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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 4.1904/​1905

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Heft 9
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Aufruf an die deutsche Künstlerschaft
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Aus dem Beschwerdebuch der Künstlerschaft, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42122#0126

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122

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 9.

Andererseits könnte ein derartiger Schutz gegenüber
ahnungslosen Künstlern zu Erpressungen oder Nötigung seitens
solcher Personen ausgenutzt werden, welche die Veröffentlichung
ihres Bildnisses zwar nicht als Schädigung ihrer Gefühle oder
Interessen empfinden, aber doch als eine Ouelle leichten Er-
werbes betrachten.
Die vom Gesetzentwurf zugelassenen Ausnahmen sind
so unsicher definiert, daß eine verschiedene Auffassung zweifel-
los möglich ist und es dem Künstler schwer fallen, wenn nicht
gar unmöglich sein wird, darnach ein Bild zu gewinnen von
dem, was ihm erlaubt oder verboten ist. Der Begriff der
Zeitgeschichte ist für uns so vage und schwankend, nament-
lich nach den Aeußerungen hervorragender Rechtsgelehrter,
daß es jedenfalls erst einer ganzen Reihe von Richtersprüchen
bedürfen würde, um einige Klarheit über diesen Punkt zu ge-
winnen.
Wie soll z. B. es gehalten werden, wenn ein Künstler
beliebige Erscheinungen auf der Straße oder in einem Lokal
als typische Gestalten fixiert und sie später reproduziert?
Der Absatz 3 des K (6 ist ebenfalls unklar; eine Gruppe
von Porträtfiguren ist wohl nicht ohne weiteres als Dar-
stellung einer Versammlung aufzufassen. Die Grenze zwischen
den Begriffen Gruppen und Versammlung ist sehr schwer zu
bestimmen. Gar nicht berücksichtigt hat der Entwurf das Ver-
hältnis zum Ausland. Das Verbot der Wiedergabe von Bild-
nissen bezieht sich augenscheinlich sowohl auf die Bildnisse von
Reichsangehörigen, wie von Ausländern. Demgegenüber wären
die ausländischen Künstler in ihrer Kunstübung ganz unbe-
schränkt, während dem deutschen Künstler eine lästige Fessel
angelegt werden soll, die unseres Wissens nicht eine einzige
Gesetzgebung des Anslandes kennt. Im internationalen Wett-
bewerb ist dem deutschen Künstler aber Förderung dringend
nötig, eine pemmung muß gerade in der Zeit aufstrebender
Kunstentwicklung doppelt schwer empfunden werden.
Die KK zs und ;7 lassen die Bestrebungen erkennen,
diejenigen Forderungen gesetzmäßig festzulegen, welche von den
Verfechtern des Rechts am eigenen Bilde erhoben werden.
Die Kodifizierung der dafür in Frage kommenden Prinzipien
birgt die Gefahr in sich, die berechtigtsten Interessen der bil-
denden Kunst aufs schwerste zu schädigen. Der Entwurf der
Regierung hat diesen Fehler vermeiden wollen, aber die vor-
liegende Fassung benachteiligt gerade die allerlegitimste Kunst-
tätigkeit, während Fälle, wie sie z. B. das unbefugte Photo-
graphieren der Leiche des Fürsten Bismarck darstellt, infolge
der für zeitgeschichtliche Persönlichkeiten gemachten Ausnahme,
durch das Gesetz nicht getroffen werden.
Die Unterzeichneten sprechen daher die dringende Bitte
aus, daß den KK (6 und eine Fassung gegeben werde,
welche die erläuterten Unklarheiten beseitigt und vor allem
jede Schädigung und Benachteiligung für die deutsche Kunst-
xflege ausschließt.
Sollte sich indessen eine Fassung nicht finden lassen, die
den Zweck des Entwurfs zum Ausdruck bringt, ohne gleich-
zeitig die Kunst zu schädigen, so glauben wir wohl bei der
Abschätzung der gegensätzlichen Interessen behaupten zu dürfen,
daß die allgemeinen Interessen der Kunst größere Berück-
sichtigung verdienen.
Die Künstler sind selbstverständlich damit einverstanden,
wenn Beleidigungen, Kränkungen und Interessenvcrlctzungen,
die durch Abbildungen hervorgebracht sind, aufs strengste
geahndet werden. Aber die Freiheit der Kunst muß unter
allen Umständen unangetastet bleiben.
Wir bitten daher in erster Reihe, dem Gesetze eine solche
Fassung zu geben, daß die nach dein jetzt veröffentlichten Ent-
wurf vorliegende Gefahr der Schädigung der deutschen Kunst
klar und unzweideutig beseitigt wird. Und ferner,
falls dies unmöglich sein sollte, lieber den Gedanken
des „Rechts am eigenen Bilde" vollständig aus dem
Urheberrechtsgesetz fortzulassen und nur die Bestim-
mung des ß 8 des Gesetzes vom 9. Januar (876
wieder aufzunehmen.

Wir bitten die deutschen Künstler, ohne Unter-
schied der Richtung die vorstehende Petition
recht zahlreich unterstützen zu wollen. Dies
geschieht am einfachsten durch eine Postkarte an
den „Pauptvorstand der Allgemeinen Deutschen
Kunstgenossenschaft, Dresden, Schössergasse PH des
Inhalts: Ich bin mit der Petition in Sachen des
„Rechts am eigenen Bilde" einverstanden; Drt und
Unterschrift. Auch ist die „Werkstatt der Aunst"
gerne bereit, schriftliche Zustimmungserklärungen
entgegenzunehmen und an den Pauptvorstand in
Dresden weiterzubefördern.
Aus ctem kescbwercleduck
cler Kimstlersckakt.
11.
Einem Künstler in Gberba^ern ging kürzlich
folgendes Schreiben einer Airma in Stuttgart zu,
deren hochtrabender Briefbogentitel recht schlecht
mit dem Inhalt harmoniert:
Spezialgeschäft für Liebhabcrkünste
p. Freytag, Stuttgart, kgl. württemb. Hoflieferant.
Größtes Tiefbrand-Atelier Deutschlands.
Stuttgart, den Oktober ;90H.
Geehrter perr!
Ich erhielt Ihre Offerte. Ich gebrauche haudgemalte
Künstlerpostkarten speziell Landschaften in Aquarell, mög-
lichst die ganze Karte bemalt zu einem Ankaufspreis von
(5 bis 25 Pfennig pro Stück in zebn Sujets, von welchen
ich jährlich einige (000 Stück absetze.
Ferner benötige ich Aquarelle Pochformat (0 auf zocm.
Landschaften in freundlicher Stimmung recht ansprechendes
Sujet in vier Dessins einige (00 Stück im Jahre.
Ferner Vellandschaften auf lllalpappe ( 1 auf 50 om
poch- und zs auf 27 cm Ouerformat, je zwei Dessins.
Wollen Sie eine Bemusterung bis Montag mittag
im potel Russischer pof München aufgeben an meine
Adresse, wo ich mich auf der Durchreise befinde.
Konvenierende Muster werden bezahlt, nicht Kouve-
nierendes gebe ich zurück.
pochachtungsvoll
P. p. Freytag.
(Unleserlich.)
Der also „beehrte" Künstler bemerkt dazu:
Ich las in den „RKinchn. Neuesten" eine An-
nonce, in welcher Künstler-Driginalkarten-Land-
schaften in verschiedenen Größen gesucht wurden,
und schrieb darauf, daß ich um nähere Angabe
bitte, welcher Art die gewünschten Arbeiten sein
sollen. Ich erhielt dann einige Tage später den
beigeschlossenen Brief, worin der Auftraggeber
für eine Aquarellkarte von Künstlerhand den
kaum glaublichen Preis von fünfzehn bis fünf-
 
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