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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 29
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Geheimrats Lewald Ansichten über die wirtschaftlichen Aussichten der deutschen Kunst in Amerika
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Todesfälle / Gedenktage / Aus Künstler-Vereinen / Aus Kunstvereinen / Vom Kunsthandel / Aus Galerien und Museen / Auktionen / Vermischtes / Literatur-Umschau / Briefkasten der Schriftleitung / Werbung
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Die Werkstatt der Aunst.

Heft 29.

Aber es wird niemand, und wäre er der Empfindlichste,
einen verrat an einer heiligen Sache sehen können, wenn man
ihn darauf aufmerksam macht, daß es Wünsche, Neigungen
des Publikums gibt, denen er sich fügen kann und fügen
muß. R. Schumann schrieb einst, ein richtiger Musiker müsse
ein Scheunentor komponieren können, und er hat recht mit
diesem Wort, Haben sich die großen Meister der Renaissance
nicht etwa sehr häufig dazu verstanden, die Angaben ihrer
Auftraggeber auszuführen und hat es ihren Werken beträcht-
lichen Schaden gebracht, daß sie die andächtigen Gixsköpse
ihrer Patrone verewigt haben. Es handelt sich doch auch darum,
wie man malt, und nicht ausschließlich, was man schildert.
Lästig mag's ja sein, aber unehrlich hieße es nur ein Narr.
Nun darf man wohl aus diesem Gesichtspunkt heraus fragen,
was denn die Deutschen bestimmen kann, sich in diesen neben-
sächlichen Dingen den Forderungen des Marktes eigensinnig
entgegenzustemmen?
So lieben die Amerikaner die großen Schwarten nicht,
die man ihnen vergeblich anbietet. Ihre Zimmer sind von
mäßigem Umfang, sie leiden gerade nicht an Raummangel,
aber sie wollen mehrere Bilder aufhängen und so ziehen sie
natürlich kleinere Sachen vor. Ferner haben sie eine aus-
gesprochene Abneigung gegen alle Genregemälde, wollen Land-
schaften haben und trotzdem schwimmen Historien und Bauern-
stuben zu Hunderten über das große Wasser und kehren un-
verkauft zur teueren Heimat zurück. Nicht einmal die süßen
Mädeln mit den Märchenaugen, die (Ophelias, die Gretchen,
die Antigones tun dort drüben ihre verfluchte Pflicht und
Schuldigkeit. Ich keune einen Berliner, dessen Atelier ein
ganzes Institut solcher „Revenants" birgt.
Solche Dinge muß man wissen, um sich von vornherein
nicht den schlimmsten Enttäuschungen auszusetzen. Und noch
eine sehr beachtenswerte Sache ist uns neuerdings eingeschärst
worden. Der Deutsche ist nicht abgeneigt, Amerika für das
unbegrenzte Land der Möglichkeiten zu halten. Das mag es
ja in mancher Beziehung sein, in der des Bezahlens bean-
sprucht es, ganz unserem schönen Vorurteil entgegengesetzt,
eine vollständige Normalstellung. Was z. B. den Theater-
leuten und den musikalischen virtuosen dort billig ist, braucht
genau wie bei uns den Malern noch lange nicht recht zu sein.
Diese schaden sich erfahrungsgemäß in sonst günstigen Fällen
durch Preise, die sie um das vierfache zu hoch ansetzen. Der
Amerikaner ist geneigt, 500 Dollars für eine hübsche Land-
schaft zu entrichten, aber nicht die 2000, die in der Regel ge-
fordert werden, und er pflegt über eine solche Zumutung kühl
zu lächeln.....
wo aber den Deutschen ein sicherer Sieg in
Amerika winkt, das ist auf dein Gebiete des Kunst-
gewerbes. Hier hat auch München auf der Weltausstellung
zu St. Louis einen Erfolg zu verzeichnen, wie man sich ihn
ausgiebiger nicht wird denken können. Und hier gilt es nun,
den Einsatz voller Kraft zu entfalten. Daß die Deutschen über-
haupt eine Möbelkunst besitzen, war den Amerikanern völlig
neu, hat sie ungemein überrascht. Daß der alte Wannamaker,
der bei seinen Landsleuten im Gerüche steht, die sicherste Nase
für die künftige Mode zn besitzen und dieser praktischen Fein-
fühligkeit und Seherkraft seine Millionen verdankt, sich in
einem so intensiven Maße für die deutsche Ausstellung inter-
essierte, daß er sie aufkaufte und die einzelnen Stücke in seinen
großartigen Wintergärten aufstellen läßt, das ist eines der
besten Anzeichen, wo unsere Exportzukunft liegt.....
Ls würde allüberall als eine unverzeihliche Schwach-
heit aufgefaßt werden, wenn dieser schöne Anlauf nicht aus-
genützt nnd weiter ausgebaut werden sollte, von sehr ein-
sichtsvoller Seite ist hier der Wunsch geäußert worden, unsere
Kaufleute sollten besonders darauf achten, den verschiedenen
Möbelstücken den Namen ihrer Verfertiger anzuhängen. Es
würde ihnen hierdurch mancher Vorteil Zufällen und besonders
der, daß ihre Eigenart gewahrt bliebe und bekannter würde.
Man kann nicht einsehen, warum man nicht ebenso wie von
einen: Lenbach, einem Eorot auch von einen: künstlerisch her-
vorragenden Dülfer rc. sprechen sollte. Daß es sich in diesen:
Falle vielleicht um einen Schreibtisch handelt, ist nebensächlich.

Als ein sehr bedeutendes Verdienst könnten es sich in diesem
aussichtsvollen Wettbewerb wohl auch die angeseheneren Schiffs-
gesellschaften anrechnen, wenn sie die wirklich künstlerisch recht
schwache, wenn auch prunkvolle Einrichtung ihrer Salone den
Weg alles Irdischen gehen ließen und deutschen Kunstwerk-
stätten freie Hand gönnten. Unsere namhaften Künstler waren
alle in St. Louis, kennen also den Bau und die Erfordernisse
der (Ozeandampfer und würden es sich gewiß sehr angelegen
sein lassen, ihr allerbestes Können und den ernstesten Fleiß
daran zu setzen, diese unvergleichlichen Reklameräume so inter-
essant und unvergeßlich zu gestalten wie nur möglich. Man
denke sich doch, wie viele Tausende reicher Amerikaner, Eng-
länder und Franzosen auf diesen Schiffen jahraus jahrein
verkehren und, was das Wichtigste ist, daß diese Leute zehn
Tage lang Gelegenheit haben, die Schönheiten, die ihnen da
geboten werden, eingehendst zu genießen und sich selbst an das
Fremdartige, was sie sonst auf den ersten Blick abstoßen
könnte, in aller Gemütsruhe zu gewöhnen.
Ueber den Amerikaner als Händler spricht sich Herr
Geheimrat Lewald sehr günstig aus. Trotz all seiner gelegent-
lichen Neigung zum „Bluff" ist er ein durchaus verlässiger,
solider Lharakter. Er kümmert sich wenig um den Stand und
um formelle Dinge, für ihn ist meist der Eindruck, den die
ihm gegenüberstehende Persönlichkeit auf ihn ausübt, maß-
gebend. Was die Frage der sogenannten amerikanischen Ge-
fahr anbelangt, so teilt hierin Herr Lewald die Meinung
unserer bewährtesten Amerikaforscher. Die Mehrzahl von ihnen
ist der zweifellos auch richtiger: Ansicht, daß Amerika nie-
mals in der Lage sein dürfte, so billig zu produzieren wie
wir, oder uns gar zu unterbieten. Das ist nach alledem, was
man kontrollieren kann, ausgeschlossen. In erster Reihe sind
die Arbeitslöhne viel zu hoch und der amerikanische Arbeiter
an einen so behaglichen stauäarcl ok 1:5s gewöhnt, daß diese
Tatsache allein uns schon das Gruseln vor der so gefürchteten
Konkurrenz abgewöhnen sollte. Die Trusts, die ja drüben
dadurch, daß sie über eine gewaltige wirtschaftliche Kraft ver-
fügen, heute noch recht bedenklich aussehen, begegnen einem
so intensiven Widerwillen des Volkes, daß es wahrscheinlich
zu gesetzgeberischen Akten gegen diese Auswüchse kommen
wird, die sie erdrücken. Ein Staatsmann, eine Zeitung, die
gegen die Trusts auftritt, ist der allgemeinen Zustimmung
unter allen Umständen sicher.
Es gibt eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Einrich-
tungen, die drüben weit vollkommener funktionieren als die
unserigen und von denen wir lernen können. Hierzu zählt
nicht am letzten das gesamte Hotelwesen, das in Amerika
zu einer staunenswerten Vollendung gediehen ist, mit der sich
selbst die guten Häuser Europas nicht zu messen vermögen.
Auch die Verkehrsmittel und vieles, was im Gebiete der
Technik geleistet wird, das alles bietet genügende Anhalts-
punkte zn eingehenden: Studium, das sichere Früchte tragen
wird. .....
Fassen wir das Gesagte znsammen, so ergibt sich der
hocherfreuliche Schluß, daß die Weltausstellung zn St. Lonis
glänzende Aussichten eröffnet hat."

Eröffnete Ausstellungen. (L-msehung)
Stuttgart. In: Württembergischen Kunstverein
wurden neu ausgestellt: I.D.Holz „Jungvieh unter Bäumen",
„Landschaft bei Schleißheim", „In: Schatten"; Wilh. Fritzel:
Elf Gemälde; R. Gönner: Gemälde und Aquarelle; E.
Bischoff-Tulm „An: Zaun", „Dämmerung", „Wolken";
W. Hambüchen „Herbstnachmittag an: Kanal"; Müller-
Werlau: Sieben Gemälde; H. D. Wallend orf: Neun Ge-
mälde; P. v. Wächter „Porträt der Prinzessin T.", „Bein:
Weber", Pastellporträt; F. Ulrich „Fuchs in: Winter"; E.
Gabler: Interieur, Stilleben, zehn (Originalradierungei:;
Anna Peters: Zwei Blumenstücke; L. Gödl-Brandhnber
„Waldteich", drei (Originalradierungen; H. Lin den borg:
Zwei Marinebilder; K. Fuchs „Mein Dorf", „Pfarrhaus"
 
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