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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 9
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Aufruf an die deutsche Künstlerschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0125

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Drgsn fürdie
Interessen der W
dendenltrenttler.

Redakteur: Ernst 6loss.

IV. Ilakrg. ^ k)ekt 9. * 28. I^ov. 1904.

Aufruf an die deutsche Rünstlersckaft

Die in letzter Nummer der „Werkstatt der Aunst"
erwähnte, von einer Aommission der Lokalgenossen-
schaft Berlin I verfaßte Eingabe in Lachen des
für die Aünstlerschaft so bedenklichen „Rechts am
eigenen Bilde" geht uns zur Veröffentlichung
zu. Lie lautet:
Dem hohen Bundesrat,
Dein hohen Reichstage
beehren sich die Unterzeichneten bildenden Rünstler folgendes
mit der Bitte um wohlwollende Prüfung vorzutragen.
In dein Entwurf für ein neues Urheberrechtsgesetz be-
findet sich eine Bestimmung, die ein völlig neues Prinzip in
die Urheberrechtsgesetzgebung bringt. Es handelt sich um die
KZ ^6 und z?, welche lauten:
8 l6-
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abge-
bildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ab-
laufe von zehn Jahren der Einwilligung der Angehörigen
des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes
sind der überlebende Ehegatte und die Rinder des Abge-
bildeten, und wenn weder ein Ehegatte noch Rinder vor-
handen sind, die Eltern des Abgebildeten.
Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte dürfen
ohne die nach Abs. z erforderliche Einwilligung verbreitet
und zur Schau gestellt werden, sofern nicht dadurch ein
berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.
Die Vorschrift des Abs. z findet keine Anwendung auf
solche Bilder, deren Zweck nicht in der Darstellung einzelner
Personen besteht, insbesondere auf die Wiedergabe von
Landschaften, von Versammlungen, Aufzügen und ähn-
lichen Vorgängen.
8 l?.
Für amtliche Zwecke dürfen Bildnisse von den Be-
hörden ohne Einwilligung des Berechtigten, sowie des
Abgebildeten oder seiner Angehörigen vervielfältigt, ver-
breitet und öffentlich zur Schau gestellt werden.
Bisher war von einem Porträtschutz nur insoweit die
Rede, als dem Besteller eines Porträts ein gewisses Recht
eingeräumt war (Kg des Gesetzes vom 9. Jan. Z876). von

einem Recht des Abgebildeten war bisher nie die Rede, viel-
mehr konnte sich der bildende Rünstler der Gesichtszüge seiner
Mitmenschen bedienen wie jedes anderen Vbjekts. Tatsäch-
liche Unzuträglichkeiten, die durch diesen bisherigen Rechts-
zustand auf dem Gebiete der bildenden Runft hervorgerufen
wären, sind wenigstens nicht bekannt geworden. Es kann in
in der Theorie zugegeben werden, daß das gesteigerte Be-
dürfnis nach dem Ausbau des Persönlichkeitsrechts diesen
Zustand als änderungsbedürftig erscheinen läßt. Demgegen-
über erlauben wir uns, darauf hinzuweisen, daß die vorge-
fchlagenen neuen Bestimmungen in der Praxis ernste Unzu-
träglichkeiten für die bildende Runst im Gefolge haben müssen.
Um seine Mission erfüllen zu können, hat der Rünstler
das Interesse:
z. in der Darstellung des Menschen unbeschränkt zu fein,
soweit er dadurch nicht mit dem gemeinem Recht in
Ronstikt kommt.
2. Ropf- und Figurenstudien zu reproduzieren und zu
verbreiten.
3. Alles ausstellen zu können, was er schafft und zwar
sowohl, um sein künstlerisches Schaffen, seine künst-
lerische Individualität der Mitwelt zu offenbaren,
als auch, um sich bekannt zu machen, und um eine
Verwertung der Merke zu ermöglichen.
Diese Interessen werden durch den vorliegenden Ent-
wurf schwer gefährdet.
Zunächst scheint uns mehr als bedenklich, daß der Be-
griff „Bildnis" nicht definiert ist. Aus dem Zusammenhang
scheint hervorzugehen, daß nicht nur die speziellen Arbeiten
der Porträtmaler und Porträtbildhauer ins Auge gefaßt sind,
sondern daß, mit einzelnen, im Entwurf präzisierten Aus-
nahmen, jede Abbildung einer Person getroffen werden soll,
die die Züge dieser Person deutlich erkennen läßt. Dies würde
zunächst zur Folge haben, daß ein Ausstellen und Repro-
duzieren von Ropfstudien unmöglich gemacht würde. Die
Rünstler könnten zwar mit den Berufsmodellen entsprechende
Verträge abschließen. Bei Gelegenheitsmodellen ist dies aber
schon untunlich, zumal der Rünstler meist noch gar nicht an
die Veröffentlichung denkt. Später, bei Anfertigung einer
solchen Studie aber dürfte es fast unmöglich sein, noch nach-
träglich die Erlaubnis des Dargestellten oder für seinen Todes-
fall die seiner Angehörigen einzuholen Die wertvollsten Arbeiten
eines Menzel, Rnaus, Gebhardt, Uhde, Leibl, Defregger u. f. w.
würden damit der Geffentlichkeit vorenthalten bleiben.
 
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