und die Stempelmarke wurde geklebt. Da erst erklärte
der Herr Bürgermeister in seinem Amtszimmer, daß der
Denkmalsausschuß mitsamt dem regierenden Bürgermeister gar
keine Vollmacht hätte, es müsse noch erst die Bürgerschaft ge-
fragt werden. Nun folgten lange Debatten in den Bürger-
schaftssitzungen. Die Reiterfigur sollte geändert werden. Wieder
 
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